Erste Debatte der konservativen US-Präsidentschaftskandidaten – wir haben uns das Spektakel angeschaut

Die republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten von links nach rechts: Asa Hutchinson, Chris Christie, Mike Pence, Ron DeSantis, Vivek Ramaswamy, Nikki Haley, Tim Scott und Doug Burgum. Foto: Morry Gash/AP

von DR. STEFAN GEHROLD, Florida

WISCONSIN – Normalerweise geht hier das Top-NBA-Team der Milwaukee Bucks auf Punktejagd. Vorgestern Abend stand die Politik im Mittelpunkt. Das Thema: die Präsidentschaftrwahlen in den Vereinigten Staaten, und an diesem Abend die erste Fernsehdebatte der Republikaner. Acht Kandidaten, die im November kommenden Jahren den amtierenden demokratischen Präsidenten Joe Biden aus dem Weißen Haus vertreiben wollen:

Asa Hutchinson, ehemaliger Gouverneur, Arkansas,
Tim Scott, Senator, South Carolina
Chris Christie, ehemaliger Gouverneur, New Jersey
Mike Pence, ehemaliger Gouverneur und Vizepräsident, Indiana
Doug Burgum, Gouverneur, North Dakota
Nikki Haley, ehemalige Gouverneurin, South Carolina
Ron DeSantis, Gouverneur, Florida
Vivek Ramaswamy, Unternehmer, Ohio

4.000 Zuschauer waren in Wisconsin live dabei – Millionen vor den Fernsehschirmen

Doch einer war nicht erschienen

Donald Trump, der schon einmal vier Jahre Amerika regiert hatte – und nach Meinung vieler Beobachter erstaunlich gut. In einem Tweet teilte er am Montag mit, er werde nicht dabei sein bei der Debatte, weil jeder seine Politik kenne und seine Erfolge sprächen sowieso für ihn.

FOX-Kommentator Sean Hannity wies darauf hin, dass Trumps Abwesenheit den anderen Bewerbern mehr Gelegenheit zur Entwicklung ihrer Ideen gäbe.

Warum Trump dann in der gleichen Meldung seine Mitbewerber mit unsachlichen Attributen versieht, bleibt sein Geheimnis: DeSantis – scheinheilig, Hutchinson – Aida (ist wohl eine Anspielung an seine ehemalige Mitarbeiterin “aide” Cassidy Hutchinson, die gegen Trump aussagte) und Christie – schlampig/undiszipliniert.

Die Verschärfung der Tonart gegenüber den Konkurrenten wird ihm weder in seiner eigenen Partei und schon gar nicht während des Wahlkampfs im kommenden Jahr helfen.

Richtig ist: einen Politiker muss niemand heiraten, und in der Politik geht es um das sachliche Streiten um die besten Lösungen. Da gibt es keine Sympathietrophäe zu gewinnen.

Und in der Sache war die Administration Trump erfolgreich: Justizreform, Steuerreform, Maßnahmen zur Eindämmung illegaler Immigration, etc…

Und ja, Präsident Trump schickte keine amerikanischen Soldaten mehr ins Ausland, sondern er holte sie zurück. Das hatte vor ihm zumindest in seinem Leben noch kein amerikanischer Präsident getan.

Vor allem bei echten Trump-Hassern in Deutschland kehrt aber das große Stottern ein, wenn man nachfragt, welche Gesetzespakete während seiner Regierungszeit warum kritikwürdig wären.

Umso unverständlicher ist Trumps Kommunikationsstil. Es mag Leute geben, die das nicht stört. Vor allem unter den “kleinen Männern von nebenan” nicht. Beim konservativen Amerikaner, der eigentlich großen Wert auf Umgangsformen legt (und zwar unabhängig von der Nähe zu einer politischen Partei), kommt ein derartiges Verhalten definitiv nicht gut an.

Wenn er doch so deutlich führt in den Umfragen, warum verhält er sich nicht wie ein Staatsmann?

Das Republican National Committee (man könnte es die Parteizentrale nennen) hat klare Vorgaben für die Teilnahme gemacht, die auch nicht alle Bewerber erfüllen konnten. Will Hurd und Francis Suarez mussten zuhause bleiben. Neben dem Nachweis ausreichender finanzieller Mittel und bestimmten Zustimmungsraten bei den Umfragen war die sog. „Pledge“ zu unterzeichnen; ein Dokument, das unterliegende Kandidaten verpflichtet, den siegreichen Republikaner später während der Präsidentschaftswahlen zu unterstützen. Allein deshalb hätte auch Donald Trump nicht zugelassen werden dürfen. Denn dieser hat bislang die Erklärung nicht unterschrieben.

Nach den aktuellen Umfragen liegt unter den registrierten Republikanern der ehemalige Präsident weit vorn. Gouverneur Ron DeSantis liegt deutlich zurück. Sein Wahlkampf hob bislang noch nicht richtig ab.
Das gilt wohl auch für die anderen sieben, die in Milwaukee antraten, insbesondere für den ehemaligen Vizepräsidenten Mike Pence. Deutlich besser als erwartet machten sich bislang der „Kandidat der Herzen“ Tim Scott und der self-made Milliardär Vivek Ramaswamy (ebenfalls mit indischen Eltern).

