BERLINKKOPENHAGEN/STOCKHOLM/MOSKAU – Die Saboteure kamen Ende September 2022 mit einer Segeljacht und brachten mehrere Sprengsätze an den Rohrleitungen der Nord Stream-Pipelines nahe der dänischen Insel Bornholm auf dem Grund der Ostsee an. Als die detonierten blieben vier Lecks an den Leitungen zurück. Seitdem wird spekuliert und geframed, was das Zeug hält. Dabei tun sich die Putin-Fans in den sozialen Netzwerken besonders mit wüsten Verschwörungsgeschichten hervor.
Wie üblich gab Moskau für seine Fünfte Kolonne in Deutschland den Ton vor.
Die Briten seien es gewesen, lautete die erste Story, dann waren es die Polen, warum auch immer. Endlich waren es dann auf einmal die USA, der böse Systemfeind auf der anderen Seite des Atlantiks. Diese Geschichte war besonders absurd, denn obwohl die USA unter Präsident Joe Biden große Bedenken bezüglich des Baus der Ostsee-Pipelines hatte und davor schon Präsident Donald Trump eindringlich davor warnte, gelang es Bundeskanzlerin Angela Merkel Biden bei einem Besuch in Washington zur Zustimmung für die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu bewegen. Wäre Biden hart geblieben, wäre das Projekt sowieso gestoppt worden. Warum also Ja sagen und danach die Röhren sprengen? Völlig grotesk.
Aber Putins Lautsprecher-Kolonne hat ja diese eine Aussage, wo Biden in früherer Zeit gesagt hatte, wenn man es stoppen wolle, hätte Amerika die Mittel das auch zu tun. Für die Kreml-Kohorte der klare Beweis. Wenn die Amis sagen, sie können das, dann waren sie es auch. Aber sie waren es natürlich nicht.
Nach bisherigen Ermittlungen und Erkenntnissen war es ein siebenköpfiges ukrainisches Spezialkommando – angeblich ohne Wissen ihres Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Das bedarf allerdings dann tatsächlich intensiverer Nachfragen der Bundesregierung an den Regierungschef in Kiew, der viele Milliarden Euro Waffen- und Aufbauhilfe von Deutschland erhält.
In Italien wurde vergangene Woche, einer der Anführer des Sprengkommandos festgenommen – ein Ukrainer, der mit seiner Familie dort seinen Urlaub verbrachte. Bisher verweigert unser sympathisches Partnerland die Auslieferung des Mannes an die deutschen Behörden. Angeblich kennen unsere deutschen Sicherheitsdienste auch die Namen der anderen sechs Terroristen – alle sollen Ukrainer sein. Gegen sechs liegen Haftbefehle vor, der siebte soll im Dezember 2024 bei Kämpfen mit der russischen Invasionsarmee getötet worden sein.
Putins smarter Sprecher sagte jetzt zu den aktuellen Entwicklungen in Moskau: „Es ist zweifellos befriedigend, dass die Ermittlungen laufen, und wir wollen hoffen, dass sie tatsächlich zu Ende geführt werden und nicht nur die Täter, sondern auch die Hinterleute dieser Terrorakte genannt werden.“ Wer diese Hinterleute sind, da hat Dmitri Peskow natürlich auch eine feste Vorstellung. Die Ukrainer seien es nämlich gewesen, da ist er sich sicher. Und beklagt, dass Russland von den Ermittlungen vollkommen ausgeschlossen werde. Auch mit den Deutschen gäbe es keinerlei Kontakt.
Natürlich! Warum auch?
Erstens führt Russland seit dreieinhalb Jahren einen brutalen Vernichtungskrieg in der Ukraine. Zweitens führt Russland einen zunehmenden intensiven hybriden Krieg gegen unser Land mit Sabotageakten, Brandanschlägen und Hackerangriffen. Und drittens, das wird von Herrn Peskow gern weggelassen, gibt es eine gut dokumentierte heiße Spur – und die führt nach Russland.
Denn vier Tage vor dem Anschlag auf die Nord Stream-Pipelines befand sich ein russisches Spezialschiff in unmittelbarer Nähe der Explosionsorte. Weil es ungewöhnliche Fahrbewegungen vollzog, wurde die dänische Marine auf die russische »SS-750« aufmerksam, die 26 Mal fotografiert wurde.
Tatsächlich hatten die Dänen bereits im April 2022 zwei russische Schiffe in der Nähe der späteren Explosionsorte beobachtet und mehr als 100 Mal fotografiert. Das deutsche Nachrichtenportal »T-Online« hatte sogar schon Ende März unter Berufung auf Informationen aus Sicherheitskreisen berichtet, dass russische Militärschiffe nahe der später bekanntgewordenen Tatorte operiert hätten – darunter auch die »SS-750«, die über ein Mini-U-Boot mit Greifarmen verfügt – top Ausrüstung für Unterwasseroperationen.
Dass die Russen ihre Finger bei der Sprengung im Spiel hatten, ist nur eine von zahlreichen Theorien. So wie Bidens Aussage, man könne Nord Stream 2 verhindern, wenn man es wollte,
Nach der Festnahme in Italien und den Ergebnissen deutscher Ermittler gehen wir erstmal davon aus, dass es Ukrainer waren, die in Rostock eine Segeljacht charterten, um Sprengstoff in das Seegebiet vor Bornholm zu transportieren und die Pipeline in die Luft jagten.
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- Nord_Stream_2_beschädigt_Illustration: depositphotos