von DANIELA SEIDEL
Wissen Sie, was heute für ein Tag ist? Wenn Sie diese Frage aus dem ff mit: „Sonntag, der 12. Juni 2022“ beantworten können, wäre Professor Brinkmann sicherlich beruhigt, dass bei Ihnen nach Ihrem tragischen Schwarzwald-Klippen-Kletter-Unfall mit stark blutender Kopfverletzung zumindest keine zeitliche Orientierungs- und Bewusstseinsstörung vorliegt.
Aber heute ist auch, und ich wette, das wissen die meisten von Ihnen nicht: Supermann-Tag! Dieser wird seit dem 12. Juni 2013, dem US-amerikanischen Kinostart des Films „Man of Steel“, zu Ehren des Superhelden mit dem roten Cape gefeiert. Zur Debatte standen ferner der 18. April oder der 1. Juni. Allerdings schieden sich hier die Quellen und die Geister, welches Erscheinungsdatum des ersten Superman-Comics im Jahre 1938 als Geburtsstunde gelten darf.
Zudem ist heute Tag der Erdnussbutterkekse, der Brasilianische Tag der Liebenden und der Deutsche Tag des Gartens, des Hundes und der Tag des Tagebuches.
Auch gestern war extrem sympathisch. Die USA feierten den Tag der Pizza Margherita, des Maiskolbens und des Roséweins. Zudem war Welttag des Gins. Und auf Hawaii der Kamehameha-Day. Ich weiß genau, an was Sie jetzt denken, und Sie haben recht: nämlich an Magnum, Higgins, einen Ferrari 308 GTS und natürlich den legendären und elitären King Kamehameha Club.
Seit den 40er Jahren gibt es immer mehr Gedenk- und vor allem Aktionstage. Allerdings stammen diese längst nicht mehr nur von gewichtigen Organisationen wie der UNO oder anderen Institutionen. Auch Vereine, Interessenverbände und sogar Firmen, PR-Agenturen oder Einzelpersonen versuchen beständig, eigene Aktionstage zum Zwecke des Selbstmarketings zu etablieren. Treffen diese den Zeitgeist, werden diese dann von den Medien ausgeschlachtet.
So wurde beispielsweise im Jahr 1988 ein Tag zu Ehren der Zahl Pi vom Exploratorium in San Francisco angeregt. 20 Jahre später wurde er aufgrund des öffentlichen Interesses und der enormen wissenschaftlichen Bedeutung zum offiziellen Nationaltag in den USA erklärt . Kuriose Feiertage wie Welttag der Schwertschluckens (26. Februar), Tag des HB-Bleistifts (17. August) oder Tag der Wörter, auf die sich nichts reimt (1.September) dürften allerdings weiterhin ein Schattendasein fristen und nur für eingefleischte Exoten interessant bleiben.
Ursprünglich aber wurden solche Tage mit einem sehr ernsthaften Hintergrund ins Leben gerufen. Sie sollten an einzelne geschichtliche Ereignisse erinnern oder auf Krankheit und Leid hinweisen und ein kritisches Bewusstsein schaffen. Und so ist heute, am 12. Juni (seit 2002) auch der Internationale Tag gegen Kinderarbeit. Und wir dürfen wohl gespannt sein, ob unsere allseits geschätzten Volksvertreter, die sich soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und noch allerlei Wohlklingendes mehr auf die allgegenwärtigen Regenbogenfahnen geschrieben haben, darüber ein einziges Wort verlieren. Wäre durchaus angebracht. Schließlich schuften gerade für ihren Traum von der E-Mobilität täglich 40.000 Kinder und sogar Kleinkinder bis zu 24 Stunden am Stück in Kobaltminen oder auf giftig dampfenden Müllhalden. Zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo. Aber Akkus brauchen nun mal Lithium, Kupfer und Coltan. Genau wie alle anderen smarten und greenen Technologien, die unser Leben so viel sauberer, besser und sicherer machen sollen. Außerdem gibt es für unter 12jährige um die 10 Cent am Tag und soziale, arbeitsrechtliche, gesundheitliche oder ökologischer Standards werden sicher genauestens eingehalten. Ist ja schließlich eine Demokratie. Steht da ja. Von daher wäre ich zwar positiv überrascht, aber schwer verwundert, würde das heute an entsprechender Stelle Erwähnung und Einordnung finden.
Apropos Regenbogenfahne: die, und alles was damit zusammenhängt, kann man wiederum gar nicht oft genug erwähnen. Oder sich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit medienwirksam um die Schultern drapieren. Dank Pride-Month geht das jetzt wohl jeden Tag im Juni so.
Und wenn gerade nicht Juni ist, jagt ein Diversity-Day gefühlt den anderen. Wie günstig, dass jetzt alle Welt nicht nur gender- sondern auch total schreibweisen-fluid ist. So gibt es offenbar auch noch den Diversity*Day, den diversityday, den Vielfaltstag, den Diversität/Innen-Tag und überhaupt immer einen Anlass, um diesen zu feiern. Und gleichzeitig mit tief betroffener Miene in die Kamera zu sprechen, wie unglaublich intolerant und ignorant wir hier nicht alle sind. Und man keine Kosten und Mühen scheuen wird, gegen diese und alle anderen furchtbaren Ungerechtigkeiten in den Kampf zu ziehen. Zumindest dort, wo es eh kaum Widerstände oder gar Verluste zu erwarten gibt und man stattdessen dafür noch likes, Aufträge, Werbemittel, Fördergelder und öffentlichen Applaus einstreicht.
Aber Image ist schließlich alles und Gratis-Mut kostet nichts, wie der Name bereits sagt.
Bildquelle:
- Superman: pixabay