von LUKAS MIHR
Mit der jüngsten Auseinandersetzung im Nahen Osten flammen auch in Deutschland antisemitische Vorurteile wieder auf. Israel reagierte auf Raketenbeschuss durch die radikalislamische Hamas mit Luftschlägen in Gazastreifen. In mehreren deutschen Städten versammelten sich Türken und Araber und skandierten judenfeindliche Parolen. In einigen Fällen auch direkt vor Synagogen.
Es ist vor allem das konservative Lager, das den islamischen Antisemitismus thematisiert. Von linker Seite war meist nichts zu vernehmen. Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) sprach von „erlebnisorientierten Jugendlichen“ – mehr Realitätsverweigerung geht nicht.
Hatten nicht im vergangenen Jahr Politiker aus dem linken Spektrum wie Kevin Kühnert und Dietmar Bartsch gefordert, entschiedener gegen Islamismus vorzugehen?
Wie wenig ihre damaligen Beteuerungen wert sind, zeigt sich nun im Landkreis Osnabrück. Der dortige LINKEN-Kreisverband hatte sich auf Facebook klar und deutlich positioniert.
Das Bildmotiv, das Minarette zeigt, transportiert die Botschaft: „Ehrlich machen heißt zugeben: Wir haben Antisemitismus importiert“. In einem weiteren Posting wurde vor Zuständen wie in den Pariser Banlieues gewarnt.
Doch eine solche Stellungnahme, die darauf verweist, dass 2015 eben nicht zahlreiche Ärzte und Ingenieure, sondern viele Antisemiten ins Land gekommen sind, stößt bei vielen Linken auf Widerspruch. Lob ist unter dem Posting nur selten zu vernehmen. Stattdessen folgte ein veritabler Shitstorm.
Eine Frau Marx meinte, dass es kein „Recht auf Nazipropaganda“ gebe und forderte: „Raus mit euch aus die Linke!“ Manche Kommentatoren wollten lieber „Hirn“ oder „Parteiaustritte“ importieren.
Andere Linke bezeichneten den Kreisverband als „braun gefärbten Karnevalsverein“ und vermuteten, Hans-Georg Maaßen haben den Account gekapert. Es drohe die Koalition mit der „nsAFD“.
Eine Userin fragte: „Habt ihr euch das düstere Minarettmotiv von SVP und AfD-Wahlplakaten abgeschaut?“ Natürlich durfte auch der NPD-Vergleich nicht fehlen – und das obwohl die rechtsextreme Partei sich in der Vergangenheit auf die Seite der Hamas gestellt hatte.
Außerdem seien die Muslime in Deutschland nur „durch alltägliche Rassismuserfahrung“ radikalisiert. Na dann müsste die arabische Welt ja ein toleranter Ort sein, denn dort gibt es keine rassistischen, weißen, heterosexuellen Männer! Auch würden die 174 toten Palästinenser schwerer ins Gewicht fallen als die 10 toten Israelis. Die Bekämpfung des Antisemitismus sei nur vorgeschoben, denn: „Bei der deutschen Staatsräson geht’s um imperialistische Interessen im Nahen Osten.“
Eine Aussteigerin aus der rechten Szene warf den islamkritischen Genossen vor, „stolze Nachkommen ehemaliger KaPos“ zu sein. So wurden KZ-Häftlinge bezeichnet, die mit der Lagerleitung kooperierten und ihre Mitgefangenen überwachten.
Aber auch linke Prominente klinkten sich in die Diskussion ein.
Florian Sieber, der für die marxistische „Junge Welt“ schreibt, meinte, dass man als Bewohner eines Landes, das „Haupttäterin bei der industriellen Ermordung der hälfte des europäischen Judentums“ war, vorsichtig bei solchen Schuldzuweisungen sein sollte. Immerhin lernen wir, dass auch Nazi-Deutschland gegendert wird.
Der Landesverband Niedersachsen konterte:
„In einem Land, von dem der Holocaust ausging, den Antisemitismus als Importwarte darzustellen, ist geschichtsvergessen, eine Verharmlosung des Hasses gegen Juden sowie ein schwerer Angriff auf Menschen muslimischen Glaubens.“
Warum genau Kritik an Antisemitismus Hass gegen Juden verharmlost, wurde aus der Stellungnahme nicht ersichtlich.
Niema Movassat. Bundestagsabgeordneter, sprach von „Rassistenscheisse.“ Zu dieser Formulierung griff auch seine Parteifreundin Dorothée Menzner, ehemalige Bundestagsabgeordnete. Sie bezeichnete das Posting als Hate Speech und frage sich „wie das Zuckerberg sieht“. Daraus lässt sich ableiten, dass sie durch eine Renunziation an das Facebook-Team eine Löschung erreichen will.
Sofia Leonidakis, Fraktionsvorsitzende in der Brember Bürgerschaft, meldete sich gendergerecht zu Wort: „Viele Schutzsuchende sind gerade vor Salafisten wie dem Daesh geflohen. Und seit wann bekämpft mensch Antisemitismus mit Abschiebungen? Als LinkeR?? Das ist erbärmliches AfD-Niveau und ein billiger Versuch, vom Antisemitismus in der Mehrheitsgesellschaft abzulenken.“
Tatsächlich mussten die meisten Syrer eben nicht vor dem Islamischen Staat und anderen Dschihadisten, sondern vor allem vor dem mördischen und halbwegs säkluaren Regime Bascha al-Assads flüchten.
Dem Kreisvorsitzenden Lars Büttner könnte erneut ein Parteiausschlussverfahren drohen. Er war bereits in die Kritik geraten, weil er die AfD-Politikerin Tanja Bojani nach ihrem Parteiaustritt in die Linksfraktion aufgenommen hatte. Nach einem erneuten Wechsel gehört Bojani mittlerweile wieder ihrer früheren Partei an.
Bildquelle:
- Bundesparteitag: dpa