Fox bot zwei journalistische Politdinosaurier, Bret Baier und Martha Maccallum, als Moderatoren auf

In Umfragen wurden von republikanischen Wählern die Themen Inflation, Immigration, innere Sicherheit, die Abwahl Bidens und der Kampf gegen eine Meinungsdiktatur als wichtigste Themen genannt.

Und dann ging’s los: Wie üblich mit der Nationalhymne. Alle nahmen Haltung an, nur zwei sangen mit: die indischstämmige ehemalige Gouverneurin Nikki Haley und der farbige Senator Tim Scott.

Ramaswamy machte sofort klar, warum er einzigartig sei: Sohn indischer Einwanderer, kein Politiker, sondern Unternehmer. Dafür gab es viel Applaus. Und für diesen Satz: „Wir sind doch hier, um Spaß zu haben. Ich will keine stufenweise Reform wie andere, ich will eine Revolution.“

Der staatsmännisch auftretende Pence stand exakt für das Gegenmodell: konservativ, seine Erfolge und seine Erfahrung ins Feld führend.

Nikki Haley sprach die grassierende Staatsverschuldung an. Das ist ungewöhnlich, weil es selten thematisiert wird. Und sie sprach das größte Versäumnis der Trump-Amtszeit offen aus, die Ausweitung der Staatsverschuldung bei gut laufender Wirtschaft und hohen Steuereinnahmen.

Baier warf dann den Begriff „Klimawandel“ in die Runde und Martha Maccallum ergänzte: „Bitte aufzeigen, wer an den Klimawandel glaubt.“

DeSantis, der irgendwie noch nicht in der Diskussion zu sein schien, machte immerhin den richtigen Punkt: „Wir sind hier nicht in der Schule“.

Ramaswamy ging sofort auf Konfrontation: „Klimawandel ist eine Zeitungsente!“ Es blieb dann Nikki Haley und Tim Scott vorbehalten, die Diskussion zu beruhigen, und Haley machte deutlich, dass sie den menschengemachten Klimawandel für ein Fakt hält.

Martha Maccallum führte das Thema „Abtreibung“ ein. Klares Bekenntnis hier zu einer pro-life policy von allen Beteiligten, authentisch vor allem von Nikki Haley, DeSantis und Pence, der erneut seinen Glauben als Grundlage politischen Handelns anführte.

Dann ging es um Polizei und Innere Sicherheit. Da waren die aktuellen und ehemaligen Politiker in Regierungsverantwortung klar im Vorteil. Ramaswamy fiel hier ab. An das Second Amendment, das Recht zum Erwerb einer Schusswaffe, wollte niemand heran. Pence versuchte erneut, allerdings ohne wirklichen Erfolg, Ramaswamy hier zu stellen und als „Rookie“ (Anfänger) zu entlarven.

Der erklärte Trump-Gegner und ehemalige Gouverneur Asa Hutchinson aus Arkansas blieb bis zur Pause thematisch blass.

Der Spannungsbogen aber blieb erhalten. Denn nach der Pause startete Moderator Baier dann direkt mit der Frage, wer Donald Trump noch unterstützte, sollte dieser als Vorbestrafter nominiert werden. Alle hätten doch die oben erwähnte „Pledge“ unterzeichnet.

Chris Christie machte darauf massiv Front gegen Donald Trump. Sein Verhalten sei, unabhängig von Schuld oder Unschuld, unangemessen. Dies stünde nicht im Einklang mit der Verfassung. Er unterstützte ausdrücklich Pences Vorgehen (seine Distanzierung vom ehemaligen Präsidenten) im Rahmen des sog. „Marsches auf das Kapitol“ am 6. Januar 2021. Tim Scott sah es ebenso.

Asa Hutchinson setzte noch einen drauf: „Donald Trump ist disqualifiziert für dieses Amt aufgrund seines Verhaltens.“

Nikki Haley stimmte ein: „Drei Viertel der Amerikaner wollen keine Neuauflage des Duells Biden-Trump. Mit Trump werden wir nicht gewinnen.“ Allein Ramaswamy stellte sich hinter Trump.

Und dann kam Mike Pence, und es wurde ganz ruhig: „Ich habe im Januar 2017 einen Eid auf diese Verfassung geschworen, und ich schwor ihn im Namen meines himmlischen Vaters. Präsident Trump erwartete im Januar 2021 persönliche Loyalität ohne Wenn und Aber. Ich entschied mich für die Loyalität gegenüber der Verfassung.“ Nicht einmal Ramaswamy widersprach.

Dann ging es um die Ukraine. Ramaswamy war der einzige, der einen Stopp militärischer Unterstützung gegenüber der Ukraine vertrat.

