Können sich sanktionierte Oligarchen in Deutschland einfach freikaufen?

Russischer Oligarch Alischer Usmanov

MÜNCHEN – Mit einer Rekordzahlung beendet der russisch-usbekische Oligarch Alischer Usmanow das letzte große Ermittlungsverfahren gegen sich in Deutschland. Ein Fall, der Fragen über die Durchsetzbarkeit von Sanktionen und die Grenzen des Rechtsstaats aufwirft.

Heute wird offiziell, was sich in Justizkreisen bereits angedeutet hatte: Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München II gegen den Multimilliardär Usmanow wurde endgültig eingestellt. Der Preis für diesen Schlussstrich ist historisch: 10 Millionen Euro. Damit geht einer der prominentesten Rechtsstreitigkeiten im Kontext der EU-Sanktionen gegen russische Eliten zu Ende.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Jahr 2022 stand Usmanow im Fokus deutscher Behörden. Während ein Verfahren wegen Geldwäsche in Frankfurt bereits im November 2024 gegen eine Zahlung von 4 Millionen Euro eingestellt worden war, blieb die Münchner Justiz zunächst hartnäckig.

Im Kern der Münchner Ermittlungen stand der Verdacht des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz

Usmanow soll nach seiner Aufnahme auf die EU-Sanktionsliste im Februar 2022 weiterhin hohe Summen für die Bewachung und Instandhaltung seiner luxuriösen Villen in Rottach-Egern am Tegernsee gezahlt haben. Da seine Konten eigentlich eingefroren waren, werteten die Behörden dies als illegalen Zugriff auf blockiertes Vermögen. Als sanktionierte Person ist man aber verpflichtet, sämtliche Vermögenswerte in Deutschland gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) offenzulegen. Die Staatsanwaltschaft warf Usmanow vor, erhebliche Werte – darunter eine wertvolle Weinsammlung und hochpreisige Gemälde – verschwiegen zu haben.

Rechtliche Grundlage für die jetzige Einigung ist der Paragraph 153a der Strafprozessordnung (StPO), der es der Staatsanwaltschaft ermöglicht, ein Verfahren einzustellen, wenn das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung durch die Erfüllung von Auflagen und Weisungen beseitigt werden kann.

Der Dal legt fest, dass von den 10 Millionen Euro, die Usmanov jetzt überweisen wird, jeweils 5 Millionen Euro in die bayerische Staatskasse und an verschiedene gemeinnützige Einrichtungen fließen sollen.

Mit der vollständigen Zahlung des Betrags ist das Verfahren dann endgültig erledigt.

Für die Anwälte von Usmanow ist dieser Abschluss ein strategischer Erfolg. In einer Stellungnahme betonten sie, dass die Einstellung ausdrücklich kein Schuldeingeständnis ihres Mandanten beinhalte. Usmanow habe stets bestritten, gegen deutsches Recht verstoßen zu haben. Seine Verteidigung argumentierte, dass viele der betroffenen Besitztümer nicht ihm persönlich gehörten, sondern in komplexe Stiftungsstrukturen eingebunden seien – ein Argument, das die Ermittlungen von Anfang an massiv erschwert hatte.

Zudem wies die Verteidigung darauf hin, dass Usmanow seit 2018 nicht mehr in Deutschland steuerpflichtig sei und seinen Lebensmittelpunkt in Usbekistan habe. Die Zahlung der 10 Millionen Euro wird von seiner Seite eher als „Beitrag zur Befriedung“ und zur Vermeidung eines jahrelangen, unsicheren Prozesses dargestellt.

Trotz der enormen Summe regt sich aber auch Kritik

Können sich wirklich superreiche Oligarchen in Deutschland einfach freikaufen? Und: was sollen Sanktionen bewirken, wenn man Verstöße dagegen einfach mit Zahlungen eines Bruchteils des eigenen Besitzes aus der Welt schaffen kann?

Andererseits stand die Staatsanwaltschaft vor der Herausforderung, in einem hochkomplexen Geflecht aus internationalen Firmen und Treuhandmodellen zweifelsfrei nachzuweisen, wer die wirtschaftliche Kontrolle über die Vermögenswerte ausübte. Ein Prozess hätte Jahre dauern können und wäre mit erheblichem Risiko des Scheiterns behaftet gewesen. Mit dem Abschluss in München sind die wesentlichen strafrechtlichen Fronten gegen Usmanow in der Bundesrepublik bereinigt.

Seine Villen am Tegernsee waren bereits Schauplatz spektakulärer Razzien; seine Luxusjacht „Dilbar“ wurde festgesetzt. Doch während die strafrechtliche Verfolgung nun endet, bleiben die administrativen Sanktionen der EU bestehen. Usmanow darf weiterhin nicht in die EU einreisen und seine Vermögenswerte bleiben eingefroren.

Die 10 Millionen Euro sind ein Rekordbetrag für eine Einstellung nach § 153a StPO in Bayern. Sie markieren das Ende eines Kapitels, in dem die deutsche Justiz versuchte, die Architektur der Sanktionen gegen den Widerstand hochbezahlter Top-Juristen durchzusetzen. Am Ende steht ein Kompromiss, der die Staatskasse füllt, aber die tiefergehende Frage nach der strafrechtlichen Verantwortung unbeantwortet lässt.

Bildquelle:

  • Alischer_Usmanov: imago

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren