Hydra Musikbusiness: Sie zieht ihre Kinder heran, lässt sie mit ihrem Erfolg allein und verschlingt sie – so wie die große Amy Winehouse

Viel zu früh gestroben: die britische Jazz- und Soul-Ikone Amy Winehouse

von DENNIS KING

LONDON – Am 14. September dieses Jahres wäre Amy Winehouse 42 Jahre alt geworden.

Vor 14 Jahren wurde auch ihre letzte Aufnahme, ein Duett mit dem grossen Tony Bennett, veröffentlicht. Eine Kommerzmaschinerie setzt sich in Gang.

Es gibt kein sichereres Einkommen als die letzten Hits von verstorbenen Legenden

Der Reigen der „Selber Schuld!“-, „Sie hat sich zu Tode gesoffen“- und „Ich weine dem Junkie keine Träne nach“-Kommentare ist bis heute schier endlos.

Was sich allerdings keiner der musikalischen Stammtischbrüder fragt ist, wieso es soweit gekommen ist mit der Amy. Die Hydra Musikbusiness zieht ihre Kinder heran, lässt sie mit ihrem Erfolg allein und verschlingt sie dann.
Vielleicht wollte Amy gar nicht der Superstar sein zu dem sie hochsilisiert wurde, vielleicht war sie einfach nur hilflos.

Mit als einzigen Stützen einem drogensüchtigen Ehemann, der sie eher als fiskale Melkmaschine betrachtete, und einen wohlmeinenden, jedoch genauso hilflosen, Vater. Einem Taxifahrer, dessen Musikkenntnisse und dessen Wissen über das Business wahrscheinlich vom Hören von BBC Radio One stammten.

Sie wurde überall zur Schau gestellt, weniger wegen ihrem grandiosen Talent, sondern vielmehr wegen ihrer extravaganten Persönlichkeit.

Schon ihr öffentliches Betragen war ein einziger Hilfeschrei

Wer sie im Kreise Vertrauter, wie dem wunderbaren Jools Holland, erleben durfte, sah ein kleines ehrfürchtiges Mädchen, was nur ein paar Dinah-Washington-Songs singen wollte. Die wenigen öffentlichen Momente die sie uns voller Glück teilen liess waren die, wenn sie sang.

Das Phänomen Amy Winehouse auf Suff und Drogen zu reduzieren würde einen inflationären Umgang mit ihrem Talent bedeuten.

Weil, haben wir uns nicht auch schon über Elvis Presley aufgeregt, weil er an den Tabletten hing? Haben wir nicht Sinatra verteufelt, weil er mit dem Mob spielte? Hendrix als Junkie deklassiert, Morrison als morbiden Spinner abgestempelt und Lennon als reaktionären Gotteslästerer verdammt?

Dabei vergessen wir allzu leicht, welch unglaubliche Hinterlassenschaft uns all diese Giganten schenkten; all ihre Sünden konnten nicht von ihrer musikalischen Größe ablenken.
Elvis, der die erste Revolution anstachelte, Sinatra, der mit seiner Jahrhundertstimme das Orchester dirigierte, Hendrix, der seine Seele aus der Gitarre sprechen ließ, Morrison, der die Abgründe seiner Ängste und Frustrationen mit uns teilte und John Lennon, der wohl aufrichtigste Songschreiber aller Zeiten.

Und jetzt also Amy

Ja Amy, sie spielte in dieser Liga ganz vorn. Sie war weit mehr als nur ein vorübergehender Trend.

Wer Ohren hatte und hat wird verstanden haben, welch großartige Intonation, wieviel gelebter Schmerz und wieviel Liebe sie in ihre Musik packte.

Ich bin als nicht gerade unkritischer Mensch verschrien, Diana Krall hat mich verzaubert, aber Amy hat mich tief in meinem Herzen getroffen.

Und uns aller Drang, uns aller Sucht nach mehr von diesem Castingshow-befreiten Klängen ist wahrscheinlich auch das, was Amy letztendlich hat sterben lassen.

Zu viel Liebe, Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit sind ein unguter Gemütsmix

Die Hydra Musikbusiness zieht ihre Kinder heran, lässt sie mit ihrem Erfolg allein und verschlingt sie dann.
Nun ist sie weg, die Amy.

Zu Tode geliebt und verdammt von einer Öffentlichkeit, die sie nie wollte.

Das einzige was uns bleibt ist ihre Musik und die unbeholfenen Gesten eines Vaters, der sein kleines Mädchen verloren hat.

Wie arm!

Denkt mal drüber nach, ehe Ihr den nächsten Star verdammt.

Bildquelle:

  • Amy_Winehouse_2: flickR

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren