Ingrid Hartges (Dehoga): „Es ist dramatisch!“ 600.000 Gastro-Jobs sind akut gefährdet

ARCHIV - An einem Haus hängt der Schriftzug «Hotel». Das Statistische Bundesamt veröffentlicht am 10.03.2021 Zahlen zum Inlandstourismus für Januar 2021. Foto: Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa

Von THOMAS DÖRFLINGER

BERLIN – Ingrid Hartges ist das, was man sowohl ein wenig als auch anerkennend eine „alte Häsin“ nennt. Seit über 15 Jahren steht sie als Hauptgeschäftsführerin an der Spitze des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Eigentlich bringt die 61jährige Volljuristin so schnell nichts aus der Ruhe. Aber: Mittlerweile sei die Lage in der Branche „dramatisch“, betont Ingrid Hartges im Gespräch mit TheGermanZ. Und die Tonlage, in der die Betriebe ihre Situation an den Verband melden, nimmt täglich an Schärfe zu.

Der Dehoga ist gestern einmal mehr an die Medien herangetreten. Wir erwischen die Hauptgeschäftsführerin zwischen zwei Telefonkonferenzen. „Es sind heftige Zeiten“, sagt Ingrid Hartges. Bereits ein Viertel aller Betriebe im Hotel- und Gaststättenbereich denke mittlerweile konkret über das Aus nach. Hunderttausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Da sind die Gefahren für nachgelagerte Bereiche wie z.B. die Lebensmittelproduktion oder touristische Infrastrukturen noch gar nicht mitberücksichtigt.

In der kommenden Woche wollen Kanzlerin und Länderchefs über die künftige Corona-Strategie beraten. Wie soll es weitergehen? Dehoga-Präsident Guido Zöllick, der als Direktor ein Hotel in Warnemünde führt, bringt die Dinge auf den Punkt: „Die Konten sind leer, die Rücklagen sind aufgebraucht, die Nerven liegen blank.“ Diese Stimmungslage spürt Ingrid Hartges jeden Tag. Aus vielen Schreiben und Mails spreche die pure Verzweiflung. Dabei sei es nicht nur der finanzielle Druck, der den Mittelständlern zu schaffen macht. „Es fehlt einfach die Perspektive!“ Es brauche jetzt einen verbindlichen Zeitplan, wann die Branche unter welchen Voraussetzungen wieder öffnen dürfe. „Die Leute wollen einfach wieder arbeiten“, so Hartges. Es gehe auch nicht um Öffnung um jeden Preis. Aber letztlich sei es niemand zu vermitteln, wenn die Deutschen einerseits zum Urlaub nach Mallorca fliegen dürften, aber der Biergarten um die Ecke und das Ferienhotel an der Nordsee nach wie vor geschlossen haben.

Dazu komme die verspätete Auszahlung der Hilfen. „Die November- und Dezemberhilfen und Überbrückungshilfen III sind immer noch nicht überall angekommen“, berichtet Hartges.  Selbst Steuerberater kämen bisweilen mit den Antragsverfahren an ihre Grenzen, meint Ingrid Hartges Wir sehen nach. Der Leitfaden für Antragserfassende bei der Überbrückungshilfe II, downzuloaden auf der Website des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat 63 DIN-A-4-Seiten; Titelblatt, Inhaltsverzeichnis, Impressum und FAQs nicht mitgerechnet. Noch Fragen?

Wenn eine wachsende Anzahl von Betrieben mit dem Rücken an der Wand stehe, wird die Wut auch beim Dehoga nicht langsam so groß, dass überlegt wird, es den niederländischen Kollegen gleichzutun und trotz Verbot zu öffnen? Ingrid Hartges winkt ab. Bei allem Verständnis für den maximalen Frust der Unternehmer führe ein Aufruf zum Rechtsbruch nicht weiter. Damit werde keine Öffnung erreicht. „Bußgelder für den Wirt würden fällig. Das bislang große Mitgefühl der Menschen für die Not in der Branche würde durch solche Aktionen ebenso leiden und die Disqualifizierung des Verbandes als seriöser Gesprächspartner wären die Konsequenzen“, erklärt Hartges. Der DEHOGA kämpfe mit überzeugenden Argumenten und kreativen Demonstrationen wie zum Beispiel Anfang März für verlässliche Perspektiven und Öffnungsstrategien. „Denn keine Frage: Die Zeit drängt“, sagt Hartges und verweist auf aktuelle Zahlen. Eine Verbandsumfrage. vom 9. März unter 6.500 Betrieben habe ergeben, dass der Umsatzrückgang im Februar durchschnittlich bei fast 80 Prozent lag.   Die Politik müsse jetzt liefern. Das gelte nicht nur mit Blick auf eine belastbare Perspektive für die Betriebe, das betreffe insbesondere die Impf- und Teststrategie. Die Geduld der Unternehmer sei bald am Ende. Es dürfe nicht soweit kommen, dass die Lichter in Deutschlands Gastronomie und Hotellerie ausgehen. „Die Zukunftssicherung der 220.000 Unternehmen mit ihren 2,4 Millionen Beschäftigten muss jetzt oberste Priorität haben.“

 

Bildquelle:

  • Ein Hotel. Symbolbild: dpa

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren