DerTabubruch: CDU beschließt mit AfD und FDP Steuersenkung in Thüringen

Abgeordnete von CDU, FDP und AfD stimmen im Thüringer Landtag für den Gesetzentwurf der Union. Foto: Martin Schutt/dpa

von SIMONE ROTHE & STEFAN HANTZSCHMANN

ERFURT – Ungewöhnliche Rollenverteilung im Parlament: Die Opposition hat in Thüringen gegen die rot-rot-grüne Minderheitskoalition eine Steuersenkung durchgesetzt – mit Hilfe der AfD. Die CDU-Fraktion konnte die beim Immobilienkauf fällige Grunderwerbsteuer nur von 6,5 auf 5,0 Prozent drücken, weil neben der FDP auch die in Thüringen vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestufte Partei zustimmte. Das sorgt bundesweit für Diskussion.

CDU-Chef Friedrich Merz sprang seinen Thüringer Parteikollegen zur Seite. Linke, SPD und Grüne reagierten empört, die Landesregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) prüft nun eine Verfassungsklage, wie Finanzministerin Heike Taubert (SPD) ankündigte. Die Linke befürchtet eine Art «kleine Regierung» in der Opposition.

Argumente für die Steuersenkung

Die Steuersenkung hat ein Volumen von etwa 48 Millionen Euro. Es gehe in der jetzigen Situation, in der Menschen massive Sorgen hätten, darum, Familien finanziell zu entlasten und der angeschlagenen Bauwirtschaft Impulse zu geben, begründete CDU-Fraktionschef Mario Voigt das Gesetz im Landtag. Thüringen gehöre zu den Ländern mit der höchsten Grunderwerbssteuer.

Die CDU und die Brandmauer zur AfD

«Ich kann nicht gute, wichtige Entscheidungen für den Freistaat, die Entlastung für Familien und der Wirtschaft, davon abhängig machen, dass die Falschen zustimmen könnten», sagte Voigt zu den Stimmen der AfD, ohne die es keine Mehrheit gegeben hätte. Absprachen mit der AfD habe es nicht gegeben, von einer Zusammenarbeit wie von Rot-Rot-Grün behauptet könne keine Rede sein.

AfD-Rechtsaußen Björn Höcke kommentierte das Abstimmungsergebnis so: «Das ist einfach ein guter Tag für Thüringen, das ist pragmatische Politik.» Es gebe eine «bürgerliche Mehrheit» im Thüringer Landtag, sagte der Thüringer Partei- und Fraktionsvorsitzende. Er sei froh, dass die «CDU heute den Mut aufgebracht hat», den Gesetzentwurf «durchzuhalten».

Nach einer neuen Umfrage liegt die AfD ein Jahr vor drei Landtagswahlen in Ostdeutschland nicht nur in Thüringen und Sachsen vorn, sondern nun auch in Brandenburg. Sie hat jeweils die 30-Prozent-Marke übersprungen.

Beistand vom CDU-Bundesvorsitzenden

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz verteidigte das Agieren der Thüringer CDU-Fraktion noch vor der Abstimmung. «Wir machen das, was wir in den Landtagen wie auch im Deutschen Bundestag diskutieren, nicht von anderen Fraktionen abhängig», sagte Merz im «Frühstart» von RTL/ntv. Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es auf Bundes- und Landesebene nicht geben. «Dabei bleibt es auch.»

Regierungskoalition: Bündnis in der Opposition

Die politischen Verhältnisse in Thüringen sind kompliziert. Die Regierungsfraktionen von Linke, SPD und Grüne haben keine Mehrheit im Parlament. In der Vergangenheit kamen die fehlenden Stimmen für Gesetze oft von der CDU. Aber inzwischen wurde die Koalition auch schon zweimal von der Opposition überstimmt. Thüringens Linke-Fraktionschef Steffen Dittes warf der CDU vor, «Gestaltungsmehrheiten» mit der AfD zu bilden. Das sei der Versuch, «aus der Opposition heraus mit einer rechtsextremen Partei das Land zu gestalten oder zu regieren». Thüringens Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich sagte, die CDU unternehme «nicht mal mehr den Versuch, politische Mehrheiten ohne die AfD zu suchen». Die CDU wiederum weist darauf hin, dass auch Rot-Rot-Grün bereits mit der AfD gestimmt habe: bei einer Änderung der Kommunalordnung und der Änderung eines Untersuchungsausschuss-Auftrags zur Personalpolitik der Regierung.

Gesprächsangebot von Ramelow

Vor der Abstimmung signalisierte Regierungschef Ramelow der CDU erneut Gesprächsbereitschaft. Über Alternativen der Familienförderung, die die CDU mit ihrem Gesetz bezwecke, könne geredet werden. Voigt konterte, das Gesetz liege seit langem auf dem Tisch, seine Fraktion habe auf Vorschläge von Rot-Rot-Grün vergeblich gewartet. Er hatte sich zu Wochenbeginn mit Regierungsvertretern, auch Ramelow, getroffen. Ramelow meldete zudem verfassungsrechtliche Bedenken gegen Passagen des Gesetzes an. Möglicherweise droht nun eine Klage. Bis zur nächsten Landtagswahl ist es noch knapp ein Jahr.

Bildquelle:

  • Abstimmung im Landtag: dpa

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