Estland ist zum Hort für Start-ups geworden

Die Skype-Niederlassung in Tallinn, Estland. Foto: Annika Haas
Tallinn – Der Baltenstaat Estland positioniert sich immer stärker als Heimat junger Start-ups – auch dank des Erfolgs des Internet-Telefondiensts Skype vor mehr als zehn Jahren. «Wir hatten Glück, dass Skype in Estland erfunden wurde», sagte der Fintech-Unternehmer Taavet Hinrikus, einer der ersten Mitarbeiter, der Deutschen Presse-Agentur in Tallinn. Der Erfolg von Skype, das 2011 für 8,5 Milliarden US-Dollar von Microsoft übernommen wurde, habe ein positives Umfeld für Firmengründungen geschaffen und Start-ups in Estland gesellschaftlich legitimiert.

2003 hatte Skype die erste öffentlich verfügbare Version seiner heute von mehr als 300 Millionen Menschen aktiv genutzten Software ins Netz gestellt. Auf dem Markt gebracht wurde sie von den zwei skandinavischen Firmengründern Niklas Zennström und Janus Friis. Technisch standen hinter der Telefonrevolution aber drei Programmierer aus Estland. In ihrer Heimat gelten sie als Volkshelden – und sind Vorbild für die blühende Start-up-Szene in dem kleinen EU- und Nato-Mitgliedsland im Nordosten Europas.

Nach Angaben der staatlichen Agentur «Startup Estonia» gibt es in der Ostseerepublik mit 1,3 Millionen Einwohnern derzeit gut 400 Start-ups. Sie beschäftigen insgesamt rund 2300 Mitarbeiter und haben 2015 mehr als 20 Millionen Euro an Beschäftigungsabgaben in den estnischen Staatshaushalt fließen lassen.

«Nachdem Skype entwickelt wurde, weiß jeder, dass man am Rande von Tallinn in einem alten sowjetischen Forschungsinstitut ein Stück Software entwickeln kann, das die Art und Weise verändert, wie wir alle kommunizieren», meint Hinrikus. Dies sei «inspirierend» für viele neue Gründer, die von einer ähnlichen Erfolgsgeschichte wie der vom wohl bekanntesten Digitalprodukt aus Estland träumen.

Für Estlands Ex-Präsident Toomas Hendrik Ilves, der während seiner Amtszeit die Förderung junger estnischer Unternehmen zur Chefsache machte, hat der Erfolg von Skype eine soziologische Bedeutung. Dass Esten die Technologie entwickelt hätten, habe sich positiv auf das Selbstbewusstsein der Nation ausgewirkt und junge Leute dazu motiviert, eine Karriere im IT-Sektor einzuschlagen.

Viele estnischen Start-ups haben eine Verbindung zu Skype oder Mitarbeiter, die früher dort tätig waren. Darunter ist etwa auch Starship Technologies der beiden Skype-Mitgründer Ahti Heinla und Janus Friis, deren Lieferroboter kürzlich in Pilotversuchen in Deutschland getestet wurden.

«Estland hat vor allem das, was man wirklich für Innovation braucht», meint der renommierte Wagniskapitalgeber Ben Horowitz, der einst Millionen in Skype und auch das auf günstigere Auslandsüberweisungen spezialisierte Start-up Transferwise investiert hat. Dazu gehörten neben Mentalität und Erfolgswillen auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und das regulatorische Umfeld. Estland biete hierbei gute Voraussetzungen.

Wie kaum ein anderes Land in der EU hat sich der nördlichste der drei Baltenstaaten dem digitalen Wandel verschrieben – in internationalen Rankings gehört Estland regelmäßig zu den führenden Ländern im E-Government. Der Zugang zum Internet gilt als Grundrecht, schon Erstklässler lernen in der Schule Programmieren. Auch sonst ist fast alles online regelbar – Laptop oder Mobiltelefon reichen aus.

Mit seinem eigenen 2011 gegründeten Unternehmen Transferwise sieht sich Hinrikus auf einem guten Weg. Inzwischen transferieren nach Firmenangaben gut eine Million Menschen mehr als 700 Millionen Euro im Monat mit Hilfe des Finanzdienstleisters über Grenzen hinweg. Das US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» bezeichnete Transferwise bereits als «Skype for cash».

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