‚Mr. Dax‘ Dirk Müller: „Die USA werden versuchen, China den Stecker zu ziehen“

"Mr. Dax" Dirk Müller.
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BERLIN – Dirk Müller, den sie Mr. Dax nennen, ist einer der bekanntesten Börsenmakler und Fondmanager in Deutschland.Mit seinen Büchern, in denen er vor dem großen Crash warnt, hat er großen Erfolg. Andere kritisieren ihn als „Verschwörungstheoretiker“. Michael Sting macht sich selbst ein Bild.

Dirk Müller, Sie sind vielen Menschen bekannt als Mr. Dax. Wie sind Sie zu dem Spitznamen gekommen und was hat Sie motiviert, in die große Welt der Finanzen einzutauchen?

Ursprünglich hatte ich gar keine Ambitionen, mich mit der Börsen -und Bankenwelt zu beschäftigen. Wir wohnten damals rund 100 km von der großen Finanzmetropole Frankfurt entfernt. Bis zu dem Moment, als ich 1987 mit meinen Freunden den Film „Wall-Street“ im Kino sehen konnte. Was zunächst als persönliches Hobby begann, entwickelte sich nach dem Abitur zu einem festen Bestandteil meines Lebens.
Angefangen habe ich mit einer Ausbildung bei der Deutschen Bank in Mannheim. Die hatten zu diesem Zeitpunkt als einzige Bank eine Börsenabteilung. Das war man Einstiegstor in die Börsenwelt und mein Türöffner nach Frankfurt.

Den Namen Mr. Dax habe ich dem „Spiegel“ zu verdanken. Damals befand sich mein Arbeitsplatz an der Frankfurter Börse unter der großen Anzeigetafel für den Dax. Wenn die Printmedien über die Börse berichteten, war diese Daxtafel mit meinem Konterfei häufig auf den Titelseiten. Irgendwann kam dann der Spiegel auf mich zu für eine Homestory über dieses Gesicht, das jeder kennt, aber keiner weiß, wer es ist, „Mister Dax“ eben. Daraus ergaben sich immer weitere Interviewanfragen, denn wie damals einer der Journalisten sagte: „Was Herr Müller uns erklärt, das verstehen wir auch“.

Wenn Sie die wirtschaftliche Situation sowohl in Deutschland als auch weltweit betrachten, wie steht unser Land aus Ihrer Sicht heute da?

Derzeit stehen alle großen Volkswirtschaften unter großen Druck. Allein die Corona-Krise und nun der Ukraine-Konflikt haben der deutschen Wirtschaft bereits einen Schaden von rund 600 Milliarden Euro beschert. Ich habe damals in meinem Buch „Machtbeben“ 2018 darauf hingewiesen, dass die nächste große Wirtschaftskrise durch die steigenden US-Zinsen ausgelöst wird. Bis 2021 war der Tenor beinahe aller Experten, dass keine Chance besteht, dass die Notenbanken jemals wieder die Zinsen anheben. Es wurde von einer dauerhaft niedrigen Inflation ausgegangen. Zudem ging man ebenfalls davon aus, dass höhere Zinsen für hochverschuldete Länder wie beispielweise Griechenland oder Italien nicht tragbar sind. Nun ziehen die Notenbanken weltweit die Zinsen straff an. Binnen weniger Monate hat die Europäische-Zentralbank den Leitzins von 0 auf aktuell 3 Prozent erhöht.

Das ist bereits jetzt dramatisch für viele Unternehmer und besonders für Immobilienbesitzer, deren Festzinsbindung ausläuft. Oder für Bürger, die auf der Suche nach einer Immobilie sind. Die monatlichen Raten sind für den Normalverdiener kaum noch stemmbar. Dadurch und gemischt mit der hohen Inflation von ca. acht Prozent, ist der Neubau in Deutschland um 16 Prozent eingebrochen. Selbst jungen Studenten ohne Geld wurden Immobilien mit 110 Prozent Finanzierung als Investment aufgedrängt. Dadurch droht vielen Menschen die Zwangsversteigerung, sobald Sie die Raten bei steigenden Zinsen nicht mehr bezahlen können, oder die Immobilienpreise unter den Kreditbetrag fallen. Immobilienmärkte gelten allerdings als träge, daher sind die wirklichen Folgen noch nicht direkt sichtbar.

