von THOMAS STRINGER
TAIPEH – Dieses Mal ist es Ananas. Nicht zum ersten Mal, aber radikaler. Ab 1. März 2021 hat die Volksrepublik China die Einfuhr taiwanischer Ananas verboten. Eine reine Schikane, Teil der anschwellenden Flut von Drohgebärden und Einschüchterungen gegen das kleine freie Land vor der chinesischen Küste. Taiwan ist international eher als High-Tech-Nation bekannt, als Land mit dem größten und modernsten Halbleiterhersteller der Welt (TSMC). Aber es ist auch der fünftgrößte Produzent von Ananas. Bisher wurden 95 Prozent der exportierten Früchte nach China exportiert, wo sie wegen ihrer Qualität überaus beliebt sind.
Man kann sich darauf verlassen, dass die in Taiwan produzierten Ananas nicht mit Unmengen von Pestiziden und anderen Chemikalien verunreinigt sind. Und wie wenig die Konsumenten in China der eigenen Lebensmittelaufsicht trauen, konnte man schon erkennen, als noch chinesische Reisegruppen in dichter Folge auf die schöne Insel reisten durften – wo sie nicht nur Touristisches mitnahmen, sondern auch jede Menge Trockenmilch und Babynahrung. Aber als Strafe für das unbotmäßige Taiwan hatte die KP in Peking schon lange vor Corona den lukrativen Tourismus nach Taiwan abgewürgt, in der Hoffnung, dadurch die taiwanische Wirtschaft zu schädigen und die Menschen dort zu verunsichern.
Lange vorbei sind die Zeiten, in denen die Herrscher der Volksrepublik China den angeblichen „Landsleuten“ in Taiwan den Anschluss an ihr Reich mit Lockungen und Angeboten schmackhaft machen wollten. Da es nichts wurde mit dem „Gewinnen der Herzen und Hirne“, die Taiwaner statt dessen hartnäckig an ihrer Freiheit festhalten wollten, hat man in Peking längst auf Druck und Zwang umgestellt. Und seit man mit Hongkong „fertig“ ist, steigen die Schikanen gegen den Inselstaat Taiwan exponentiell an.
Die Ananasexporte von Taiwan nach China werden nun, wie in geringerem Ausmaß schon in früheren Fällen, durch erhöhte Exporte nach Japan ersetzt. Aus Japan wurden 10.000 Tonnen vorbestellt, was fast ein Viertel der taiwanischen Ananasexporte ausmacht. Aber eine richtige Lösung ist das nicht, denn was im Landwirtschaftsbereich sichtbar passiert, aber gesamtwirtschaftlich für Taiwan wenig bedeutsam ist, das geschieht in ähnlicher Form auch an anderer Stelle, da wo es mehr weh tut.
Ein besonders perfides Beispiel ereignete sich unlängst im Zusammenhang mit Covid-19-Impfstoffen. Die taiwanische Regierung hatte frühzeitig eine Bestellung bei BioNTech platziert; alles schien in Ordnung zu sein, bis plötzlich aus Peking dazwischengefunkt wurde. Taiwan sollte keinen Impfstoff bekommen, einfach so… BioNTech hatte sich unglücklicherweise für den asiatischen Markt als Partner die chinesische Firma Fosun in Shanghai ausgesucht (so wie Pfizer für die USA und den Rest der Welt). Und die ist abhängig von politischen Vorgaben und Weisungen aus Peking. So konnte Xi Jingping rechtzeitig vor der pompösen Tagung des chinesischen Scheinparlaments, des „Nationalen Volkskongresses“, den Objekten seines Missfallens auf der anderen Seite der Taiwan-Straße wieder einmal schmerzhaft zu verstehen geben, wer hier den „Big Stick“ in der Hand hält. Da durften die Taiwaner froh sein, dass ihr schöner Inselstaat das einzige Land der Welt ist, in dem die Pandemie nie Fuß fassen konnte!
Was früher, auch in der Zeit vor Regierungsantritt der in Peking verhassten taiwanischen Präsidentin Tsai Ingwen, nur gelegentlich als Machtdemonstration geschah – nach dem Motto „seht her was wir tun könnten“ – das hat sich mittlerweile zu einer anhaltenden Einschüchterungs- und Destabilisierungskampagne ausgeweitet. Die Ansatzpunkte sind vielfältig: Tägliche Cyber-Attacken zum Beispiel. Manch ein Beobachter mag an Russland denken, wenn es um Hacking, Bot-Netze, Einflussnahme über soziale Medien geht. Aber das ist Spielerei im Vergleich zu den rotchinesischen Cyberangriffen gegen Taiwan. Selbst an ruhigen Tagen, ganz ohne Krise oder öffentliches Auftrumpfen der KPCh, richten sich tausende von Cyberangriffen gegen Taiwan – automatisierte, flächendeckende Dauerattacken und individuelle, gezielte, gegen Behörden, Firmen, Medien, Einzelpersonen. Wenn man sich über die Abwehr von Pekings Cyber-Angriffen informieren will, dann sei eine Reise nach Taipeh empfohlen!
Aber Peking hat noch viele andere gezinkte Karten im Ärmel – von Einflussagenten und dem Einkauf im Mediensektor auf der Insel, über Erpressung internationaler Unternehmen, die von Investitionen im hoch attraktiven Taiwan abgehalten werden sollen, bis zum Abwerben (mit Druck und Geld) der diplomatischen Verbündeten Taiwans. Letzteres schmerzt den kleinen Inselsaat besonders, dessen Souveränität von immer weniger Ländern weltweit auch formell geachtet wird.
An der Propagandafront im Westen hat Peking wichtige „Fortschritte“ gemacht, mit „Framing“, als Vorbereitung für den geplanten „Anschluss“ Taiwans: So reden auch wohlwollende Journalisten und Politiker immerzu davon, KP und Regierung in Peking strebten eine „Wiedervereinigung“ mit Taiwan an. Ein Propagandatrick, dem allzu viele schon auf den Leim gegangen sind. Auf der Insel Taiwan besteht rein völkerrechtlich gesehen die 1912 gegründete „Republik China“ fort, und die war niemals Teil der 1949 durch den Bürgerkrieg geschaffenen „Volksrepublik China“.
Es ist bemerkenswert, wie gut der kleine demokratische Inselstaat bisher den immer dreisteren Attacken Pekings standhält. Eine neue und beunruhigende Wendung hat die Sache aber im Verlauf der letzten ca. anderthalb Jahre genommen, verstärkt seit der Wiederwahl von Präsidentin Tsai Ingwen. Die früher nur periodisch stattfindenden militärischen Drohgebärden und Verletzungen des taiwanischen Luftraums haben um ein Vielfaches zugenommen, und die Sprache Xi Jingpings und seiner Trabanten wird immer militaristischer und ungeniert mit Krieg drohend. Der hybride kalte Krieg Pekings gegen Taiwan wird langsam immer heißer…
Bildquelle:
- Taipeh_Taiwan_2: pixabay