Bizarres Spektakel im Hohen Dom zu Paderborn: Warum haben Sie nicht auch „Schafft das alles hinaus!“ gerufen, Herr Erzbischof?

Unwürdige Darbietung im Altarraum des Hohen Doms zu Paderborn.

von Dr. STEFAN WINCKLER

PADERBORN – Seit März vergangenen Jahres ist Dr. Udo Markus Bentz, Jahrgang 1967, Erzbischof im traditionell als katholisch-konservativ bekannten, einst „tiefschwarzen“, Paderborn. Geboren in der Pfalz, wirkte er in Mainz als Weihbischof, Domkapitular und Generalvikar.

Das erzbischöfliche Motto von Bentz lautet: „Gloria Deo – Pax hominibus“: Gott die Ehre – den Menschen der Frieden.

Es wäre angemessen gewesen, wenn er dies während einer mehr als unpassenden Darbietung am 15. Mai beherzigt hätte, denn die Ehre Gottes wurde mit Füßen getreten. So etwas schafft berechtigte Empörung und Wut an einem Ort, von dem der Frieden zu den Menschen ausgehen soll.

Was war passiert?

Zur Eröffnung der Ausstellung anlässlich der erstmaligen Erwähnung Westfalens vor 1250 Jahren sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Zuvor fand eine „Performance“ eines regionalen Tanztheaters namens Bodytalk ebenda im Altarraum des Hohen Doms zu Paderborn statt. Es handelte sich um einen Auszug aus dessen Stück „Westfalen Side Story“.

Sie begann mit einem musikalischen Thema des Komponisten Sergej Prokofiew, ziemlich bekannt durch seine Verwendung in Stings Song „Russians“ (1985). Dazu war für zweieinhalb Minuten ein sensenschwingender Mann mit nackten Oberkörper in einem knöchellangen Rock (warum im Rock?) zu sehen, zu dem sich eine (Gott sei Dank vollständig bekleidete) Frau gesellte. Vogelgezwitscher verwies zusätzlich auf die Feldarbeit. Ein weiterer halbnackter Mann brachte einen Blechtopf mit, aus dem er rohe Hähnchen ohne Kopf entnahm, um die Windeln gewickelt waren.

Alle drei bewegten die Hähnchen auf dem Bühnenboden, begleitet von einem Lied „Fleisch ist Fleisch nana-nanana“, also dem leicht umgetexteten Opus-Hit von 1985, ergänzt um die Worte „Westfalen sind wir“.

Die Objekte wurden hochgehoben und hochgeworfen. Nach 5 Minuten und 20 Sekunden war der Auftritt endlich abgeschlossen, ein knapper Beifall brandete auf, und der lächelnde Bundespräsident näherte sich dem Rednerpult.

Dass die Darbietung nur kurz war, macht die Sache nicht harmloser

Ihr Inhalt war eindeutig genug. Im übrigen stand sie in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit der geschichtlich interessanten, im Ganzen sehr informativen Ausstellung 775-Westfalen in der Kaiserpfalz.

Eine „Darbietung“ halbnackter Tänzer, die sich mit eingewindelten Tiefkühlhähnchen auf einer Bühne unmittelbar vor dem Altar in einer Kathedrale präsentieren, hätte es besser nicht geben dürfen. ja sie hätte sofort abgebrochen werden müssen. Der Erzbischof als oberster Hausherr hätte m. E. persönlich handeln müssen wie Jesus gegenüber den Händlern im Tempel: „Schafft das alles hinaus“. Denn das Haus Gottes ist kein Avantgarde-Theater mit einem Repertoire an Schock-Elementen und weltlichen Anliegen (auch Blasphemie?).

Selbst wenn die Aufführung eine Kritik am Fleischkonsum der Westfalen gewesen sein sollte, so handelt es sich um ein ekelerregendes Spektakel am falschen Ort für Theaterexperimente.

Praktizierende Christen denken beim Stichwort „Fleisch“ im religiösen Zusammenhang an etwas anderes, nämlich an den Satz „Das Wort ist Fleisch geworden“, nichts geringeres also als die Menschwerdung Jesu. Im übrigen war Jesus selbst wohl kein Vegetarier (wir finden im Lukasevangelium Hinweise auf Fisch und Lamm), in jedem Falle erlaubt die Bibel Fleischgenuss.

Wenn das Metropolitankapitel am 29. Mai feststellt, es habe vorher nicht gewusst, was jene Gruppe aufführen wird, stellt sie sich ein Armutszeugnis aus.

Ein Kapitel, das nicht weiß, was vor den Augen von Erzbischof, Bundespräsident und Ministerpräsident während eines Festakts im Dom stattfinden wird – das hat schlicht und einfach versagt. Oder will es die Öffentlichkeit für dumm verkaufen und schlichtweg anlügen?

Ein guter Gastgeber weiß, wen er einlädt. Bodytalk macht keinen Hehl aus seinen provozierenden Auftritten, z.B. im Stück „Blutkörper“ (Münster, im April), wo das öffentliche Überschütten mit blutroter Farbe auf der Bodytalk-Webseite im Bild gezeigt wird. Die Webseite enthält zahlreiche Fotos und Videos.

Zumindest die versammelte Geistlichkeit hätten während des Auftritts protestieren müssen. Doch erst nach 14 Tagen veröffentlichte das Metropolitankapitel eine Erklärung des Bedauerns, dass unbeabsichtigt religiöse Gefühle verletzt worden seien. Demnach waren eigene religiösen Gefühle der Dompriester wohl nicht berührt. Offenbar war nur die heftige öffentliche Kritik ausschlaggebend.

Ich denke, eine vollständige Verurteilung des Bühnenauftritts in Altarnähe sähe ganz anders aus. Es wäre gerade auch eine Distanzierung des Erzbischofs samt Bitte um Entschuldigung angemessen. Vor allem sind m. E. verschiedene Konsequenzen daraus zu ziehen: auf Erzbistumsebene speziell im Metropolitankapitel. Zu denken gibt auch die steuergeldfinanzierte Theaterförderung. Bodytalk nennt eine Reihe von Förderern auf Stadt-, Bezirks- und Landesebene (http://www.bodytalkonline.de/forderer.html).

Bildquelle:

  • Bodytalk_Dom_Paderborn: screenshot

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