von DR. PATRICK PETERS
Was war das für ein Aufschrei: VW ein Diesel-Betrüger! In großem Stile haben Ingenieure und Management offenbar Abgaswerte manipuliert, den gerade beim deutschen Autofahrervolk so beliebten Diesel in schweren Misskredit gebracht und das Unternehmen erheblichen Sanktionen ausgesetzt. In den USA hat sich Volkswagen mit zahlreichen Klägern geeinigt und zahlt umgerechnet rund 22 Milliarden Euro, und hierzulande verurteilen die Richter den Konzern oder seine Händler mehr oder weniger täglich zur Rücknahme der manipulierten Autos.
Und jetzt ist die sogenannte Abgasaffäre bei Daimler angekommen. Der Konzern ist mit seiner Premiummarke Mercedes-Benz so etwas wie die deutschen Kronjuwelen der Automobilwirtschaft. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit möglichen Abgas-Manipulationen bei Dieselfahrzeugen des schwäbischen Autobauers aufgenommen. Es gehe um einen Anfangsverdacht auf Betrug durch Manipulation von Schadstoffwerten sowie strafbare Werbung, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Was vielleicht anfänglich „nur“ nach ein paar harmlosen Tricksereien von Autoherstellern aussah, um den Absatz ihrer Fahrzeuge anzukurbeln, hat sich zu einem handfesten und durchaus unappetitlichen Skandal ausgeweitet. Mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Kapitalmärkte.
VW hat seit März 2015 im Zuge des aufkommenden „Dieselgate“ fast die Hälfte seines Börsenwerts verloren und rangierte zeitweilig bei unter 100 Euro pro Aktie; das hatte es zuletzt 2010 gegeben. Auch die Dividendenzahlungen sanken stark, und bis 2023 sollen allein in Deutschland 23.000 Arbeitsplätze bei der Kernmarke VW wegfallen.
Die Auswirkungen bei Daimler und Mercedes-Benz sind noch nicht zu ermessen. Bislang haben die Börsen besonnen auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart reagiert – aber wird das so bleiben? Wie wird sich der Unternehmenswert entwickeln? Und was heißt das für Arbeitsplätze und Zulieferer? Überdies gilt: Ein Daimler-Dieselgate wird der Reputation der deutschen Automobilwirtschaft als einem der leistungsstärksten und wichtigsten Bereiche der heimischen Volkswirtschaft noch einmal nachhaltig schaden. Und das in einer Zeit, in der Deutschland ökonomisch bei immer ruppiger werdenden Rahmenbedingungen noch sehr gut da steht, woran die Automobilwirtschaft einen nicht unerheblichen Anteil hat.
Man kann es nicht anders sagen: Mitarbeiter, Lieferanten, Banken, Aktionäre etc. leiden unter den Vergehen der Automobilmanager ganz erheblich, und die Verursacher der Skandale gefährden die Stabilität des Wirtschaftsstandorts. Hierbei wird viel von dem aufs Spiel gesetzt, was sich Deutschland im Laufe der Jahre und Jahrzehnte erarbeitet hat: nämlich ein verlässlicher, von Sorgfalt und auch einer gewissen vertrauenswürdiger Betulichkeit angetriebener Handelspartner zu sein. Das Bild hat schwere Kratzer bekommen.
Bildquelle:
- Autobauer: dpa