Die Frage nach dem höheren Zweck: Der „Purpose“ eines Unternehmens ist keine weiche Spielerei

Das eigene Bankkonto allein ist häufig nicht mehr Antrieb für ein erfülltes Berufsleben.

von PROF. DR. PATRICK PETERS

BERLIN – Viele Umfragen und der Blick in die unternehmerische Praxis zeigen es deutlich: Typische Karrierefaktoren wie stetig steigendes Gehalt, Firmenwagen, eigenes Büro und Co. spielen für jüngere Generationen keine sonderlich große Rolle mehr. Aber was wollen sie dann? Was erwarten die Generationen X, Y und Z vom Berufsleben und ihrer eigenen Tätigkeit?

Das Schlagwort ist Purpose! Kurz gesagt steht der Purpose-Begriff für den höheren Zweck, der im Sinne der wertorientierten Unternehmensführung deutlich über die reine Gewinnorientierung hinausgeht. Das Purpose-Konzept soll die Frage nach dem Warum beantworten: Warum existiert dieses Unternehmen? Warum sollten sich Kunden für das Unternehmen interessieren? Warum sollten Mitarbeiter dort arbeiten? Warum sollen Mitarbeiter kontinuierlich motiviert sein und sich für das Unternehmen einsetzen? Der renommierte Kasseler Professor Christian Klein, Fachgebiet Nachhaltige Finanzwirtschaft, schreibt dazu in einem Beitrag: „Wir wissen aus der Forschung längst, dass die Generation Y sich nicht mehr nur mit Geld locken lässt. Die Nachwuchskräfte mit Potenzial suchen verantwortungsvolle Tätigkeiten, echten Sinn und einen Arbeitgeber, der ihre Anschauungen teil.“

Das geht mit einem generellen Paradigmenwechsel in der Wirtschaft einher. Damit verschiebt sich das Wertegerüst von Organisationen: Betriebswirtschaftliche Parameter wie Umsatz oder Gewinn sind als Unternehmenszwecke zweitrangig geworden. Im Fokus steht, dass sich Unternehmen einem „großen, manchmal sogar ehrenvollen Sinn“ (Dominic Veken) widmen.

Für viele Menschen klingt das schnell nach simpler Ratgeberliteratur unter dem Motto Folge deinem Herzen. Das ist damit aber nicht gemeint. Denn Unternehmen, die die Purpose-Orientierung ihrer Mitarbeiter ernst nehmen und sich selbst einem echten Zweck verschreiben, sind nachweislich erfolgreicher. Das haben die Ökonomen Claudine Gartenberg, Andrea Prat und George Serafeim bewiesen („Organization Science“ 30/2019): Purpose-orientierte Unternehmen weisen eine systematisch höhere zukünftige Bilanzierungs- und Börsenleistung auf, und die werteorientierte Ausrichtung wird von der Mehrheit der Mitarbeiter getragen.

Ein Beispiel dafür ist die Großbank BNP Paribas. Das Institut 2018 entschieden, konsequent Branchen wie Fracking, Kohle und Tabak zu deinvestieren, dafür Investments in Erneuerbare Energien zu stärken und Finanzprodukte unmittelbar mit bestimmten Zwecken zu verbinden. Darauffolgend hat die Bank einen Zuwachs auf Kundenseite von 37 Prozent erlebt. Gene Cornfield schreibt: „Unternehmen übertreffen ihre Konkurrenten in Bezug auf Wachstum, Rentabilität, Differenzierung, Kategorieführerschaft und langfristige Loyalität von Kunden und Mitarbeitern deutlich, wenn sie die drei Zielebenen – Unternehmens-, Marken- und Kundenziele – berücksichtigen und dann ihre Produkte, Mitarbeiter, Prozesse, Richtlinien, Technologien, Abläufe und Kennzahlen so optimieren, dass sie Erlebnisse bieten, die auf diese Ziele ausgerichtet sind.“ („Harvard Business Review“ 05/2021)

Die „Kienbaum Purpose Studie“ zeigt: „Die Einführung eines wertvollen Unternehmenspurpose veränderte die Mitarbeiterzufriedenheit in Dreiviertel der befragten Unternehmen zum Positiven. Somit hilft ein offizielles Bekenntnis zum Purpose zwar nicht unmittelbar bei der Bewältigung des Tagesgeschäfts, doch wir sehen, dass ein klar formulierter Purpose gemeinsam mit einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit auftritt.“ Und Prof. Dr. Walter Jochmann, Managing Director bei Kienbaum, betont dazu: „Purpose als Hype abzutun, kann die Zukunftsfähigkeit einer Organisation beeinflussen. – Talente werden einen greifbaren Unternehmenspurpose einfordern.“

Unternehmen tun also gut daran, in ihrer Strategie auch über solche vermeintlich weichen Themen nachzudenken. Es mögen noch immer Menschen über Wertemanagement und übergeordnete Zwecke in und von Unternehmen lachen, und mancher Manager wird diese Aktivitäten für nutzlos ansehen und meinen, das Geld könne man genauso gut zum Fenster hinauswerfen. Wer 2021 noch so denkt, sollte sich über einen harten Aufprall nicht wundern. Denn es kann sein, dass er bald allein ist, weil Mitarbeiter und Kunden das Unternehmen wählen, mit dessen Zweck sie sich wirklich identifizieren können.

Bildquelle:

  • Freiheit_Frau: pixabay

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