Drogen für die Demokratie? Es hilft auch, manche Zeitungen nicht mehr zu lesen

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

das einst konservative Intelligenzblatt der Konservativen und Unternehmer in Deutschland war die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Die Älteren von Ihnen werden sich vielleicht erinnern.

Eben diese FAZ stellte jetzt die Frage, ob nicht eine Legalisierung von Drogen unsere Demokratie stärken könnte. Ohne den Artikel gelesen zu haben war mein erster Impuls: Ja! Eine wirklich bedenkenswerte Idee, denn wenn wir alle angenehm bedröhnt sind, können wir die vielen widersprüchlichen Maßnahmen unserer Bundesregierung in der Corona–Politik vielleicht ein Stück weit besser ertragen.

Also ich bin gerade – wie Sie wissen – mit meiner Familie auf dem Weg in einen kurzen aber, glauben Sie mir, notwendigen Urlaub. Einfach mal raus, dem Irrsinn entfliehen, den Kopf durchlüften, etwas Sonne tanken. Und da bin ich ja nicht allein, denn vor Corona waren wir Deutsche eine freie, offene Gesellschaft und neben dem Titel des Exportweltmeisters auch Reiseweltmeister.

Wann immer ein Busunglück in den südamerikanischen Anden passierte oder eine Fähre in Südostasien havarierte, immer waren mindestens zwei Deutsche mit an Bord. Für die CO2-Bilanz mag das bedauerlich gewesen sein, aber die Erfahrungen, die unsere Mitmenschen aus fernen Ländern mitbrachten, waren immer eine Bereicherung. Weltanschauung kommt von „sich die Welt anschauen“.

Unsere aktive Reisetätigkeit hat uns immer mit neuen Ideen und Gedanken konfrontiert, die unsere Gesellschaft, unsere Art zu leben und zu handeln, bereichert haben. Seien es kulinarische Eindrücke, die wir mitbrachten, seien es Eindrücke von unterschiedlichen Sprachen und Kulturen: es hat die Perspektive auf unser Land verändert und erweitert. Seit 18 Monaten war diese Reisetätigkeit stark eingeschränkt. Wir erfahren wenig aus Ländern wie Indien, Neuseeland oder Thailand. Länder, die bis vor kurzem immer auf unserer Agenda standen, nur ein paar Flugstunden entfernt, sind plötzlich weiter entfernt als jemals zuvor. Eine noch bis vor kurzem eng verwobene Welt ist plötzlich wieder auseinandergerückt. Das bringt uns nicht nur um persönliche Eindrücke, sondern es behindert auch den Austausch von Gedanken, Ideen und Innovationen, die unser Land doch immer mit vorangebracht hat.

Doch viele von uns vermissen neben fremden Ländern in der Pandemie auch all die anderen persönlichen Kontakte. Natürlich haben wir über Skype, Zoom und Teams auch geschäftlich mit unseren Partnern in anderen Ländern verkehren können, doch die persönliche Beziehung, der Wein oder das Bier bei Geschäftsessen, der aus einer rein beruflichen eben auch eine menschliche Beziehung gemacht hat, ist entfallen.

Warum erzähle ich Ihnen das, wenn ich an den FAZ-Artikel denke, in dem uns allen Ernstes Drogen empfohlen werden, um „die Demokratie zu stärken“? Das ist in etwa so intelligent, als würde man Fahrradfahren für ein besseres Klima oder Gendersprech als ein wichtiges Werkzeug zur Erlangung der Gleichberechtigung der Frau ansehen. Die es aber eigentlich längst gibt.

Also ich sitze in einem kleinen Gasthof nahe der österreichischen Grenze, gleich geht es mit der Familie im Neunsitzer weiter nach Kroatien, wo es 35 Grad und Sonne haben soll, während es hier regnet und ein wenig trübe ausschaut. Gleich frühstücken wir noch etwas, dann geht’s weiter, unsere Kinder fahren abwechselnd, ich sitze hinten mit einem Verband um den rechten Fuß, weil ich – Stammleser wissen es – gerade ein Aua habe. Brauche ich Drogen, um all das zu ertragen, was in den vergangenen eineinhalb Jahren in Deutschland passiert ist? Wahrscheinlich, aber ich nehme natürlich trotzdem keine. Einfach aufhören, die FAZ zu lesen, das reicht wahrscheinlich.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.