von THOMAS PAULWITZ
HAMBURG – Auch der Hamburger Versandhändler OTTO vergrault jetzt Kunden, die keinen Gendersprech mögen. „Wir gendern. Und du musst nicht bei uns bestellen“, beschied er jetzt frech einem Kunden. Das heißt: Wer Gendern nicht gut findet, kann woanders bestellen. Nach dieser Abfertigung brach eine Welle der Empörung los, die ein wenig an die Katastrophe des Drogeriemarktes Schlecker von vor zehn Jahren erinnert. Dieser hatte seinen denglischen Werbespruch „For You. Vor Ort“ gegenüber einem Sprachwelt-Leser damit gerechtfertigt, dass Schlecker-Kunden nun einmal ein „niedriges Bildungsniveau“ haben. Die Veröffentlichung des Schreibens und die folgende Empörungswelle waren ein schwerer Schlag für die Öffentlichkeitsarbeit von Schlecker.
Doch zurück zu OTTO: Was war geschehen? „Immer mehr Kolleg*innen arbeiten wieder im Büro“, hatte die OTTO-Unternehmenskommunikation Ende Oktober auf Twitter geschrieben. Diese rühmt sich dort, „Kund*innenfragen (24/7)“ zu beantworten. Doch nicht alle Kunden wollen so angeredet werden. „Wer gendert, kriegt keine Bestellung. So einfach ist das, und Amazon freut sich“, hatte ein Kunde namens Roger geantwortet. Schon aus seinem Twitter-Profil wird ersichtlich, dass er kein Freund des Genderns ist. Postwendend folgte die Abfuhr von OTTO: „Stimmt, so einfach ist das: Wir gendern. Und du musst nicht bei uns bestellen.“ Die Sprachregelung des Unternehmens, seine Kunden grundsätzlich zu duzen, verschärfte hier mangels Höflichkeit den Tonfall zusätzlich.
„Wir gendern. Und du musst nicht bei uns bestellen“
Offensichtlich kann es sich das Unternehmen leisten, seinen Kunden, die mehrheitlich das Gendern ablehnen, in arroganter Weise vor den Kopf zu stoßen. Das Versandhaus gehört zu den großen Gewinnern der staatlichen Corona-Politik. Es gewann in den vergangenen Monaten zahlreiche neue Kunden hinzu und schickt sich an, als Handelsplattform das deutsche Amazon zu werden. Dass man unternehmerisch nicht zimperlich ist, hat OTTO bewiesen, indem es trotz Steigerung des Umsatzes und der Kundenzahl unlängst Hunderte Vollzeitstellen abbaute. Wie hat man die schlechte Nachricht den Mitarbeitern mitgeteilt? Etwa so? „Stimmt, so einfach ist das: Wir machen Gewinne. Und du musst nicht bei uns arbeiten.“
Möglicherweise setzt man in Hamburg auf eine harte Genderpolitik, um sich das Wohlwollen der Regierung, von deren Maßnahmen man so sehr profitierte, weiter zu sichern. Vielleicht will man deswegen besonders „woke“ sprechen, also politisch besonders korrekt sein, nach einem abgewandelten alten OTTO-Motto: „OTTO? Find ich woke!“ So gibt es schon auf der Einstiegsseite einen Gutschein für „Neukund*innen“.
Von OTTO zu Amazon: Vom Regen in die Traufe?
Berechtigterweise kann man einwenden, dass in einer freien Marktwirtschaft ein Unternehmen seine Kunden so anreden kann, wie es gern möchte. Der Satz „Du musst nicht bei uns bestellen“ veranlasste daher zahlreiche Kunden, zum US-amerikanischen Handelsriesen Amazon zu wechseln, der übrigens obendrein seine deutschen Kunden auf der Einstiegsseite höflich siezt: „Bewerten Sie Ihren Kauf“, „Bücher, die Ihnen gefallen könnten“, „Gönnen Sie sich etwas“. Bei OTTO gibt es statt dessen nur aufgesetzt kumpelhafte „Empfehlungen für dich“. Traurig, dass ein deutsches Unternehmen die einfachsten Regeln des höflichen Umgangs nicht hinbekommt. Beim Gendern könnte man allerdings vom Regen in die Traufe kommen: Amazon verwendet zum Beispiel in seinen Pressemitteilungen den Genderdoppelpunkt.
Aufgrund der freien Wirtschaft ist der Fall auch nicht gleichzusetzen mit dem Mitarbeiter der gebührenfinanzierten ARD, der einen Genderkritiker mit den Worten „Sie haben keine Ahnung“ beschimpfte und ihm „viel Vergnügen mit Ihrem neuen Hobby“ wünschte (immerhin noch per Sie). Die ARD musste sich entschuldigen, der Mitarbeiter wurde entlassen.
Frauen als Opfer arroganter Unternehmenspolitik
Doch OTTOs Krisenkommunikation auf Twitter verläuft auch weiterhin katastrophal. So gibt man sich keine Mühe, empörte Kunden zurückzugewinnen. Statt dessen leistet man ihnen sogar noch Hilfestellung: „Hallo, du kannst die Datenlöschung direkt in deinem Online-Kundenkonto unter ,Meine persönlichen Daten‘ auswählen.“ Da drängt sich die Frage auf: Hatte etwa Amazon seine Leute bei OTTO eingeschleust? Diesen Eindruck konnte man zumindest bekommen.
Eine weitere Frage: Droht OTTO am Ende ein ähnliches Schicksal wie Schlecker? Ein Jahr nach der „For You. Vor Ort“-Pleite war auch das Unternehmen selbst bankrott. Dieses Szenarium erscheint jedoch für OTTO als unwahrscheinlich. Im Geschäftsjahr 2020/21 hat das Unternehmen fast eine Milliarde Euro Gewinn gemacht. Offenbar kann es sich das Unternehmen derzeit tatsächlich noch erlauben, Politik gegen seine Kunden zu betreiben. Die letzte Frage darf aber gestellt werden, wie lange das noch gut geht und ob nicht eines Tages weitere unschuldige Mitarbeiter für die Genderpolitik der Unternehmensführung büßen müssen und entlassen werden.
Meistens sind es übrigens Frauen, die von einem Stellenabbau bei OTTO betroffen sind. Diese dürften sich durch diese vermeintliche Geschlechtergerechtigkeit in Form von Sprachverrenkungen besonders verhöhnt fühlen. Da könnte nicht einmal eine Umbenennung von OTTO in OTTILIE helfen
Bildquelle:
- Otto_Versand_Zentrale: otto group