Demonstration der Landwirte in Berlin: Die Leute sollten wissen, woher ihre Tomaten und Cocktailfrüchte wirklich kommen

BERLIN – Seit fast drei Monaten demonstrieren Landwirte in Berin mit einer Mahnwache im Zentrum der Hauptstadt. Heute findet dort die Abschlussveranstaltung statt. Wir erwischten die Initiatorin von „Land schafft Verbindung“, Maike Schulz-Broers, auf dem Weg nach Berlin.

Warum harren die Landwirte da seit 57 Tagen aus?

Wir wollen nochmal darauf aufmerksam machen, dass die derzeitige Politik für die Landwirte fatal werden kann. Außerdem haben wir das Gespräch mit verantwortlichen Politikern gesucht. Svenja Schulze (SPD) hat sich verweigert, Julia Klöckner (CDU) kam für 90 Minuten. Ursprünglich ging es in erster Linie um eine faire Bezahlung unserer Arbeit durch den Handel, dann kam das Insektenschutzgesetz von Svenja Schulze dazu.

Insektenschutz – das ist doch ein ehrenwertes Anliegen. Warum sind die Bauern dagegen?

Die Bauern sind nicht gegen den Insektenschutz. Ganz im Gegenteil. Es geht letzten Endes darum, dass das Insektenschutzpaket wissenschaftlich fundiert sein sollte. Bisher kann man nur erkennen, dass – wie die Landweite das nennen – Balkonbiologen ihre ideologischen Vorstellungen von Insekten- und Naturschutz aufgeschrieben haben. Die Natur ist nicht sauber. Die Natur ist eben auch das, was die Menschen als Dreck bezeichnen. In diesem Dreck leben Insekten und entwickeln sich da drin. Das ist Nahrungsquelle und Brutstätte und Heimat für unzählige Insekten. Wenn seitens der Politik die Landwirte per Ideologie dazu gezwungen werden, die z. B. als Misthaufen zur Verfügung gestellten Heimstätte für Insekten abzudecken oder einzuarbeiten, dann gehen dadurch vielfältige Insektenarten verloren. Das kann doch nicht der Sinn für Naturschutz sein!

Das ist eines von vielen Anliegen. Was liegt Ihnen noch am Herzen?

Was mittlerweile sehr wichtig ist, ist der Verbraucherschutz, da wir immer wieder und vermehrt feststellen, dass Lebensmittel auf dem deutschen Markt nicht das sind, was sie vorgeben zu sein.

Wie sollen wir uns das vorzustellen?

Es ist so, dass Verbraucher davon ausgehen, dass in einer italienischen Tomatensauce aus Italien, italienische Tomaten drin sind. Die Hersteller dürfen aber auch Tomaten aus Spanien oder billige Massenware aus China benutzen. Das halten wir Landwirte für sehr fragwürdig.

Was sollte geschehen?

Wir meinen, dass die Herkunft eindeutig auf den Verpackungen angegeben werden muss. Also eine ehrliche Herkunftskennzeichnung in Klarschrift. Das bedeutet: keine Codes oder ähnliches.

Wie ist derzeit die Praxis?

Herkunftskennzeichnung findet kaum statt. Cocktailfrüchte aus der Dose z. B. . kommen nicht von hier, sondern größtenteils aus China. Das steht nicht drauf. Bei der Herstellung werden Mittel verwendet, die hier in Deutschland in der Lebensmittelproduktion nicht zugelassen sind, wie z. B. Chlorbleiche. Das interessiert unsere Politik aber nicht, denn – wie Julia Klöckner das verharmlost hat: „Die Mittel dürfen nicht nachweisbar sein.“ Das würden wir Landwirte in Deutschland und die Hersteller mit Sicherheit auch irgendwie hinbekommen. Aber wir dürfen und wollen das ja nicht mal im Anbau oder in der Verdedelung benutzen, weil uns die Gesundheit unserer Kunden wichtig ist.

Es gibt aber ein Problem?

Das EuGH hat geurteilt, dass eine solche Herkunftskennzeichnung nur dann möglich sei, wenn die Regierung die Verbraucher warnen möchte, z.B. vor Qualitätsunterschieden. Wenn aber Milch importiert wird, dann darf ein Hersteller seine Milch aus der Region oder aus dem Land nicht mit der Herkunftsbezeichnung versehen. Es ist eine Tendenz feststellbar, dass man auf EU-Ebene eine sichere und transparente Herkunftskennzeichnung am liebsten ganz abschaffen würde. Dort hat man kein Interesse daran, dass die Verbraucher nachvollziehen können, woher ihre Lebensmittel stammen und dann eventuell recherchieren, unter welchen Umständen sie dort hergestellt wurden.

Was bedeutet das konkret?

Schauen Sie beispielsweise das anhängige Mercosur-Abkommen an: Da will sich die EU-Nomenklatura Industriewaren mit Naturalien aus Südamerika „bezahlen“ lassen. Kaum angekündigt, begannen in Amazonien weitere Flächen in den Urwäldern zu brennen, damit genug und billig produziert werden könnte, was auf dem EU-Markt absetzbar sein würde. Der Verbraucher hier in Europa, würde über solche naturschädigende Methoden nicht informiert. Und genau das scheint im Interesse der EU zu liegen. Diese Billigprodukte verdrängen unsere hochwertigen Lebensmittel aus dem Markt.

Das sind gewichtige Argumente, die für einen regen Austausch zwischen Politik und der landwirtschaftlichen Standesvertretung sprechen. Wer ist heute in Berlin dabei?

Auf der Bühne stehen viele engagiertere freie Landwirte wie z. B. die „Freien Bauern“, „Land schafft Verbindung e.V. (LsV) – das Original, die „Basisbauernbewegung“, LsV-Deutschland, Winzer aus der Pfalz, natürlich die unglaublich engagierten Anmelder der „Demo-Berlin“ und mit dem „Landvolk Weserbergland“ ist auch der Bauernverband anwesend. Wir sind also da, und wir sind zum Gespräch – wie immer – bereit. Mal sehen, was da aus der Politik für Signale kommen. Schön wäre es, wenn die Hauptnachrichtensendungen von ARD und ZDF mal über uns Landwirte berichten und unsere Anliegen korrekt darstellen würden.

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Bildquelle:

  • Demo_Bauern_Berlin_23.03.2021: lsv

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