Bundesverfassungsgericht verhandelt über Merkel-Äußerungen zur Kemmerich-Wahl

ARCHIV - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Gespräch mit Studenten bei ihrer Südafrika-Reise. Foto: Kay Nietfeld/dpa

KARLSRUHE – Im Februar 2020 bezeichnete Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten in Thüringen mit AfD-Stimmen als «unverzeihlich» – diese Äußerung holt sie jetzt wieder ein.

Die AfD hat die Sache jetzt vor das Bundesverfassungsgericht gebracht. Die Partei sieht sich durch die Äußerungen und deren Veröffentlichung auf der Internetseite der Bundesregierung in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt. Heute wird in Karlsruhe verhandelt. Das Urteil dürfte erfahrungsgemäß erst in einigen Monaten verkündet werden.

Mitgewählt von CDU und AfD

Eigentlich hatte sich damals im Erfurter Landtag der Linke-Politiker Bodo Ramelow erneut zum Regierungschef wählen lassen wollen. In den ersten beiden Wahlgängen bekam er aber nicht genug Stimmen. Im dritten Wahlgang hatte ihn dann völlig überraschend der FDP-Politiker Thomas Kemmerich um eine Stimme geschlagen – mitgewählt von CDU und AfD. Es war das erste Mal, dass die AfD einem Ministerpräsidenten ins Amt verhalf. Drei Tage später war er unter Druck zurückgetreten.

Merkel, die gerade auf Reisen war, hatte sich einen Tag nach der Wahl bei einem Staatsempfang in Südafrika zu Wort gemeldet. Bei einer Pressekonferenz mit dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa sagte sie, das Ergebnis müsse «rückgängig gemacht werden», zumindest die CDU dürfe sich nicht an dieser Regierung beteiligen. Außerdem sagte sie: «Es war ein schlechter Tag für die Demokratie.» Eine Mitschrift der Pressekonferenz stand zwischenzeitlich auf bundeskanzlerin.de und bundesregierung.de.

Frage der Neutralitätspflicht

Für die AfD haben Kanzlerin und Regierung ihre Neutralitätspflicht verletzt, und das will die Partei mit zwei Organklagen feststellen lassen. Bundessprecher Jörg Meuthen erklärte dazu im Juli 2020: «Wer als Regierungschefin während eines offiziellen Staatsbesuches die internationale Bühne benutzt, um das Ergebnis demokratischer Wahlen in Deutschland zu delegitimieren und ein Koalitionsverbot auszusprechen, missbraucht sein Amt und verletzt das Grundgesetz und die darin garantierte Chancengleichheit der Parteien.»

Kanzlerin und Bundesregierung argumentieren, Merkel habe sich als Parteipolitikerin an die CDU gerichtet. Auch die Veröffentlichungen seien gerechtfertigt gewesen, um den Staatsempfang zu dokumentieren. In Karlsruhe wird Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) erwartet.

Nicht die erste AfD-Klage

Die AfD hat in Karlsruhe schon erfolgreich gegen Innenminister Horst Seehofer (CSU) geklagt, weil ein Interview mit AfD-kritischen Passagen auf seiner Ministeriumsseite stand. Und Johanna Wanka (CDU) wurde in ihrer Zeit als Bildungsministerin dafür gerügt, dass sie in einer Ministeriums-Mitteilung die «Rote Karte» für die AfD gefordert hatte. Nach diesen Urteilen dürfen Politiker zwar öffentlich Kritik an der AfD üben. Sie müssen aber das Gebot staatlicher Neutralität wahren, wenn sie sich in ihrer Rolle als Regierungsmitglied äußern.

Offen war kurz vor der Verhandlung noch die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch, das die AfD am 9. Juli gegen die zuständigen Richterinnen und Richter eingereicht hatte. Begründet wurde dies mit einem Besuch einer Delegation des Gerichts im Bundeskanzleramt mit gemeinsamem Abendessen am 30. Juni. Möglicherweise wird die Entscheidung darüber erst zu Beginn der Sitzung bekanntgegeben.

Bildquelle:

  • Bundeskanzlerin Angela Merkel: dpa

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