Wo Jesus im Mittelpunkt steht, nicht Labels

Lobpreis bei der MEHR-Konferenz

von KLAUS KELLE

AUGSBURG – Dr. Johannes Hartl ist der wahrscheinlich wichtigste Kirchenmann Deutschland derzeit. Der katholische Theologe und Philosoph hat mit seinem Gebetshaus in Augsburg und mit seinen überkonfessionellen MEHR-Konferenzen mehr für das Miteinander der Christen in Deutschland getan, als ein Kardinal Marx oder eine Margot Käßmann, und wie die alle heißen, zusammen.

In Augsburg endete gestern die #Mehr24, 11.000 katholische und evangelisch-freikirchliche, vorwiegend junge Menschen haben teilgenommen. Und sie fuhren nach Hause mit dem Wissen, dass es diesen Gott tatsächlich gibt, ohne Zweifel. Und sie werden in dem Bewusstsein fahren, dass sie zu einer Avantgarde gehören.

Als ich Johannes Hartl im Herbst 2017 zum ersten Mal traf, führte er mich durch sein Gebethaus, und ich fragte ihn: „Was ist der Zweck dieses Hauses?“, und er antwortete mir: „Wir kommen hier zusammen, um zu beten.“ Ich antwortete, na klar, wir Christen beten alle, aber was soll am Ende erreicht werden? Und wieder antwortete er: „Wir beten einfach, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr, jedes Jahr.“ Der Mann meint das absolut ernst, wie ich inzwischen weiß, ein mitreißender Prediger, ein Menschenfischer, einer der – als ich ihn 2018 anlässlich meiner ersten MEHR in Augsburg für den „Focus“ interviewte, sagte: „Ich interessiere mich nicht für Labels. Es geht um Jesus Christus…“

Was für ein Satz, oder?

In all den ökumenischen Palaverrunden, die im Kern nichts bringen, ja, nichts bringen können, kommen wir Christen nicht einen Meter voran. Katholische Priester sollen jetzt heiraten müssen, fordern die EKD-Evangelischen. Die katholischen Brüder und Schwestern nicken brav, machen einen „Synodalen Weg“ und der Vatikan kassiert den dann – absolut zurecht – wieder ein. Mal schauen, was ihnen nächstes Jahr einfällt…

Johannes Hartl verzichtet auf Labels, aber er verwässert den Glauben nicht. Am Freitag wurde ein großer evangelischer Gottesdienst mit Abendmahl würdig gefeiert, gestern Nachmittag dann die katholische Heilige Messe mit der heiligen Eucharistie. So what?

Was Hartl macht: Er bringt Christen zusammen, er und andere mitreißende Redner wie Kardinal Schönborn aus Wien oder der Unternehmer Patrick Knittelfelder aus Salzburg ziehen die 11.000 MEHR-Besucher in den Bann. Atemlos hörten wir ihnen und den anderen Rednern zu, nichts wurde verwässert, nichts wich von der Lehre ab. Der Mittelpunkt der vier Tage war Jesus Christus. Und so soll es doch auch sein.

Wichtig bei der MEHR sind die stil-Elemente der Evangelikalen, von Hartl meisterhaft gemischt mit dem traditionell Katholischen. Und dann der Lobpreis, morgens, zwischendurch und am Abend. Veronika Lohmer ist hier das Kraftzentrum auf der Bühne. Im MEHR-Begleitheft für die Presse heißt es über sie:

„Anstatt frontalem Song-auf-Song-Lobpreislieben es Veronika Lohmer und ihre Band, Orte des Gebetes zu öffnen, die Zeit haben, sich zu entwickeln, bis man ganz natürlich und ungezwungen in eine Haltung der Anbetung zu Gott eintauchen und ‚fließen‘ kann.“

So ist es

Die mitreißenden Lieder, die im Halbdunkel vor den beeindruckenden Lichtspielen der Videowände dargeboten werden, treiben den Menschen immer wieder Tränen in die Augen („Ich hab noch nie eine Liebe wie die deine gefunden…“), den Schluss gestern setzte die erfolgreiche HipHop-Truppe O’Bros, christlicher HipHop, zwei Brüder aus München, die schon mit sechs Jahren ihren ersten Song geschrieben haben und deren aktuelles Album es bis auf Platz 2 der offiziellen Albumcharts schaffte.

Rund um Johannes Hartl und seine MEHR-Konferenzen wächst etwas Großes heran. Ein neuer Aufbruch, der aber von Kirchenoberen oft mit Argwohn betrachtet wird. Und die Traditions-Christen finden es natürlich auch doof, dass da einer wagt, einen neuen großen christlichen Aufbruch in Deutschland einzuleiten und dafür neue Wege zu beschreiten.

„Der Glaube an Gott und das, was uns Jesus gelehrt hat, ist etwas so Großes und Schönes“, sagte mir Johannes Hartl bei unserem ersten persönlich Treffen in seinem Gebetshaus: „und schau Dir die vielen hässlichen Gemeindehäuser und Pfarrerunterkünfte an….“ Den tiefen Glauben zu verbinden mit Ästhetik, das beherrscht Hartl wie niemand anders in Deutschland. Und dennoch flüstern die Neider aus den Kulissen von bunter Kirmes, einer Art Disneyland für Christen. Was diese Meckerer, die in der Regel noch nie bei einer MEHR waren, stört, ist, dass dort der Freiraum herrscht, ja gepflegt wird, seinen eigenen Weg zu Jesus zu finden und zu entwickeln.

Bei den vielen Infotischen in den Hallen in Augsburg fiel mir ein wunderbarer Stand mit christlichem Schmuck auf: Bei TOTO gibt es Rosenkränze als Armschmuck oder auch attraktive Halsketten – für Männer, Frauen und Kinder. Eine junge Frau interessierte sich gestern an dem belagerten Stand für so ein christliches Schmuckstück, störte sich aber an dem kleinen Marienbildchen, was sie als Evangelikale ablehne. „Ja, da kann man dann nichts machen“, beschied TOTO-Betreiberin Andrea mit einem freundlichen Lächeln.

Jeder nach seiner Facon

In einer Zeit, in der in Deutschland und Teilen der westlichen Welt der christliche Glaube ohnehin auf dem Rückzug ist, noch anzufangen mit Nicklichkeiten untereinander? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. „Ich interessiere mich nicht für Labels“, nochmal zur Erinnerung. Johannes Hartl hat absolut recht. Ob katholisch, evangelisch, orthodox – das ist Jesus Christus vollkommen egal, wenn die Menschen nur ihm zuhören und ihm folgen. Darum geht es. Nur darum…

Bildquelle:

  • MEHR_2024_Lobpreis: kelle /thegermanz

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.