Erster Ministerpräsident hat sich gegen Corona impfen lassen – mit Astrazeneca

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident in Baden-Württemberg, wird gegen das Corona-Virus geimpft. Foto: Marijan Murat/dpa

von HENNING OTTE

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann  (Grüne) hat sich als erster deutscher Regierungschef gegen das Coronavirus impfen lassen. Der 72 Jahre alte Grünen-Politiker erhielt am Freitag in Stuttgart eine Spritze mit dem gerade wieder zugelassenen Impfstoff von Astrazeneca. Kretschmann wollte seine Impfung auch als Werbung verstanden wissen: «Das Zeichen soll sein: Haben Sie Vertrauen, lassen Sie sich impfen.»

Astrazeneca sei ein sicherer und wirksamer Impfstoff, das habe die Europäische Arzneimittelagentur nach dem kurzzeitigen Stopp wegen der Prüfung von Nebenwirkungen bestätigt. Impfen sei die einzige Möglichkeit, die Pandemie «niederzukämpfen» und die Auflagen stärker lockern zu können, unterstrich Kretschmann.

Doch wegen der stark steigenden Infektionszahlen müssen sich die Menschen zunächst wieder auf härtere Auflagen einstellen. «Damit muss man rechnen, dass Dinge zurückgenommen und verschärft werden», sagte der Regierungschef kurz nach seinem Piks in der Stuttgarter Liederhalle, die zum Impfzentrum umfunktioniert wurde. Angesichts vieler Ansteckungen in Kitas und Schulen könne es zudem sein, «dass wir da auch was ändern müssen», sagte vor dem Bund-Länder-Treffen zur Corona-Politik am kommenden Montag. Es sei leider nicht so, dass Ostern entspannter als das jüngste Weihnachtsfest werde.

Der Regierungschef geht auch davon aus, dass es nicht dabei bleiben wird, dass Stadt- und Landkreise selbstständig über Öffnungen je nach Inzidenzen entscheiden können. Hier könne wieder die landesweite Infektionszahl auf 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen als Maßstab gelten. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz lag zuletzt um die 90. Kretschmann kündigte zudem an, Einwohner von Hotspot-Regionen müssten mit Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen rechnen. Es hänge jetzt viel davon ab, wie schnell man mehr impfen und deutlich mehr testen könne, «um risikoärmer öffnen» zu können.

Beim «Impfgipfel» mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den anderen Ministerpräsidenten wurde beschlossen, dass unmittelbar nach Ostern die Hausärzte routinemäßig in die Schutzimpfungen einsteigen sollen. Allerdings werde der Impfstoff im April immer noch knapp sein, heißt es im Beschlusspapier von Bund und Ländern vom Freitagabend.

In Baden-Württemberg wird im Rahmen eines Modellprojekts schon in einigen Praxen geimpft. Rund 40 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte verabreichten seit dem 8. März die Vakzine. Kretschmann sagte, es sei jetzt wichtig, dass von April an Haus-, Fach- und Betriebsärzte massenhaft impfen könnten. In Baden-Württemberg gebe es eine große Bereitschaft bei den niedergelassenen Ärzten zu impfen – bis zu 4000 Arztpraxen seien bisher dazu bereit.

Weil es im April noch nicht so viel Impfstoff gibt, sollen die etablierten Strukturen der Impfzentren und mobilen Impfteams zunächst erhalten bleiben. Dort solle weiter entsprechend der festgelegten Impfreihenfolge gespritzt werden, heißt es im Bund-Länder-Beschluss. In den Arztpraxen soll das lockerer gehandhabt werden, wie Kretschmann es gefordert hatte. Im Beschluss heißt es dazu: «Für die Impfungen in Arztpraxen gilt die Priorisierung (…) ebenfalls als Grundlage, die flexibel anzuwenden ist.»

Anders als fünf andere Grenzländer erhält Baden-Württemberg keine zusätzlichen Impfdosen aus dem deutschen Anteil der EU-Zusatzlieferung des Biontech-Impfstoffs. Zum Schutz vor dem Einschleppen mutierter Coronaviren aus Nachbarstaaten bekommen das Saarland und Rheinland-Pfalz wegen ihrer Grenze zu Frankreich, die an Tschechien angrenzenden Länder Bayern und Sachsen sowie Thüringen zusätzliche Dosen. Ein Regierungssprecher sagte der dpa, wenn sich die Lage etwa im Elsass weiter zuspitze, werde sich auch Baden-Württemberg um zusätzliche Impfdosen bemühen.

Kretschmann hatte sich zuvor erfreut gezeigt, dass Astrazeneca wieder zugelassen ist – auch weil dieser Impfstoff anders als andere nicht aufwendig gekühlt werden müsse. «Das ist ein wichtiger Baustein, damit wir an Tempo gewinnen.»

In Baden-Württemberg haben bisher etwas weniger als eine Million Menschen eine erste Impfung gegen das Coronavirus erhalten. Bei seiner eigenen Impfung am Freitagmittag ließ Kretschmann seiner Frau Gerlinde (73) den Vortritt. Beide sind wegen ihres Alters impfberechtigt.

Der Regierungschef entschuldigte sich dafür, dass es immer mal wieder Ärger um Impftermine gebe. Er verstehe den Frust, aber man könne von Baden-Württemberg aus wenig dagegen tun, dass zu wenig Impfstoff vorhanden sei. Er gehe fest davon aus, dass ab April der «Hochlauf» beginne.

Der Grünen-Politiker hatte am zweiten Weihnachtstag das Impfzentrum in Stuttgart eröffnet. Man habe damals gehofft, dass drei Monate später schon viel mehr Menschen geimpft seien. Es sei aber klar gewesen, «dass nicht alles glatt läuft». Man könne Gott dankbar sein, dass es so eine «segensreiche Erfindung» wie Impfstoffe gebe. «Denn wenn man dafür dankbar ist, wächst auch die Zufriedenheit.» Zuvor hatte er sich in den rechten Arm und seine Frau in den linken Arm spritzen lassen. Als sie das Impfzentrum verließen, nahmen sie sich an der Hand. Er reichte ihr seine rechte und sie ihm ihre linke.

Bildquelle:

  • Winfried Kretschmann wird geimpft: dpa

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren