von PATER KLAUS EINSLE LC
Gut, dass ich mich nicht mehr fragen muss, was ich schenken soll. ChatGPT hat die besten Ideen. Damit ist schon mal das Wichtigste von Weihnachten erledigt. Den Rest – Besuch der Schwiegerfamilie, ein paar Tage Urlaub, Weihnachtsmenü, Kirchgang – kriege ich auch noch hin. Weihnachten ist organisiert.
Aber worum es eigentlich geht – das weiß heute fast niemand mehr
Ich wette, auch du nicht! Es ist weder der Namenstag des Weihnachtsmannes noch weltweiter Gedenktag für die sterbenden Tannenbäume.
Die lateinischen Sprachen haben die ursprüngliche Bedeutung im Namen des Festes erhalten. Spanier sagen „navidad“, die Italiener „natale“. In beiden steckt das lateinische Wort „nativitas“, was Geburt heißt.
Genauer heißt das Fest „Nativitas Domini“ – Geburt des Herrn. Das ist nicht unwichtig.
Auf der Wiese hinter unserem Haus standen in meiner Kindheit einige Apfelbäume. Einer davon wurde umgesägt. Nachmittags ging ich dort an diesem im Gras liegenden Baum vorbei. Ich war erstaunt: da wuchsen und reiften Äpfel an ihm. Obwohl er gefällt war. Ich brach einen der reif aussehenden Boskoop von einem Ast. Äääääh. Als ich hineinbiss, war alles innen faul.
Das passiert, wenn die Wurzeln nicht mehr verwurzelt sind. Die Frucht wächst, weil noch ein wenig Lebenssaft fließt. Aber er versiegt. Der Apfel fault.
So auch an Weihnachten
Ist das Fest nicht mehr das, was es sein soll, dann werden die Früchte faul. Auch wenn es äußerlich schön aussieht.
Menschen, die nicht völlig im Konsum schwimmen, würden Weihnachten als Fest der Liebe, des Friedens und der Familie bezeichnen. Keine ganz falsche Bezeichnung, aber doch mangelhaft.
Das erinnert mich an einen anderen Baum. Diesmal bei uns im Kloster in der Eifel. Ein kleiner Wald, die Kiefern wurzelten in torfigem Boden. Eines Nachts jagte ein Sturm über die Gegend. Er brach zahlreiche Bäume einfach ab. Ganz unten am Stamm. Wieder ging ich – jetzt 26 Jahre später – zu diesen Bäumen. Sie hatten zwar Wurzeln, aber die waren faul. Keine Kraft. Der Wind brach die Bäume einfach an den Wurzeln.
„Nativitas Domini“ bildet die Wurzel des Baumes Weihnacht!
Geburt des Herrn. Kinder, die einen „guten“ Reli-Unterricht bekommen und aufpassen, wissen, dass wir an Weihnachten der Geburt Jesu gedenken. Aber sogar das ist noch zu wenig.
Ich erzähle einfach mal, was die frühen Christen in Palästina, Kleinasien oder Gallien gefeiert haben. Nämlich nicht Familie oder Frieden, auch nicht nur die Geburt von Jesus. Und schon gar nicht Konsum, Geschenke oder Weihnachtsbaumschmücken.
Vor 2000 Jahren – eigentlich genauer im Jahr 7 vor Christus – geschah etwas, was die Weltgeschichte in zwei Teile getrennt hat. Ein vorher und ein nachher. Vor Christus und nach Christus.
Da ist einer geboren, der die Welt zertrennt hat. Er ist mehr als da liebe Jesulein in der Krippe. Viel mehr. Deshalb feiern wir ihn. Aber welches Mehr ist da noch?
Die Wissenschaft gelangt mit ihren Theorien bis zum Urknall. Vor ca. 13,8 Milliarden Jahren soll aus einem extrem dichten und heißen Zustand das Universum entstanden sein. Kosmische Hintergrundstrahlung, Expansion des Universums (Hubble-Gesetz), Verteilung leichter Elemente (Wasserstoff, Helium) sind einige Anhaltspunkte dafür.
Zuständig für das Auslösen des „Big Bang“ sind allerdings nicht die Wissenschaftler, sondern ein Gott. Ein allmächtiger Schöpfergott. Wir Christen sprechen vom dreifaltigen, unendlichen, rein geistigen, allmächtigen und allwissenden Schöpfergott, einer unsagbaren Intelligenz und Kraft (gar keine so schlechte Erklärung für den Beginn des Universums im Vergleich zum Zufall).
Dieser Gott hat irgendwann Bäng gesagt. Oder war es BigBäng?
Wir lesen in der Genesis, dem ersten Buch der Bibel, „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde aber war wüst und leer, Finsternis lag auf der Urflut, und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Gott sprach: Es werde Licht! – und es wurde Licht.“ Oder eben Big Bang.
Wir feiern die Geburt des Herrn. Einige Menschen in Betlehem haben in dieser Nacht der Geburt eines Kindes in einem Stall von Engeln etwas gehört: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr.“
Im Jahr 7 vor Christus hat der allmächtige Schöpfergott des Universums, der Verursacher des Big Bang, der Erfinder aller Neuronen, atomaren Strukturen, des Lebens und der atemberaubenden Komplexität einer biologischen Zelle entschieden, selbst ein Mensch zu werden. Genauer gesagt stieg die zweite Person dieses allmächtigen Schöpfergottes (er ist nämlich drei Personen und ein Gott – Trinitätslehre!) auf den Boden des heutigen Israel, nachdem eine wunderbare junge Frau, die auch noch Jungfrau war – Maria von Nazareth – ja zur Mutterschaft gesagt hatte. In ihrem Schoß (heute würde man wohl Gebärmutter sagen) entstand ein Gottmensch – Jesus Christus – und wuchs neun Monate heran.
„Und es geschah, als sie dort waren, dass sich die Zeit erfüllte, dass sie gebären sollte.“ Im palästinensischen Betlehem kam dieser Gottmensch zur Welt. Nicht einfach ein netter Religionsstifter. Nicht nur ein vorbildlicher Mensch. Sondern GOTT! Jesus Christus – der Herr.
Gott, der Herr des Kosmos, wurde Mensch. Weil ER (!) geboren wurde, begannen die frühen Christen, dieses Ereignis zu feiern. Nicht oberflächlich und gestresst wie wir, sondern im tiefen Bewusstsein, dass sich ein intellektuell und existentiell fast nicht greifbares Ereignis vollzog, weil es so groß war. Gott wird als Mensch geboren.
Weil es Gott war, der Mensch wurde, konnte er die Zeitrechnung in vorher und nachher teilen.
Weil es ein seit aller Ewigkeit existierender Gott war, der geboren wurde, feiern wir das heute noch.
Die westliche Wurzel dieses Baumes ist lange abgesägt oder inzwischen einfach faul geworden; und damit auch die Früchte. Die westliche christlich-judäisch-griechische Kultur hat ihren Kern verloren.
Ich feiere Weihnachten wieder so wie früher: ohne Geschenke, in der Stille, im gemeinsamen Gebet. In der Erwartung, dass dieser Gott auch in meinem Leben geboren wird und mir etwas – nicht etwas, sondern alles – schenken mag: nämlich sich selbst. Heute. Am 24. Dezember, in der stillen Nacht.
Gott wird Mensch. Auch für dich! Gesegnete Weihnachten…
Bildquelle:
- Pater_Klaus_Einsle_LC: thegermanz
