„Maximale Disruption“: Der deutsche Bumerang – wie klug ist es Trump zu beleidigen?

Die deutsche Vertretung in Washington DC.

von KLAUS KELLE

BERLIN – Da haben wir es der Welt mal wieder gezeigt – wie man es nicht macht! Der deutsche Botschafter in Washington, Andreas Michaelis, schickt einen internen Bericht nach Berlin, in dem er die neue Trump-Regierung in den schwärzesten Farben schildert. „Maximale Disruption“ ist das Stichwort, Trump strebe eine extreme Machtkonzentration in seinen Händen an, zulasten von Kongress und Senat und zulasten der Bundesstaaten. Das ganze riecht geradezu nach Staatsstreich, so als könne POTUS – der President of the United States – jetzt ohne oder gegen die Verfassung regieren, mit Hilfe seiner Milliardärs-Cronies Rechtsstaat und Demokratie aushebeln und zu einer Autokratie übergehen.

Das alles hat man schon zur Genüge in den deutschen Medien gehört und gelesen, getextet von mehr oder weniger kundigen Experten und meinungsstarken Kommentatoren. Man fragt sich, warum eigentlich vor allem die Deutschen so kopflos und panisch auf Trump reagieren. Von ganz links bis weit rechts der Mitte gilt Trump den Deutschen als Inbegriff des Bösen. Aber wozu braucht es dann noch einen internen Botschaftsbericht? Und wieso ist der „intern“, gelangt aber doch an die Öffentlichkeit?

Annalena Baerbock – die Noch-Inhaberin des Amtes der Bundesministerin des Auswärtigen – hat sich natürlich sogleich schützend vor ihren Botschafter gestellt. Das verwundert nicht, denn Michaelis ist bekannt dafür, zum harten grünen Kern der deutschen Berufsdiplomaten zu zählen. Er ist ja kein Dünnbrettbohrer, wie manche Seiteneinsteiger, die unter Baerbock mit Randthemen aufgestiegen sind. Nein, er ist ein echter Diplomat, und als solcher hat er seinen übertrieben alarmistischen Bericht ja auch nur intern verschickt. Sicher nicht seine Schuld, dass der nun durch die Öffentlichkeit geistert.

Der erste Fall einer durchgestochenen Berichterstattung ist das nicht. Aber diese Fälle sind im deutschen Auswärtigen Dienst sehr selten. Das liegt an der großen Loyalität und Professionalität der deutschen Diplomaten. Früher hätte man von Esprit de corps gesprochen. Das „sowas tut man nicht“ ist noch immer ein inneres Regelungsprinzip ihrer Arbeit. Und deshalb schlägt so ein Fall eben ungeheuer ins Kontor. Die Aufregung im Haus am Werderschen Markt in Berlin-Mitte ist dementsprechend hoch – noch nicht Panik, aber schon Schnappatmung.

Unvergessen ist im AA ein weitaus harmloserer Fall, der vor vielen Jahren ebenfalls von Washington seinen Ausgang nahm. Damals war ebenfalls ein Botschaftsbericht öffentlich geworden. Zwar war der Inhalt seinerzeit nicht im entferntesten so brisant wie dieses Mal. Damals wurden aber vor lauter Schreck gleich die Spielregeln für das diplomatische Berichtswesen geändert, so dass seither Berichte über hochrangige Gespräche deutscher Politiker nur noch als Verschlusssache versendet werden dürfen.

Aber das hätte im vorliegenden Fall auch nichts geholfen

Michaelis berichtete ja nicht aus einem Gespräch des Kanzlers oder der Ministerin. Dass seine überbordende Trump-Schelte treffgenau zur Amtseinführung des Gescholtenen in aller Öffentlichkeit erschien, macht das Ganze aber deutlich schlimmer als jeden früheren Fall. Peinlicher präsentiert sich zu diesem Zeitpunkt keiner der Verbündeten. Mal sehen, welche neuen internen Regeln das Amt jetzt einführt!

Andreas Michaelis ist als Botschafter in Washington nicht mehr lange tragbar. Wer seine Abscheu vor dem Präsidenten so deutlich, wenn auch unfreiwillig, bekundet hat, der kann nicht mehr darauf hoffen, in Washingtoner Regierungskreisen noch einen Fuß auf den Boden zu bekommen. Lame Duck forever! Zeit ihn wegzuloben, Frau Minister!

Man hätte dem Mann raten sollen, nicht nur die grüne Erwartungshaltung in der Zentrale zu bedienen, sondern etwas differenzierter zu werten. Aber in seinem Stil spiegelt sich eigentlich nur ein genereller Trend zur Entprofessionalisierung des Auswärtigen Dienstes, der sich seit dem Einzug von Annalena Baerbock im Haus am Werderschen Markt wie ein Virus verbreitet. Im Überbietungswettbewerb „wer zeigt am meisten Haltung“ haben differenzierte Sichtweisen kaum mehr Chancen. Sie sind zumindest nicht karrierefördernd.

Wenigstens in dieser Hinsicht muss sich Andreas Michaelis keine Sorgen machen. Er hat die höchsten Ränge der Beförderungsleiter schon vor langer Zeit erklommen. Da kann ihm nichts passieren. Und dass sich Annalena so schnell und deutlich hinter ihn gestellt hat – mehr in grüner Nibelungentreue, als aus kluger Überlegung – zeigt klar, wie die Prioritäten der Ministerin sind. Haltung ist wichtiger als Diplomatie.

Bleibt noch die Frage, wie es überhaupt zu dem „Leak“ kommen konnte, wo doch die deutschen Diplomaten so loyale Typen sind. Bevor nun interessierte Kreise bei ihren internen Ermittlungen auf die falsche Fährte geraten und nach Mitarbeitern oder gar Mitarbeiterinnen suchen, die politisch nicht zuverlässig sind, hier noch ein Tipp: Es könnte einfach am berüchtigten Führungsstil des Herrn Michaelis liegen. Ob als Botschafter oder Staatssekretär, aber auch schon in früheren Führungsaufgaben – eines war stets typisch für ihn: der arrogante und herrische Führungsstil.

Nur wenige Spitzendiplomaten im AA sind bei ihren Leuten so verhasst wie Michaelis. Ob er es bei seinem früheren Mentor Joschka Fischer gelernt, oder selbst ausgedacht hat: wer in seinem Umfeld Karriere machen will, muss sich völlig unterordnen und sich schon mal erniedrigen lassen, sonst wird das nichts. Und wer nicht in der Gnade dieses Chefs steht, der geht sowieso dem Herrn Michaelis aus dem Weg. Trotzdem hat das nie seiner Karriere geschadet, weil er es einfach drauf hat und sonst die Haltung stimmt. Aber sowas produziert über die Jahre eine Menge Ressentiment unter den Mitarbeitenden. Und irgendwann kommt dann jemand in Versuchung. Gelegenheit macht Rache. Fast wie bei Trump!

Bildquelle:

  • Deutsche_Botschaft_Washington: uni siegen

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