von KLAUS KELLE
HELSINKI/KIEL/BERLIN – Die Aktivitäten russischer Fischtrawler und der Rostlauben der russischen „Schattenflotte“ beschäftigen die NATO-Anrainerstaaten der Ostsee seit Monaten intensiv. Heute Mittag ist ein Frachtschiff namens „Dolphin“ an Bornholm vorbeigefahren, das angeblich eine große Stahlladung des börsennotierten luxemburgischen Stahlkonzerns ArcelorMittal S.A. ins westfinnische Vaasa transportiert. ArcelorMittal hat seinen Sitz zwar in Luxemburg angemeldet, tatsächlich wird das 2007 aus der niederländischen Mittal Steel Company und der luxemburgischen Arcelor fusionierte Unternehmen jedoch aus London geleitet.
Vermutlich ein Zufall, dass am heutigen auf dem Hamburger Betriebsgelände des Stahlherstellers ein Feuerwehr-Großeinsatz ausgelöst wurde, weil 140 Tonnen Flüssigstahl ausgelaufen ist. Dabei gerieten eine Werkshalle, ein Gabelstapler und weitere Ausrüstung in Brand.
Doch zurück zur HAV „Dolphin“ und ihrer Fahrt nach Finnland
Am Donnerstag wird das Frachtschiff im Hafen von Vaasa erwartet.
Nicht nur skandinavische Geheimdienste haben es im Blick, auch der deutsche Verfassungsschutz (BfV) ist dran. Denn im Mai lag der Frachter schon einmal ungewöhnlich lange acht Tage vor dem Kieler Hafen, wurde aber auch bei früheren Besuchen in Kiel schon auffällig. Reedereien und Schiffseigner unternehmen normalerweise alles, damit ihre Schiffe in Bewegung bleiben. Jeder Liegetag bedeutet finanziellen Verlust. Die „Dolphin“ schien jedoch keine Eile zu haben. Aber: Unweit ihres Ankerplatzes in der Kieler Bucht befindet sich auch ein großer Stützpunkt der Bundesmarine.
Und dort registrierten die Sicherheitsbehörden in diesem Zeitraum 34 unbekannte Drohnen im Raum Kiel, Eckernförde, Flensburger Förde und Umgebung. Die Sicherheitsexperten sehen darin einen Zusammenhang mit der HAV „Solphin“ und anderen Schiffen der russischen Schattenflotte.
Als die Bundespolizei und die Wasserschutzpolizei Schleswig-Holsteins daraufhin anrückte und den Frachter kontrollierten, fanden sie…nichts. Keine Drohnen, keine verdächtigen Geräte. Auch bei einer weiteren Kontrolle in Rotterdam – nichts. „Das Ganze ist ein großes Missverständnis“, behauptet CEO Nico First von der norwegischen Betreibergesellschaft HAV Shipping.
Auch internationale Kritik an Wartungsarbeiten seines Frachters in der russischen Exklave Kaliningrad hält Fürst für unbegründet: „Wir führen alle Reparaturen und Wartungen selbst durch, kaufen keine Waren in Russland ein und löschen auch keine Ladung dort. Die Vorwürfe sind völlig unbegründet. Wir brechen keine einzige Sanktion.“ Alle sieben Besatzungsmitglieder des luxmburgischen Schiffes aus Norwegen waren bei der damaligen Kontrolle übrigens zufällig russische Staatsbürger.
Fest steht, dass Russland seit Jahresbeginn seine Spionage- und Sabotagetätigkeiten an den deutschen Küsten massiv ausgeweitet hat.
So bemerkte die Besatzung eines Schiffs der Bundespolizei 140 Kilometer vor Borkum einen Schwarm von sieben unbekannten Drohnen, der sie letztlich fast drei Stunden begleitet und beobachtet haben. Grund der Patrouille der Bundespolizei war, dass das Polizeischiff „BP 81 Potsdam“ unterwegs war, um einen russischen Tanker in der Nähe zu verfolgen und beobachten.
Gegenmaßnahmen konnten oder durfte das Bundespolizei-Schiff nicht ergreifen, weil Deutschland eben immer noch nicht begriffen hat, dass wir hybrid angegriffen werden.
Auch unbekannte Drohnen über Bundeswehr-Kasernen sind bisher nicht abgeschossen worden. Könnten wir das? Natürlich. Dürfen wir das? Nein, weil der politische Wille dazu auch unter der neuen Bundesregierung offensichtlich nicht vorhanden ist.
Gerade hat ein Prozess in Finnland gegen drei Besatzungsmitglieder des Tankers „Eagle S“ begonnen
Die Männer sind angeklagt, Ende 2024 Unterseekabel zwischen Finnland und Estland mutwillig beschädigt zu haben. Nach Überzeugung der Ermittler gehört die „Eagle S“ zur berüchtigten russischen Schattenflotte.
Am ersten Weihnachtsfeiertag 2024 hatten der Kapitän, der erste und der zweite Offizier schwere Schäden an dem unterseeischen Stromkabel „Estlink 2“ und mehreren Kommunikationskabeln verursacht, indem sie den Anker ihres Schiffes am Meeresgrund über eine Strecke von 90 Kilometern hinter dem Tanker hergezogen. Das konnte nachvollzogen werden, nachdem man eine kilometerlange Schleifspur und den Anker des Schiffes am Meeresboden entdeckte.
Die Reparaturkosten beliefen sich auf mehr als 60 Millionen Euro, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Die Beschädigung der Kabel habe eine „ernsthafte Gefahr für die Energieversorgung und die Kommunikation in Finnland dargestellt“.
Diese Fälle ließen sich um dutzende ähnlich gelagerte Vorkommnisse mühelos erweitern. So wiesen Reporter von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ lückenlos nach, wie russische Schiffe kritische Infrastruktur in Nord- und Ostsee ausspionieren. Neben innereuropäischen Gaspipelines und Stromkabeln werden auch die Offshore-Windparks in der Ostsee von russischen Spionen ausgespäht.
Mehr als 30.000 Unternehmen in den Staaten der Europäischen Union (EU) haben russische Beteiligungen. Viele offen, manche verdeckt. Die hybriden Angriffe Russlands in Ost- und Nordsee sind ein ernstes Warnsignal, diese Unternehmen eines nach dem anderen unter die Lupe zu nehmen. Und die Bundesregierung und ihre europäischen Partner in NATO und EU müssen die russischen Aktivitäten schnell und konsequent einschränken und am besten unterbinden. Dazu gehört die massive Beschränkung russischer Schiffsbewegungen in der Ostsee, dazu gehört viel mehr Beinfreiheit für die deutschen Geheimdienste und dazu gehört auch, dass unbekannte Drohnen über unseren Militärstützpunkten in Deutschland abgeschossen werden. Was hier passiert ist kein Spaß…
Bildquelle:
- HAV_Dolphin: vesseljoin.com