von PETER WINNEMÖLLER
Kaum ernannt, schon verbrannt. Der frisch ernannte Bischof von Mainz macht von sich reden, indem er eine arme Kirche fordert. Die Caritas bezeichnete er ferner in einem Interview mit Radio Vatikan als wirkliche Aufgabe aller Getauften. Das klingt gut, wie der Pastoraltheologe diese Sätze glatt und geschmeidig formuliert. Wie aber sieht ein Reality- Check aus?
Es fabuliert sich gut über die Armut, wenn man als Single bislang schon ein Professorengehalt hatte und nun einer Bezahlung vergleichbar der eines Ministerpräsidenten entgegen sieht. Der Vorgänger hatte schon angekündigt, im Bischofspalais wohnen bleiben zu wollen. Für sich genommen unverschämt, aber einem Kardinal Lehmann schlägt man in Deutschland nichts ab. Also wird man für den neuen Bischof eine neue Dienstwohnung finden. Auf dem Markt für Sozialwohnungen wird diese wohl nicht zu finden sein.
Auch das Bistum Mainz verfügt über Vermögen. Im Jahr 2014 wurden über 800 Millionen Anlagevermögen ausgewiesen, der Überschuss des Bistumshaushaltes betrug mehr als fünf Millionen Euro. Das ist auch nicht Armut. Bischof und Domkapitel erhalten ihre üppigen Gehälter aus Staatsleistungen. Die Kirchensteuer sprudelt in Deutschland nach wie vor. Wo sieht der neu ernannte Bischof hier die Armut?
Die Kirche in Deutschland ist auch ganz sicher keine Kirche für die Armen. Wenn bei steigenden Kirchenaustrittszahlen zugleich das Kirchensteueraufkommen steigt, dann treten doch ganz offensichtlich die aus, die keine Kirchensteuer zahlen. Schöne Kirche für die Armen ist das. Tatsächlich will nämlich in der Kirche in Deutschland niemand die Armen. Wohlsituierte spießbürgerliche Sonntagskirchgänger würden sich „bedanken“, wenn ihre Kirche am Sonntag von Armen heimgesucht würde.
Auch die Pfarrer wären nicht glücklich. Sie brauchen die gut betuchten mittelständischen Spender. Renovierungen an Kirchen, Pfarrhäusern oder anderen Immobilien der Pfarreien bezahlen die Gläubigen noch zusätzlich zu ihrer Kirchensteuer, und man will ja auch bei anderen Kollekten noch glänzen. Die Armen braucht keiner in einer bürgerlichen deutschen Pfarrei.
Jemand, der tatsächlich etwas von Armen versteht, der französische Bischof Jaques Gaillot, redet offen darüber: Die Armen seien anders, sagt er, sie stinken und sie seien laut. Das müsse man wissen, wehrt er sich gegen jede Armutsromantik. Ehrliche Worte von einem, der sich als Bischof zum untragbaren Enfant terrible machte, aber mit der Armut meinte er es durchaus ehrlich, auch persönlich.
In Frankreich ist die Kirche ohnehin arm. Die Bischöfe fahren ihre Kleinwagen selber und werden aus der Bistumskasse mäßig besoldet. Die Kirchengebäude sind teilweise in einem grausigen Zustand. Pfarrer werden äußerst spärlich bezahlt. Wer sehen will, wie eine arme Kirche aussieht, gehe nach Frankreich. Von der Romantik deutscher Pastoraltheologen findet sich dort natürlich keine Spur.
Auch eine Caritas wie in Deutschland sucht man in anderen Ländern vergebens. Die Caritas in Deutschland ist längst nicht mehr Dienst aller Getauften, sondern ein ertragreiches Geschäftsmodell. Die Caritas in Deutschland hat inhaltlich nichts mehr mit dem Glauben der Kirche zu tun. Als zweitgrößter Arbeitgeber in Deutschland stünden gar nicht genug katholische Mitarbeiter zur Verfügung, um die Dienstleistungen zu erbringen. Wegen der Caritas hat man erst jüngst das kirchliche Arbeitsrecht geändert. Es ist doch wirtschaftlich nicht zu verantworten, eine wertvolle Arbeitskraft zu kündigen, nur weil sie nach kirchlicher Auffassung im Konkubinat lebt. Das ist Kommerz, nicht Dienst der Nächstenliebe um Christi Willen. Wäre man redlich würde man den Caritas-Konzern aus der Kirche in die Eigenständigkeit entlassen.
Die Armuts- und Caritas-Romantik des künftigen Bischofs von Mainz lässt nichts Gutes erwarten. Das erinnert an einen millionenschweren Rockstar, der aus der Luxuskarosse auf die Bühne springt und in seinen Liedern die Weltrevolution ausruft und auf der After Show Party Dom Perignon schlürft.
Milliardäre mit Mitra, die über Armut fabulieren und in Barockpalais‘ Sozialromantik verbreiten, nützen der Kirche nicht. Doch ebenso verbietet sich der Sozialneid einer wohlahbenden Kirche gegenüber. Es spricht aus historischen Gründen nichts dagegen, daß die Kirche in Deutschland in Laufe der Jahrhunderte große Vermögen angesammelt hat. Es spricht auch nichts dagegen, daß eine wirtschaftlich gut gestellte Kirche ihre Mitarbeiter, auch die Bischöfe, gut besoldet. Staatliche Verpflichtungen aus früheren Enteignungen haben weiter erfüllt oder abgelöst zu werden. Dagegen gibt es ebenfalls keine Einwände. Aus Sicht der Vernunft wäre es also gut, diesen Wohlstand der Kirche in Deutschland wertzuschätzen und aus der Postion der Stärke heraus mutig das Evangelium zu verkünden.
Das Gegenteil ist der Fall. Je reicher die Kirche wird, umso glaubensschwächer und weltangepaßter wird sie. Das spricht in der Tat für eine arme Kirche. Wird nun der neue Bischof ernst machen und das Bistumsvermögen unter den Armen verteilen, auf Staatsleistungen und Dienstwagen mit Fahrer verzichten? Wird er in einen armen Stadtteil von Mainz in eine Sozialwohnung ziehen? Wird er nicht nach teurem Rasierwasser sondern nach Schaf riechen? Wird er den Armen und Gefangenen eine frohe Botschaft vom Reich Gottes verkünden und die Umkehr predigen?
Lassen wir uns überraschen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist seine Rede von Armut nur populistisches und sozialromantisches Geschwätz. Doch man lässt sich gern eines Besseren belehren.
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