Die Mittel könnten zur Grenzsicherung in Texas eingesetzt werden. Und erneut widersprach Pence energisch: Er, Ramaswamy, sei einfach zu unerfahren. Es sei die Verpflichtung der USA als Führernation der freien Welt, gegen imperiale Aggressionen von Diktaturen zu arbeiten. Das sei die Politik der USA seit den Zeiten Ronald Reagans. Christie sekundierte und Nikki Haley führte Zahlen zur Versachlichung der Debatte ein: „Nur 3,5 Prozent der amerikanischen Verteidigungsausgaben werden für den Konflikt in der Ukraine aufgewendet, elf EU-Mitgliedsstaaten zahlten im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt mehr als die USA. Wir können locker beides schaffen: Unterstützung unserer bedrohten Freunde weltweit und Sicherung unserer Grenzen.“

Dann kam die Schlussrunde. Martha Maccallum fragte, ob denn Präsident Biden einem verpflichtenden Eignungstest unterzogen werden müsste.

Pence hatte die Lacher auf seiner Seite: „In Washington müssten viele einem solchen Test unterzogen werden. Ernsthaft: diese Entscheidung kann das amerikanische Volk auch ohne Test treffen. Aber der Präsident sollte nicht zu alt und nicht zu jung sein.“ Ramaswamy fühlte sich zu Recht angesprochen: „Es ist Zeit, dass mal eine andere Generation das höchste Amt im Staat bekleidet.“ Damit schloss er faktisch alle bis auf sich und DeSantis aus.

Und Baier: „Wo ist der Stolz der Amerikaner auf ihr Land geblieben?“

Burgum: schwach. Hutchison berief sich auf seine Zeit mit Reagan und Bush. Scott wiederholte seine Erfahrungen in einer harten Kindheit und Jugend. Botschaft: Der amerikanische Traum siegt.
Christie machte auf seinen Erfolg als Wahlsieger in einem demokratischen Staat aufmerksam. Mike Pence führte erneute seine Erfahrung als langjähriger Politiker an.

Ramaswamy blieb bei seiner Linie: „Schwacher Staat, Familie als kleinste staatstragende Einheit und: Kapitalismus überwindet Armut! Ich weiß es aus eigener Erfahrung.“

Und DeSantis? Verwies immer wieder auf die Erfolge in seinem Staat Florida, aber das allein verfing offenkundig nicht, auch wenn diese Erfolge unbestreitbar sind.

Und so klang die Debatte aus. Die Kandidaten schenkten sich nichts. Die Moderatoren stellten die richtigen Fragen und legten Finger in offene Wunden. Ihre Nachfragen auf Antworten machten deutlich, dass sie gut vorbereitet und faktensicher waren.

Wo waren die Sieger und Verlierer?

Burgum (trotz einiger guter Einwürfe zum Föderalismus, was in den USA immer gut ankommt) und Hutchinson sind chancenlos. Die Debatte bestätigte das erneut. Chris Christie blieb im Rahmen der Erwartungen. Und das galt auch für den beliebten Tim Scott, der erneut positiv durch Sachlichkeit auffiel. Aber das republikanische Feld ist einfach stark besetzt. Vor allem auch mit unterschiedlichen Charakteren. Das Tragische für die Republikaner ist: Er wäre vermutlich neben Nikki Haley der Einzige, der Biden recht sicher schlagen würde.

Womit wir bei Nikki Haley sind: Sachlich und klar, auch mit einem starken außenpolitischen Profil und großem Faktenwissen. Ihr nutzte die Debatte sicher. Nominieren die Republikaner sie, kann Präsident Biden sich warm anziehen.

Gouverneur DeSantis kommt einfach nicht vom Fleck. Es scheint ihm der nationale Rahmen zu groß. Zuhause ist er stark. Florida ist ein Musterstaat: Gute Bildungspolitik, keine Schulden, kaum Arbeitslosigkeit, einer der sichersten Bundesstaaten, boomende Wirtschaft, geringe Steuerlast. Im Jahr 2022 wanderten pro Tag 1.000 Menschen nach Florida ein. Aber der ihm von seinem Team vorgeschriebene Angriffsmodus steht ihm nicht, wirkt nicht authentisch.

Bei der Authentizität ist niemand stärker als Mike Pence

Er gewann während der Debatte zunehmend an Format und an Zustimmung. Keiner war staatsmännischer und staatstragender als er. Seine wiederholte Berufung auf seine christlichen Überzeugungen wagte niemand auch nur ansatzweise in Frage zu stellen.

Und dann war da noch ein Paradiesvogel: Vivek Ramaswamy. Waren seine Einwürfe zu Beginn noch erfrischend und sein Drang zur Kontroverse belebend, so wurden seine Argumente zunehmend absonderlicher. Die Auseinandersetzungen mit zunächst Christie und später Pence halfen ihm in der Tendenz nicht, sondern den anderen, insbesondere Pence. Bei den außenpolitischen Themen war er denn, wie erstaunlicherweise auch DeSantis, faktisch nicht mehr auf der Höhe.

Ramaswamy hat seine Anhänger, gewinnen wird er die republikanischen Vorwahlen vermutlich nicht.

Morgen beginnt das erste Verfahren gegen Donald Trump in Georgia. Es bleibt spannend im „Land der Freien“.

Bildquelle:

  • TV-Debatte der US-Republikaner: dpa

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