von MARTIN EBERTS
ROM – Ein langes Konklave war erwartet worden, es ging dann aber sehr schnell. Keiner hatte auf einen Amerikaner als Papst gesetzt. Und doch wurde Robert Francis Prevost, OSA, gewählt.
Der Heilige Geist am Werke
Dabei ergibt das alles Sinn: Der neue Papst verbindet tiefe persönliche Frömmigkeit mit den Qualitäten eines erprobten Verwalters; er war lange Zeit Missionar und Seelsorger, kennt die Nöte der Menschen, aber er hat auch Erfahrung in der Kurie. Er gilt als ausgleichend und verbindlich, aber auch als durchsetzungsstark; und er versteht die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Kirche in der Welt. Da soll noch jemand sagen, der Heilige Geist komme im Konklave nicht zu Wort…!
Weit mehr als Schall und Rauch
Was können wir nun vom Pontifikat des neuen Papstes erwarten? Noch hat Leo XIV. sein Programm nicht vorgestellt. Aber mit der Wahl seines Papstnamens gibt er zumindest schon erste Hinweise. Die Wahl des Namens ist immer programmatisch. Damit stellt sich der jeweils neugewählte Papst in eine bestimmte Tradition, setzt eigene Akzente. Wir erinnern uns noch lebhaft an das öffentliche „Aha-Erlebnis“ bei Benedikt XVI. und natürlich ganz besonders bei Franziskus. Und die damit gesetzten Erwartungen wurden in vielerlei Hinsicht jeweils auch erfüllt.
Papst an der Zeitenwende
Der letzte Papst mit dem Namen Leo saß von 1878 bis 1903 auf dem Stuhl Petri. Sein langes Pontifikat fiel in eine Zeit großer Umbrüche in Kirche und Gesellschaft, weltweit. Die Herausforderungen jener Zeitenwende waren gewiss nicht geringer als die heutigen. Damals wie heute gab es dramatische Herausforderungen und neue Bedrohungen. Leo XIV. ist sich der Parallele ganz sicher bewusst.
Der Papst der Armen
Der Name Leo XIII. wird in aller Regel vor allem mit der katholischen Soziallehre verbunden, und das völlig zu Recht. Seine berühmte Enzyklika „Rerum novarum“ („von den neuen Dingen“), die erste große Sozialenzyklika überhaupt, darf man getrost als das Gründungsdokument der Katholischen Soziallehre bezeichnen. Leo XIII. hatte die drängende Not der sozialen Frage erkannt. Die Kirche hatte natürlich immer an der Seite der Armen gestanden; Nächstenliebe, Hilfe für Arme und Kranke, für Waisen und Notleidende war und ist Kennzeichen des Christlichen schlechthin. Doch musste der Papst der Herausforderung durch neue gefährliche Ideologien auch programmatisch entgegentreten. Seine Sozialenzyklika wurde dann von seinen Nachfolgern immer wieder aufgegriffen. Leo XIV. wird das Thema ganz sicher aufnehmen. Aber das ist noch nicht alles, was in dem Namen steckt.
Stärke Deine Brüder!
Das Gebot Jesu an Simon Petrus gilt natürlich jedem Papst. Und auch in dieser Hinsicht ist der Name Leo programmatisch. Leo XIII. stand für die Festigung und Verteidigung des Glaubens gegen Relativismus und „modernistische“ Irrlehren – mindestens ebenso stark wie für das Soziale. Mit der Enzyklika „Aeterni Patris“ von 1879 begründete Leo XIII. die „neo-thomistische“ Tradition, in welcher die Rolle des Kirchenvaters Thomas von Aquin – eines der größten Denker der Geschichte – als maßgeblichen Lehrers der Kirche wiederbegründet wurde. Leo XIV. wird als Augustiner große Sympathie dafür haben.
Diese Rückbesinnung auf die Grundlagen der katholischen Lehre war damals bereits ähnlich dringend wie in unserer Zeit. Und hierher passt auch ein weiterer Papst mit diesem Namen: Leo I., genannt „der Große“, musste im fünften Jahrhundert mit einer dramatischen Zeitenwende, nie dagewesenen Bedrohungen und vor allem gefährlichen theologischen Verirrungen kämpfen. Manche der damaligen Irrlehren tauchen im Laufe der Kirchengeschichte übrigens immer wieder auf, unter verschiedenen Etiketten, bis zum heutigen Tag.
Kirche global, avant la lettre
Leo XIII. ist schließlich auch als jener Papst in Erinnerung, der die jungen Kirchen in den Missionsgebieten der Welt in den Blick nahm und ihre Bedeutung erkannte, womit er seiner Zeit weit voraus war, in der man in Europa noch (bestenfalls) mitleidig auf die Völker in „Übersee“ herabblickte. Unter Leo XIII. wurden nicht nur zahlreiche Missionsgesellschaften gegründet, sondern auch neue Bistümer in Amerika, Afrika und Asien geschaffen. Dass Leo XIV. auch und gerade an diese Tradition anzuknüpfen gedenkt, erscheint angesichts seines Lebenslaufes nur zu verständlich.
What’s in a name?
Es gäbe noch mehr zu entdecken in der Gestalt Leos XIII., zum Beispiel seine Förderung der Breitenbildung oder seine Begeisterung für Wissenschaft und Technik. Er war der erste Papst überhaupt, von dem es Filmaufnahmen gibt.
Aber genug jetzt mit der Interpretation des Papst-Namens! Leo XIV. wird sein Programm bald selbst erkennen lassen, dann bedarf es auch keiner historischen Bezüge und Auslegungen mehr. Es bleibt aber noch eine Frage: Werden die Leute das alles richtig verstehen?
Ganz egal wie er sich nennt und wie auch immer sein Pontifikat sich anlässt, werden nicht Missgünstige, Kirchenhasser und Christenverfolger weltweit einfach schreien: Ein Amerikaner! Ein Feind! Wer von denen wird etwas davon wissen – oder sich darum scheren – dass der neue Papst aus einer internationalen Familie stammt, in Peru Bischof war und eine im besten Sinne weltkirchliche Einstellung hat? Der Papst wird damit klar kommen, und deshalb sollten wir uns den Kopf auch nicht darüber zerbrechen. Dem Apostel Paulus ging es ähnlich; er war Bürger der damals alles beherrschenden Weltmacht, des römischen Reiches, und wir wissen was ihm dieses „Privileg“ gebracht hat. Dem Erfolg seiner Mission hat es jedenfalls nicht geschadet.
Wünschen wir dem neuen Papst Leo XIV. viel Glück und immer eine sichere Hand – vor allem aber den Segen des Himmels!
Bildquelle:
- Grafik_Papst_Leo_XIV: depositpohotos