von DIETRICH KANTEL
KÖLN – Unfalltod beim Wintersport in Zermatt? Mit der Geliebten abgetaucht? Ermordet vom russischen Geheimdienst? Nichts kann wirklich ausgeschlossen werden drei Jahre nach dem mysteriösem Verschwinden des Tengelmann-Erben Karl-Erivan Haub („KEH“).
Das letzte Lebenszeichen des deutschen Milliardärs im damaligen Alter von 58 Jahren stammt vom 7. April 2018. Eine Überwachungskamera der Bergstation „Klein Matterhorn“ in Zermatt hat ihn im Bild festgehalten. Voll aufgerüstet für seine Leidenschaft, das Extrem-Skifahren. Ab dann war er verschwunden. Aufgrund Antrages aus dem Familienkreis hat das Amtsgericht Köln den Vermissten am 14. Mai 2021 nach dem Verschollenheitsgesetz für tot erklärt. Am kommenden Dienstag 15. Juni 2021 wird der Gerichtsbeschluss rechtskräftig.
Wochenlang war im Frühjahr 2018 nach dem Unternehmer gesucht worden. Alle abgegangenen Schneelawinen wurden durchkämmt, unzählige Gletscherspalten durchforstet, ein Stausee, ein Bach abgesucht und mit Hightech-Instrumenten versucht, sein verstummtes Handy zu orten: Ergebnislos. Sein Leichnam wurde nicht gefunden, genaue Todesumstände nicht ermittelt. Die Familie geht davon aus, dass Haub bei seinem Skiausflug im Oberwallis tödlich verunglückte. Doch es gibt Vermutungen, dass er untergetaucht sein könnte. Anlass für solchen Verdacht sind Anhaltspunkte, die möglicherweise auf eine Geliebte und Verbindungen zum russischen Geheimdienst deuten.
Veronika E. und ein Doppelleben ?
Wie RTL jetzt in einer Dokumentation berichtete („Tengelmann – Das mysteriöse Verschwinden des Milliardärs“), hatte der Haub-Bruder Christian ein privates Ermittlerteam zur Spurensuche engagiert. Laut Recherchen der RTL-Journalisten zeige der vertrauliche Bericht der Privatermittler Kontakte und Quellen auf, die nach Russland führen. Und immer wieder taucht ein Name auf: Veronika E. Die ist Event-Managerin und kennt den verschwundenen Haub seit vielen Jahren. Nämlich seit der Feier des 60. Geburtstages der Haub-Mutter in Sankt Petersburg.
Dort erregte sie die Aufmerksamkeit des KEH, indem sie ihre angeblichen Interessen für Extremsport und die Natur erwähnte. Ein speziell für KEH zugeschnittenes Profil? Ihre Rolle scheint rätselhaft: War sie die Geliebte von Haub oder war sie in anderen Angelegenheiten für ihn tätig. Auffällig: KEH wählte am Abend vor seinem Verschwinden zwei Nummern und führte Telefonate von 60 bzw. 48 Minuten. Beide Nummern gehörten Veronika E..
Einen telefonischen Gesprächsversuch der RTL-Journalisten blockte die Frau ab. Bei ihem vermeintlichen Arbeitgeber, der Agentur Russian Event („Keine Kompromisse – Wir zeigen Ihnen Seiten Russlands, die Sie niemals erwarten würden“) dort angeblich „Marketing Dirctor“, erklärt man, Veronika E. Habe vor drei Jahren gekündigt. Ruft man die Homepage von Russian Event auf und geht auf die Seite „Who we are“, springt dem Betrachter das Titelfoto eindrücklich ins Auge: S/W Foto, Atmosphäre schummriger Halbschatten. Vor einer alten UdSSR-Limousine vom Typ „Wolga“, seinerzeit das bevorzugten Dienstfahrzeug der Angehörigen der Nomenklatura von KGB und Kommunistischer Partei; die untere Körperpartie einer schattenhafte Frauenfigur in knöchellangem, engem Rock auf Super High-Heels. „Wir zeigen Ihnen Seiten Russlands….“
In einem Sozialen Netzwerk hatte Veronika E. am Tag des Verschwindens von KEH verkündet: „Neustart. Umzug von St. Petersburg nach Moskau.“ Also nachdem sie am Abend zuvor knapp zwei Stunden mit Haub telefoniert hatte…
Auf der Suche nach der Frau ermittelten die RTL-Rechercheure vor Ort in Russland. Sie stießen auf einen Informanten der privaten Ermittlertruppe des Christian Haub. Diesem Informanten sei mitgeteilt worden, die RTLer sollten vorsichtig sein „und keine unangenehmen Fragen stellen“. Zudem deutete der Informant den RTL-Journalisten an, dass sie abgehört würden. Außerdem würden sie zuhause bestimmt noch gebraucht …
Auch der CIA sei in die Spurensuche eingebunden gewesen. Das berichtet nun nach dem der RTL-Doku aktuell „Business Insider“. Danach habe Christian Haub, der nach KEH jetzt Tengelmann-Chef ist, schon bald nach dem Verschwinden seines Bruders bei der US-Botschaft in Bern vorgesprochen und um (technische?) Unterstützung durch den amerikanischen Auslandsgeheimdienst ersucht. Dazu sei auf Nachfragen keine Bestätigung durch die US-Botschaft Berlin erfolgt: „No Comment“. Unplausibel wäre ein CIA-Engagement im Fall Haub aus zwei Gründen nicht: Karl-Erivan Haub besitzt neben der deutschen auch die US- und die russische Staatsbürgerschaft. Und des weiteren sind da die Spuren, die nach Russland und in dortige Geheimdienstkreise führen.
Laut „Business Insider“ habe die Privat-Security von KEH am Tag nach seinem Verschwinden ein verdächtiges Paar in Zermatt beobachtet. Das verfolgte die Suchmaßnahmen. Nachforschungen ergaben, dass es sich um Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB gehandelt habe. Anderen Quellen zufolge waren es Agenten des russischen Auslandsgeheimdienstes GRU.
KEH lebt – Vermutet RTL
KEH war ein Vorausplaner und Sicherheitsfanatiker. Immer war seine persönliche Security um ihn. Auch seine Familie ließ er bewachen (oder überwachen?). Er war ein erfahrener Extrem-Skiläufer und – außer am 7. April 2018 – immer nur mit einem Team auf den Schweizer Gletschern unterwegs. Dieser Mann soll sich damals gänzlich allein auf einen hohen Berg begeben und sein Handy abgeschaltet haben? Die RTL-Journalisten jedenfalls sind sich sicher. Nach Ermittlungen in Zermatt, Interviews mit Such- und Rettungskräften, Augenzeugen und prominenten Kontakten des Milliardärs. Ein Unfall von KEH ist unwahrscheinlich. Und unter Berücksichtigung von Kontakten zu offensichtlich dubiosen Geschäftspartnern in Russland und deren Geheimdienstverbindungen: Der Milliardär Karl-Erivan Haub lebt. Er ist untergetaucht und Veronika E. Hat ihm dabei geholfen.
Oder wurde KEH ermordet? Vom russischen Geheimdienst? So etwas ist ja bekanntlich heutzutage nicht mehr so selten.
Bildquelle:
- Haub_Suche_Alpen_2018: screenshot rtl