von DIETRICH KANTEL
Im Siebengebirge vor den Toren Bonns thront auf dem Petersberg, 275 Meter über dem Rhein, das renommierte „Steigenberger Grandhotel & Spa Petersberg“. Das bekannte Luxushotel dient der Bundesrepublik als Gästehaus für internationale Konferenzen und Staatsbesuche. Jetzt ist bekannt geworden, dass ein chinesischer Konzern die 118 Steigenberger-Hotels weltweit und damit auch die erste Adresse der deutschen Bundesregierung übernimmt.
Seit über 100 Jahren genießen Gäste das atemberaubende Panorama der 1912 von „4711“- Fabrikant Ferdinand Mühlens errichteten Nobelherberge: nördlich der Blick bis zum Kölner Dom, südlich bis in die Windungen des Mittelrheintals. Großbritanniens Premier Lord Chamberlain residierte hier 1938, als er mit Hitler über die Tschechoslowakei verhandelte.
Von 1949 bis 1952 war das Hotel Sitz der „Hohen Alliierten Kommission“ und ab 1954 wohnten hier die Staatsgäste der Bundesrepublik: Äthiopiens Kaiser Haile Selassi war der erste; die Queen wohnte hier 1965 anlässlich ihres ersten Staatsbesuches in Deutschland. Oder auch Kreml-Chef und Auto-Narr Leonid Breschnew. Der zerlegte in den Serpentinen der Hotelzufahrt sogleich den ihm geschenkten Mercedes S-Klasse persönlich.
Nach Jahren als Mieter kaufte 1978 der Bund das gesamte Anwesen für 17,5 Millionen DM. Seither steht die Immobilie im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland (über die bundeseigene „Gästehaus Petersberg GmbH“). Seither ist es das Gästehaus der Bundesregierung sowie aller Verfassungsorgane. Der eigentliche Hotelbetrieb wurde über die Jahrzehnte an wechselnde Hotelketten vergeben. Seit einer umfassenden Modernisierung des Gebäudes durch den Bund (Kosten:137 Millionen DM) betreibt die „Deutsche Hospitality“ Hotelgruppe (Marke „Steigenberger) als Pächter das Luxushotel. Der Bund hat sich weiterhin Nutzungsrechte, gewissermaßen als „Gästehaus light“, vorbehalten und übt diese Nutzung von Fall zu Fall weiterhin aus. Erst 2019 wurde der Komplex erneut auf Steuerzahlerkosten für 40 Millionen Euro modernisiert. Das Pacht- und Betriebsverhältnis mit der Deutschen Hospitality wurde verlängert.
Jetzt ist die Deutsche Hospitality (Steigenberger, MAXX by Steigenberger, Intercity Hotel, Jaz in the City, Zleep Hotels) mit ihren 118 Hotels in die Hände chinesischer Eigentümer gelangt. Und damit auch das Gästehaus des Bundes bei Bonn, der Bundesstadt, die immer noch sechs Bundesministerien beherbergt und den zweiten Amtssitz des Bundespräsidenten. Erwerber der Hotelgruppe ist ein Branchenriese: Die chinesische Huazhu Group Limited, vormals firmierend als China Lodging Group mit Konzernsitz in Shanghai. Huazhu (eigenen Angaben zufolge 5429 Hotels in 400 Städten und Nummer 9 in der Welt) hat sich die Übernahme 700 Millionen Euro kosten lassen.
Damit setzen chinesische Unternehmen, private, halbstaatliche oder staatliche – letztere de facto im Eigentum der Kommunistischen Partei Chinas – den Aufkauf deutscher Marken-Ikonen eindrucksvoll fort. Allein 2018 kauften chinesische Investoren in Deutschland Unternehmensanteile oder gleich ganze Unternehmen für über 10 Milliarden US-Dollar. Sie zielen vorzugsweise ab auf Branchen-Champions, wie in der Vergangenheit etwa Know-How-Träger KUKA für 4,6 Mrd. Euro (Industrieroboter) oder KrausMaffei für eine Mrd. Euro (Maschinen); und steigen z.B. ein bei Mercedes-Daimler, wie der Gründer des Konkurrenten Geely, Li ShuFu. Der ist bei dem Stuttgarter Autobauer mit 10% jetzt der größte Anteilseigner. Dass das Absaugen von Know-How damit vorgezeichnet ist, ist allseits kein Geheimnis. Nur sehr zögerlich keimt bei der Bundesregierung Sensibilität für diese aggressiven chinesischen Übernahmestrategien, die von unverhohlenen Aktivitäten der Industriespionage, dirigiert aus Peking, flankiert werden.
Zurück zum Fall Steigenberger. Natürlich droht bei der Übernahme dieser Traditionsmarke kein Know-How-Klau. Doch hat es mehr als nur Geschmäckle, wenn nicht auszuschließen ist, dass die chinesischen Betreiber aus Peking genötigt werden könnten, auf „Abläufe“ im Gästehaus der deutschen Regierung clandestine Einfluss zu nehmen. Solche Befürchtung entspringt keineswegs verschwörungstheoretischen Phobien. Denn wie sich die kommunistische Führung in Peking notfalls auch chinesische Privatunternehmen zu Willen macht, hat zuletzt das Beispiel des derzeit zweitreichsten Multimilliardärs und ALIBABA-Gründers Jack Ma eindrucksvoll gezeigt. Nachdem dieser sich wiederholt zaghaft regierungskritisch äußerte, war er 2020 plötzlich über Monate von der Bildfläche verschwunden. Als er erstmalig wieder öffentlich auftrat, verband er das mit einem demütigen Kotau vor der Pekinger Staatsführung.