Andere Experten sehen die Inflation und die Gefahr einer Rezession als überstanden an. Man spricht bereits von einer „kleinen Winterrezession“. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Dem kann ich mich nicht anschließen. Die meisten Börsianer gehen aktuell eine riskante Wette ein und glauben, dass die Zentralbanken in kürzester Zeit die Zinserhöhungen stoppen und sogar wieder Zinssenkungen vornehmen. Das sehe ich anders. Wir befinden uns de Facto in einer Stagflation, eine toxische Mischung aus hoher Inflation und stagnierender Wirtschaft. Die Energiekosten werden das niedrige Niveau von damals auf lange Sicht nicht mehr erreichen, da wir nun auf das teure Fracking Gas aus den USA zurückgreifen. Zudem würgen die weiterhin steigenden Preise und die damit einhergehenden Streiks die deutsche Wirtschaft ab. Die Stagflation führt letztendlich zur Verarmung der Bevölkerung.

Sie haben in Ihrem Buch „Machtbeben“ von 2018 mit vielen politischen Vorhersagen richtig gelegen. Beispielsweise den zu erwartenden Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei in Bezug auf die Gasfelder in griechischen Hoheitsgewässern. Auch, dass weitere Spannungen und Eskalationen zwischen Russland und der Ukraine zu erwarten sind, lagen Sie richtig. Und wie sieht es mit China und Taiwan aus?

Die Frage ist aus meiner Sicht nicht ob, sondern wann es zu einer militärischen Eskalation kommt. Die USA bzw. die NATO sind wegen des Russland-Ukraine Konflikts aktuell sehr stark gebunden. Gleichzeitig macht China kein Geheimnis aus seinen Bestrebungen, die nächste Weltmacht zu werden. Die USA werden natürlich versuchen, diese Stellung zu halten. Ich vermute, dass die USA neben dem Eindämpfen der Inflation mit ihren Zinserhöhungen versuchen, China den Stecker zu ziehen, indem Sie den Zusammenbruch des chinesischen Immobilienmarktes befeuern. Und diese Blase befindet sich bereits im Platzen, was sich durch die große Anzahl von Pleiten chinesischer Bauunternehmen kennzeichnet. Das bringt die chinesische Regierung in immer größere Schwierigkeiten. Es ist davon auszugehen, dass die kommunistische Führung versuchen wird, den Konflikt vom Inneren ins Äußere zu verlagern.

Der richtig große Crash hat sich allerdings noch nicht sehen lassen. Warum sind Sie sicher, dass dieser große Börsencrash kommen wird?

Wir befinden uns bereits mittendrin. Die große Wirtschaftskrise Ende der 20er Anfang der 30er des 20. Jahrhunderts war ja nicht nur auf den „Schwarzen Freitag“ beschränkt. Die Wirtschaft ist über mehrere Jahre eingebrochen. Der Unterschied beispielsweise zu der „Asien-Krise“ ist, dass dieses Mal die ganze Welt gleichzeitig betroffen ist. Früher konnte, wenn es auf einem Kontinent nicht gut lief, durch Wachstum auf den anderen Kontinenten das Weltwirtschaftswachstum ausgeglichen werden. Das ist heute nicht der Fall. Die Notenbanken befinden sich in einer Zwickmühle. Erhöhen Sie die Zinsen, würgen Sie die Wirtschaft und Kaufkraft weiter ab. Erfolgen keine Zinserhöhungen, riskieren Sie eine galoppierende Inflation. Das dürfte noch zu erheblichen Marktschwankungen an den Börsen führen.

Was möchten Sie unseren Lesern für das Jahr 2023 noch mit auf den Weg geben?

Wir befinden uns in interessanten Zeiten. Auch wenn es, entschuldigen Sie die Formulierung, „Scheiße“ aussieht, sollten wir die Krise nutzen, um unser eigenes Mindset zu verbessern. Die Handlungen der Big-Player werden wir Kleinen nicht aufhalten können. Wir sollten auch aufhören, uns über die Politik aufzuregen und lieber schauen, wie wir die Welt um uns herum besser machen können. Und einmal in uns gehen und überlegen, was wir tatsächlich in unserem Leben brauchen. Hass und Lärm bekämpft man nicht mit Hass, sondern mit Liebe, Verständnis und Akzeptanz. Ich habe auch aufgehört mich darüber aufzuregen, dass jede andere Meinung niedergebrüllt wird, auch wenn das viele Menschen nach wie vor von mir erwarten, dass ich mich für Sie über die Politik aufrege. Ich nutze lieber die Chance, um stattdessen eine bessere Version von mir selbst zu werden und die Welt im Kleinen zu verbessern. Das bringt viel mehr als schlechte Laune.

Bildquelle:

  • Dirk_Müller_2: dirk mueller
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