von KLAUS KELLE
WETZLAR – Was haben die langjährigen CDU-Abgeordneten Hans-Jürgen Irmer (Lahn-Dill-Kreis) und Sylvia Pantel (Düsseldorf), der frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen (CDU), der frühere Vizeadmiral der Bundesmarine Kay-Achim Schönbach (CDU), der frühere Springer-Manager Christian Nienhaus (CDU) und ich gemeinsam? Sie ahnen es: Wir sind alle voll Nazi.
Jedenfalls in den Augen eines augenscheinlich weniger gebildeten Teils der Gesellschaft, der zumindest bei leichter Differenzierung so hilflos ist, dass er nur noch den (vermeintlich) großen Hammer kreisen lassen kann.
„Vermeintlich“ deshalb, weil die „Wetzlarer Neue Zeitung“ zwar die Lokalzeitung in Mittelhessen ist, aber im Kerngebiet mit rund 27.000 verkauften Exemplaren am Tag nun ganz sicher nicht mehr das Maß aller Dinge. Das waren vor 20 Jahren übrigens mal rund 85.000, aber der Lack ist ab, wie man in meiner Heimat sagt, bei der Neuen Zeitung – nicht zu verwechseln übrigens mit dem Neuen Deutschland. Die haben deutlich mehr Leser.
Also die WNZ widmet unserem Schwarmtreffen nahezu eine ganze Seite und ist empört. Da treffen sich 300 Menschen aus ganz Deutschland zu einem offenen Meinungsaustaus über verschiedene Themen, und – stellen Sie sich das bloß mal vor – die werden dazu gar nicht eingeladen. Haben wir tatsächlich nicht, weil wir wussten, was für ein Schmierenjournalismus dabei herauskommt. Diese Leute wollen nicht zuhören, was wirklich besprochen wurde, sie wollen Meinungsmache betreiben und bei ihren Lesern Hass schüren gegen Menschen, die zum Beispiel den Kurs der Ampel-Regierung als desaströs empfinden.
Der Artikel ist kaum Wert, auch nur ignoriert zu werden. Die WNZ hat ganz offenbar nicht die geringste Ahnung, was da in der schönen Stadthalle wirklich stattgefunden hat. Der Schmähartikel strotzt von Fehlern, da werden Leute für angebliche Missetaten gegeißelt, die in Wetzlar gar nicht dabei waren. Die Schreiberlinge, Journalisten kann ich die Herrschaften nicht nennen und „Kollegen“ schon mal gar nicht, haben einen zerknüllten Flyer mit dem früher mal geplanten Programm und der Rest ist nichts als bunte Prosa und hanebüchener Unsinn.
Ich meine, bevor man so einen Artikel schreibt, könnte man doch zumindest den Veranstalter anrufen und mit ihm sprechen, oder? Habe ich so gelernt in meiner Ausbildung zum Redakteur 1982 bis 1944. Heute hat man keine Ahnung aber Haltung! Jürgen Linker, heißt der Mann bei der WNZ, der sich heute in einem „Kommentar“ vornehmlich an seinem Lieblingsfeind Irmer abarbeitet, dass es fast schon peinlich ist. Da ist der Name wohl Programm. Er soll auch bestens bekannt sein mit diesem ungehobelten und ungepflegten Videokameraträger, der immer wieder Teilnehmer des Schwarmtreffens vor der Halle bedrängte. Und da wird dann eine Frau im Internet vorgeführt, die arglos vor sich hinredet, und dann noch ein bisschen – uhuhuuuuu – Rechtspopulismus und eine Prise – grusel, grusel – AfD, und die grün-rote Suppe ist angerichtet.
Ach ja, die AfD…
Frank-Christian Hansel, AfD-Parlamentarier im Berliner Abgeordnetenhaus, saß freitagabends auf dem Podium einer Diskussion über die Frage: „Braucht Deutschland eine bürgerliche Partei zwischen AfD und Union?“ Das war eine Frage, über die diskutiert wurde. Das ist alles.
Sie wurde auch nicht final beantwortet, es wurde nur drüber geredet, in welchem Zustand CDU und AfD sind. Und wen lädt man dann ein? Richtig! Jemanden von der CDU und jemanden aus der AfD! Und ganz schlimm: sogar noch eine frühere AfD-Abgeordnete, die ausgetreten ist.
Bei so viel Meinungs- und Gedankenfreiheit muss man sich Sorgen um den linken Herrn Linker machen, nicht dass er noch an Herzrasen erkrankt.
