von JULIAN MARIUS PLUTZ
FRANKFURT/M. – Was für die einen Werbung ist, ist für die anderen ein Desaster der besonderen Art. Am vergangenen Freitag fand der Jewrovision in Frankfurt statt. Die Veranstaltung bietet eine gute Möglichkeit, junges, lebendiges jüdisches Leben in Deutschland kennenzulernen. Seit dem Jahr 2002 veranstalten deutschlandweit verschiedene Jugendzentren den Wettbewerb. Da Frankfurt im vergangenen Jahr gewann, fand die diesjährige Show in der hessischen Metropole statt. Im nächsten Jahr duellieren sich die Jugendlichen dann in Berlin.
Da die Eigenschaft lebender Juden ist, dass sie sich gegebenenfalls wehren, bevorzugen nicht wenige Deutsche tote Juden… Mir ist die Schärfe und Brutalität dieses Satzes bewusst, doch ich komme nicht umhin, diesen immer wieder zu betonen. “Deutsche lieben Juden als Stolpersteine”, sagte einmal ein lieber Freund. Da ist sicherlich etwas dran. Mir und vielen anderen bereitet es Unbehagen, der zum Ekel wird, wenn ausgewachsene Deutsche ohne Bezug zum Judentum monatlich die Toten von Auschwitz-Birkenau in ihren Twitterprofilen posten, als wäre damit irgendetwas erreicht, außer dass ihr unmaßgebliches Gewissen auf nekrophiler Art befriedigt ist.
“Frau Roth, wir wollen Sie hier nicht!”
Auch die Jungs und Mädels beim Jewrovision in Frankfurt wehrten sich, als die Staatssekretärin für Kultur, Claudia Roth (Grüne), die Bühne betrat. Die Menge pfiff sie lautstark aus, so laut, dass die Politikerin ihre Rede unterbrechen musste. Mit wilder Gestik aus der Kategorie “kruder Ausdruckstanz” reagierte sie in der typischen exaltierten Roth-Art: “Das ist Demokratie!”, rief sie den wütenden Jugendlichen entgegen. “Und ich nehme die Kritik an! Weil wir eine starke und bunte und mutige Demokratie sind!”.
Und in der Tat. Gerade diese Jugendliche sind mehr als Fridays for Future, Klimakleber und die grüne Angstmaschinerie. Die Jungs und Mädels bastelten für ihren Protest Schilder, auf denen eindeutige Botschaften standen: Slogans wie “Frau Roth, wir wollen Sie hier nicht”, oder “Kein Platz für Antisemitismus” dürften auch an der Staatsekretärin nicht vorbeigegangen sein. Ich muss gestehen, dass mich diese Aktion rührt. Nicht weil es Juden sind, oder weil es gegen Claudia Roth geht. Sondern, weil eine Jugend sichtbar wird, die fernab irrer, woker Forderungen eine klare Botschaft an die Grünen-Politikerin sendet: “Wir dulden keine Freunde von Judenfeinden.”
Das Documenta-Desaster der Staatssekretärin
Wie freundlich Frau Roth Antisemiten gesinnt ist, zeigt der Fall der Documenta deutlich. Als bereits die Vorwürfe der Judenfeindlichkeit im Raum standen, betonte sie in der Süddeutschen Zeitung, dass die Ausstellung “Ein Anlass zur Freude” sei. Sie schwärmte von der Konfrontation mit der “Perspektive des globalen Südens”. Man müsse zur Kenntnis nehmen, „was in anderen Regionen Realität ist“ und wie dort über die koloniale Vergangenheit gesprochen und diskutiert werde.
Das einzige, was man bezüglich des “globalen Südens” in diesem Kontext zur Kenntnis nehmen muss, ist, dass sich die antisemitischen Stereotype nicht von den heimischen Damen und Herren unterscheiden. Hakennase, große Ohren, fletschende Zähne, SS-Symbolik. Nichts Neues hinter der Sonne. Für Frau Roth ist das kein Grund zur Panik. Erst als der mediale Druck groß und größer wurde und sogar die regierungskonforme Jüdische Allgemeine mit ungewohnt scharfen Tönen den Rücktritt der Politikerin forderte, distanzierte sich Roth von der Ausstellung. Viel zu spät, fanden auch die Jugendlichen in Frankfurt.
Diese Jugendlichen geben Grund zur Hoffnung
Roths Nähe zu Judenfeinden ist nicht neu. Als der Bundestag die BDS-Bewegung (boycott, divestment und sanctions) völlig zurecht als antisemitisch verurteilte, distanzierte sich die Grünen-Politikerin, übrigens ebenso wie ihr Kollege Jürgen Trittin, von dieser Resolution. Egal, wenn es etwas gegen lebende Juden zu tun gibt, viele der Grünen sind dabei. In einem Hintergrundgespräch berichtete mir ein Aktivist von “Fridays for Future”, dass die Bewegung ein großes Antisemitismusproblem habe und viele, die das anders sehen, sich von den Aktivisten distanzieren. Mit Claudia Roth finden sie eine würdige Anführerin. Jeder Tag, an dem diese Frau noch Teil dieser Regierung ist, ist für die Ampel ein Tag der Schande. Ein Rücktritt ist unausweichlich.
Und so ist die Aktion der Jugendlichen im Rahmen des Jewrovision echte Werbung für die Veranstaltung. Hier wird Pluralität und kritischer Austausch, jenseits linkswoker Narrative, noch gelebt. Diese Generation ist viel besser als ihr Ruf. Wahrscheinlich sind sie viel besser, als wir Erwachsene das wahrhaben wollen. “Nichts ist so schlimm, wie wir fürchten und nichts ist so gut, wie wir hoffen”, sagte einmal Theodor Herzl, der Begründer des politischen Zionismus, der den Weg in den Staat Israel ebnete. Vielleicht hatte er ja dieses eine Mal unrecht gehabt. Vielleicht zeigt uns diese Jugendliche, dass der Widerstand gegen den linken Antisemitismus doch so gut ist, wie wir uns das erhoffen.
Bildquelle:
- Claudia Roth: dpa