WARSCHAU – Im Mai 2025 wählen die Polen einen neuen Präsidenten. Schon jetzt bringen sich potenzielle Kandidaten in Stellung. Sejm-Marschall Szymon Hołownia (Polska 2050) zum Beispiel, der vor ein paar Tagen in der Kleinstadt Jędrzejów seine Kandidatur verkündete. Er wolle als unabhängiger Kandidat antreten, betonte der 48-Jährige, der in seinem Leben vor der Politik ein erfolgreicher katholischer Journalist und Buchautor war. Es sei sein Ziel, alle Bürger zu vertreten, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. „Ich möchte der Präsident des Volkes sein, nicht der einer politischen Partei.“ Er wolle während seiner Amtszeit nicht von einem Regierungschef oder Premierminister abhängig sein.
In diesen Worten klingt nicht nur Kritik an dem seit 2015 amtierenden Präsidenten Andrzej Duda mit, der sich in zwei Amtsperioden nur selten von seiner Herkunftspartei PiS und deren Super-Strippenzieher Jarosław Kaczyński (75) freimachte, sondern auch eine Kritik an möglichen Mitbewerbern.
So werden am Freitag die Mitglieder der regierenden Bürgerplattform (PO) entscheiden, ob sie lieber mit dem Präsidenten von Warschau, Rafał Trzaskowski, der 2021 knapp gegen Duda verlor, ins Präsidentschafts-Rennen gehen oder mit dem derzeitigen Außenminister Radosław Sikorski, der auf der internationalen Bühne nicht nur wegen seines exzellenten Englisch, sondern auch als entschiedener Russland-Kritiker eine ziemlich gute Figur macht. Allein – oder zusammen mit seiner amerikanisch-jüdischen Ehefrau Anne Applebaum, die mit dem Buch „Die Achse der Autokraten“ derzeit für Furore sorgt und 2024 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt.
Trzaskowski, als dessen Hauptstärke sein gutes Aussehen gilt, bekam allerdings neulich Besuch von einem engen Vertrauten Donald Trumps, Ryan D. McCarthy, der nicht nur Trumps polnischen Lieblings-Body Andrzej Duda besuchte, um das Treffen der beiden in diesem Jahr, also noch vor Trumps Vereidigung, vorzubereiten, sondern vermutlich auch, um sich ein Bild vom möglichen Duda-Nachfolger Trzaskowski zu machen. Was er dabei wohl entdeckt hat?
Trzaskowski scheint sich den Erfolg Trumps jedenfalls zur Vorbild-Strategie genommen zu haben. Bei PO-Mitgliedern in Kattowitz stellte Trzaskowski sein Programm vor, das um Wirtschaft, Wohlstand, Sicherheit und Gesundheit kreist und für PO-Verhältnisse populistisch anmutet. Während Sikorski zeitgleich in seiner Heimatstadt Bromberg (pl. Bydgoszcz) die Sicherheitskarte als das Thema in Kriegszeiten voll ausspielte. Sikorski weiß, wovon er spricht, schließlich berichtete er nach dem Studium in Oxford zu Beginn der 1980er Jahre als Reporter und Fotograf aus Afghanistan. Er gilt als Weltbürger, Patriot und harter Knochen in eleganter Kleidung, der Anfang vergangener Woche kein Problem damit hatte, die TV-Sendung der bekannten Journalistin Monika Olejnik vorzeitig zu verlassen, weil er eine Frage zur Religion seiner Frau als übergriffig empfand.
Aktuelle Umfragen unter Social Media Nutzern zeigen, dass Sikorski bei den X-Nutzern klar favorisiert wird, während Trzaskowski bei Instagram klar vor Sikorski liegt. Was die Stärken und Schwächen beider unterstreicht.
Rätselraten darf man hingegen, wen PiS ins Rennen schicken wird
Bei Umfragen liegt klar der frühere PiS-Premier Mateusz Morawiecki als Kandidat vorn, doch offenbar hat Kaczyński, der vor zehn Jahren den völlig unbekannten EU-Parlamentarier Duda für den polnischen Präsidentschafts-Wettkampf aktivierte, das Interesse an Morawiecki verloren. Seine Zeit als Premier sei eine Last, erläuterte Kaczyński. So tauchen derzeit nur drei PiS-Kandidaten auf, die weder gegen Trzaskowski noch gegen Sikorski den Hauch einer Chance haben dürften: der Ex-Bildungsminister Przemysław Czarnek, der als Großmaul gilt, der weitgehend unbekannte EU-Parlamentarier Tobiasz Bocheński sowie der Historiker und Leiter des Instituts für Nationales Gedenken, Karol Nawrocki. Wann der PiS-Kandidat bekanntgegeben wird, ist noch offen. Es sieht so aus, dass Kaczyński erstmal die Entscheidung der Bürgerplattform abwarten möchte. Nicht ausgeschlossen, dass er dann noch mit einem Überraschungs-Coupe aufzutrumpfen versucht. Doch wer oder was könnte das sein? Eine Kandidatin?
Politisch erfahrene Frauen gibt es bei PiS
Zum Beispiel die Juristin und Sejm-Abgeordnete Małgorzata Wassermann, deren Vater Zbigniew Wassermann im Jahr 2010 beim Flugzeugabsturz in Smolensk verunglückte. Sie gilt als scharfe Kritikerin des russischen Präsidenten Wladimir Putins, aber auch als Kritikerin des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk (PO), dem sie vor einigen Jahren unbequeme Fragen zu seiner Rolle und der Rolle seines Sohnes bei einer Finanzdienstleistungsaffäre („Amber Gold“) stellte.
Doch: So reif die Zeit in Polen für eine Präsidentin auch sein mag, würde Kaczyński in Zeiten der äußeren Bedrohung tatsächlich so weit gehen, Polen innenpolitisch zu schwächen, wie es beim „Duo“ Wassermann-Tusk zu erwarten wäre?
Radosław Sikorski hat schon vor Monaten unterstrichen, dass es sicherheitspolitisch zwischen PO und PiS kaum Unterschiede gibt. Dementsprechend sah er auch ein Treffen von Duda und Trump im Frühjahr dieses Jahres mit Wohlwollen. Sikorski ist zu sehr Profi, um einfach die deutliche Trump-Kritik seiner Frau öffentlich zu übernehmen. Wer immer im Mai 2025 antreten wird, um polnischer Präsident zu werden, wird über diese diplomatische Weitsicht verfügen müssen.
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