Nicht um das „Wir“ geht es, sondern darum, was „Sie“ jetzt tun

Am Ort des Terrors: Kanzlerin Merkel und Bundesinnenminister de Maiziere besuchen in Berlin den Ort des Anschlags. An der Gedächtniskirche war ein Unbekannter mit einem Lastwagen auf einen Weihnachtsmarkt gefahren - mindestens zwölf Menschen wurden getötet. Foto: Maurizio Gambarini

von MARTIN D. WIND

Wir müssen jetzt …“, „Wir sollen …“,  „Wir dürfen auf keinen Fall…“ so klingt es derzeit aus vielen Stellungnahmen von Politikern aus der Regierung und den Parteien. Kommentatoren aus den Medien fallen meinungsstark mit ein in diesen Chor derer, die uns allen, dem Volk, Denk- und Handlungsanweisungen geben wollen und sich dabei übergriffig des Pluralis Majestatis bedienen. Was ist geschehen, dass sich so viele berufen fühlen, anderen mitzuteilen, was „sie“ nun von den anderen erwarte.

Es ist noch keine 24 Stunden her, dass in Berlin von einem Terror-Fahrer zwölf Menschen mit einem LKW ermordet wurden. 48 weitere wurden verletzt, 30 davon kämpfen nach Auskunft der Behörden noch immer um ihr Leben. Diese Menschen waren Besucher eines Weihnachtsmarktes. Sie standen fröhlich beieinander in der Kälte, tranken Glühwein, aßen heiße Maronen oder Zuckerwatte und schlenderten unbeschwert zwischen den Buden. Jäh fiel ein erbarmungsloser und grausamer Terror über diese Menschen her.

Das Muster des Attentats erinnert an Terrorattacken fundamentalistischer Muslime des Islamischen Staates (IS) oder auch den täglichen Terror vieler Araber aus GAZA, Samaria und Judäa gegen Israel. Doch nicht nur in Nah-Ost konnte solcher und ähnlicher Terror bereits tiefe Wunden in Gesellschaften schlagen. Erinnert sei an die Terrorfahrt eines radikalen Muslims im französischen Nizza oder weitere, bisher nicht geklärte Amokfahrten in anderen europäischen Städten.

Es gehört zum Wesen des Menschen, dass er sich in seiner Welt orientieren will. Dabei greift er auf seine Erfahrungen zurück. So ist es wenig verwunderlich, dass völlig normale Menschen schon kurz nach den ersten Meldungen Vermutungen anstellten: Vermutungen über Täter und über das Tatmotiv. Und seit September 2015, seit dem unkontrollierten Grenzübertritt von beinahe 1,5 Millionen Menschen in die Bundesrepublik Deutschland, gehören zum Gegenstand solcher Vermutungen auch einzelne Individuen unter den kultur- und religionsfremden Eingereisten.

Und anstelle schlichter und einfacher Worte des Mitgefühls, der Trauer, des Schmerzes oder gar der Wut ob der erlebten Barbarei, hören wir nun leider oft die angeführten Volksbelehrungs-Phrasen, mit denen ein „Generalverdacht“ gegenüber den Eingereisten unterbunden werden soll. Aber ist diese oberlehrerhafte Belehrung eigentlich nötig? Ist sie das, was „wir“ in einer solchen Situation erwarten? Will ein großer Teil der Bevölkerung angesichts von Terror, Tod und Tränen belehrt werden? Wartet das deutsche Volk nicht viel mehr auf andere Ansagen? Wann wird unsere Politik sich auf ihre eigentliche Kernaufgaben zurückbesinnen, wann endlich wieder das tun, wofür wir unsere Steuern zahlen? Da erwartet man als Bürger eigentlich eher, dass der Bevölkerung mitgeteilt wird, was die Politiker, was „sie“ jetzt endlich zu tun gedenken, welche Konsequenzen „sie“ ziehen und wie „sie“ konkret reagieren werden. Erwartet wird das von vielen von „ihnen“ schon lange, auch wenn „ihnen“ das meistens lästig erschien.

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