Der ein oder andere Teilnehmer überlegt heute, ob er juristisch gegen diese Art des Schmierenjournalismus vorgehen soll, oder ob die WNZ dafür viel zu unbedeutend ist. Hans-Jürgen Irmer hat sein Abo heute Morgen gekündigt. Gut so, sind es halt nur noch 26.999, aber die Entwicklung verläuft in die richtige Richtung.
Im Schmähartikel wird natürlich auch gegen mich als Veranstalter gekeilt. Und da ein Miniportal namens „Eule“ zitiert. Nicht die „Washington Post“, aber nun gut. Die waren Stichwortgeber für eine frühere Berichterstattung über den Schwarm, wo ein Schreiber einer zurecht als links geltenden Gazette erfolglos versuchte, mich zu erreichen und dann am Eröffnungstag des Schwarms einen Vierspalter veröffentlichte und einfach die „Erkenntnisse“ der linken „Eule“ abschrieb. Qualitätsjournalismus par excellence, oder?
Und wie das dann weitergeht?
Kurz darauf stellt jemand den Text aus der Tageszeitung bei wikipedia ein. Inhalt ist aber von der „Eule“, die zurecht niemand von Ihnen kennt. Darin wird behauptet, ich verstünde mich als Scharnier zwischen Union und den Rechten. Was hanebüchener Unsinn ist. Ich habe so etwas nie gesagt, und ich denke auch nicht so.
Aber nun steht es da und jeder Journalist, der aus wikipedia abschreiben will, was er braucht, wird da fündig – der Kelle ist auch ganz doll rechts. Die Wahrheit ist: Nicht ich habe mich von der CDU entfernt, die Merkel-CDU hat sich von mir und Hunderttausenden in der Union und Millionen Wählern entfernt, die heute bei der AfD ihr Kreuz setzen oder sich ins Private zurückziehen. Schauen Sie bloß auf die Wahlbeteiligung zuletzt…
Ja, ich spreche mit AfD-Politikern. Und wie bei den anderen Parteien gibt es da exzellente und auch unterirdische, die ohne Diäten ihr Geld auf irgendeinem Rummel mit einer Würstchenbude verdienen müssten. Aber die Abzocker, die Faulen und gelegentlich auch Landesverräter gibt es quer durch die Parlamente. Ist halt Demokratie hier. Frank-Christian Hansel ist ein klasse Typ, einer, der es in seiner Fraktion nicht leicht hat, aber der weiß, wie es funktioniert in der realen Politik. Der sein Land liebt und als homosexueller Mann selbst der letzte ist, der ein Problem mit einer offenen Gesellschaft hat. Früher war er in der SPD aktiv. Aber alles böse rechte Verschwörer jetzt, haben das Wetzlarer Lokalblättchen und ein unverschämter Videoartist aufgedeckt…
Es ist ja eine lange Entwicklung, wenn Sie – wie ich – als 16-Jähriger politisch aktiv geworden sind. Ich habe alles durch, die Schüler Union, die Junge Union, den RCDS, als Azubi die CDA, als erwachsener Mensch bis heute in der MIT. Ich kenne das alles, Plakate kleben nachts im Regen, Flugblätter verteilen vor der Schule morgens, angepöbelt und ausgepfiffen zu werden im Bielefelder Audimax als RCDS-Spitzenkandidat fürs Studentenparlament. Und bis Frau Merkel kam, warum, wie und von wem auch immer, war die Union unumstößlich meine politische Heimat, fast eine Familie. Die meisten meiner auch heute noch besten Freunde kenne ich aus unserer JU-Zeit. Buddies for life, sagt der Großstädter dazu.
Aber nun geht es nicht mehr so einfach. Natürlich gibt es auch in der CDU und in der CSU heute noch wunderbare, engagierte und anständige Menschen, deren Freundschaft ich nicht missen möchte. Aber je älter ich werde, je mehr ich Tag für Tag in diesen Irrsinn eintauche, den wir selbst zu verschulden haben durch jahrelanges Desinteresse, durch untätige Larmoyanz – desto mehr weiß ich, dass es so nicht weitergehen kann. Wetzlar war geplant als ein Schwarm-Treffen wie in den Jahren davor. Nette Leute treffen, Gleichgesinnte, gute Vorträge hören, miteinander reden und streiten, gut essen und trinken. Aber Wetzlar war in Wirklichkeit ganz anders, vielleicht wird es später mal in irgendeinem FAZ-Artikel in einem Nebensatz erwähnt als der beginnende Anfang von etwas Neuem – wenn es die FAZ dann überhaupt noch gibt. Die Wetzlarer Neue Zeitung gibt es dann bestimmt nicht mehr.
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Bildquelle:
- Wetzlarer_Neue_Zeitung: dpa