Heute wäre Sophie Scholl 100 Jahre alt geworden – wir verneigen uns vor dieser großartigen jungen Frau

von MARTIN D. WIND

MÜNCHEN – Die deutsche Widerstandskämpferin Sophie Scholl hätte heute ihren 100. Geburtstag. Sophie Scholl das leuchtende Vorbild einer widerständigen Jugend gegen ein sich selbst ermächtigendes Regime, hoch verehrt und leider auch oft instrumentalisiert und politisch missbraucht. Sie gilt es zu ehren und nachzufühlen, was sie gewagt hat. Auch heute und in den nächsten 100 Jahren sollten wir an sie, ihren Bruder und einen Freund denken, die alles geopfert haben, um den Nationalisozialisten Herrschern zu zeigen: Es gab auch mutige Menschen, junge Menschen, aus dem Bürgertum, die sich dem Nazi-Horror widersetzten und nicht einfach zuschauen wollten, wie unser Land und fast die ganze Welt in den Abgrund stürzte.

Wie das Leben von Sophie Scholl und ihren Mitstreitern aus der Gruppe der „Weißen Rose“ endete, ist jedem bekannt. Sie wurden getötet, hingerichtet von einem barbarischen System. Heute schauen wir zurück und sagen: Das Unrechtsregime hat Sophie Scholl ermordet. Und diese Einschätzung ist im Rückblick richtig. Daher wird bis heute im Schulunterricht den Kindern erklärt, dass sich „solche Sachen“ wie „im Dritten Reich“ „nie widerholen dürfen“.

Doch was hat Sophie Scholl denn nun angetrieben, gegen das NS-Regime aufzubegehren? Sophie Scholl hat Widerstand gegen eine Regierung geleistet, die sich – begründet durch einen vorgeblichen Staatsnotstand – durch ein Ermächtigungsgesetz eine immense Machtfülle hatte zusprechen lassen. Sophie Scholl hatte Widerstand gegen diese Regierung gleistet, die mit dem Ermächtigungsgesetz ein diktatorisches und menschenverachtendes Regime errichtete, wie es das auf deutschem Boden vorher nie gegeben hatte und wie es das auf deutschem Boden hoffentlich nie wieder geben wird.

Eine Menschenverachtung, wie sie sich beispielsweise in der Unterscheidung und Selektion von Menschen in „gute“ Gesunde und „nichtlebenswerte Kranke“ zeigte. Nachdem Sophie Scholl die Predigten des katholischen Bischofs von Münster, Clemens August Kardinal Graf von Galen, gelesen hatte, der das Töten erbkranker und psychisch kranker Menschen, ohne Wenn und Aber verurteilte, begriff sie die ganze Dimension der Menschenfeindlichkeit des Regimes. Und so prangerten die Münchner Studenten auch die Verfolgung und Ermordung religiöser und ethnischer Minderheiten sowie die Ermordung ganzer Völker an. Dieses Eintreten für alle Menschen, resultierte unter anderem aus der Befassung mit katholischen Kirchenlehrern und Autoren der sogenannten „Renouveau catholique“ (Katholische Erneuerung). Sie sah sich einem christlich fundierten Menschenbild verpflichtet, das die individuelle Personalität des Menschen betont, das die Gewissensbildung und die Nächsten- sowie die Feindesliebe einfordert und das der Entindividualisierung von Menschen, die Gleichschaltung und das Einfügen in die politisch erwünschte Kohorte entgegensteht.

Es ist bis heute erstaunlich, dass eine junge Frau, die noch bis beinahe Ende der 30er Jahre als Führerin beim „Bund Deutscher Mädel“ (BDM) aktiv und begeistert mittat, einen solchen Sinneswandel durchmachen konnte. Noch erstaunlicher ist das, wenn man sich klarmacht, welcher permanenten regierungstreuen Propaganda die Menschen im Dritten Reich seitens der gleichgeschalteten Rundfunkanstalten und Zeitungen ausgesetzt waren. Obwohl diese ständige Indoktrination den Menschen erklärte, dass es etwas Gutes sei, abweichend denkende Mitmenschen zu bespitzeln und zu denunzieren und sie der barbarischen Behandlung durch die GESTAPO zu überantworten, hielt Sophie Scholl mit ihren Freunden dagegen. Sie stellten sich der Zerstörung des Rechtsstaates entgegen und forderten seine Wiederherstellung.

Wir verneigen uns vor solchen Menschen wie Sophie und Hans Scholl, Alexander Schmorell, Kurt Huber, Christoph Probst und Willi Graf, aber auch den Menschen des 20. Juli, diesen Verschwörern für ein besseres Deutschland. Sie zeigten uns, dass man irgendwann nicht mehr einfach zusehen darf, dass man seine Würde auch im Angesicht der Barbarei behalten kann und muss. Für dieses Land, für unser Land. Für Deutschland.

Sophie Scholl und ihre Mitstreiter haben ihren Mut mit dem Leben bezahlt. Dieser Blutzoll ist uns bis heute in der Bundesrepublik Deutschland, in unserer Demokratie, der grundgesetzlichen Verfasstheit und der Rechtsstaatlichkeit, eine Verpflichtung. Dieser Blutzoll ist es allemal wert, dass wir uns immer wieder daran erinnern, dass wir wachsam mit den Errungenschaften unserer Vorväter umgehen müssen, dass solcher Widerstand nie wieder notwendig werden darf und er mahnt uns: „Wehret den Anfängen!“

Bildquelle:

  • Sophie_Scholl: archiv

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