Individualverkehr ist nicht schlecht fürs Klima, sondern für meinen Rücken

Sehr geehrte Leserinnen, liebe Leser,

Hand aufs Herz! Wer von Ihnen nutzt für lange Strecken noch das eigene Auto, den sogenannten Individualverkehr? Der soll ja böse sein, weil wir alle das Klima schützen und deshalb den Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) nutzen sollen. Kann man zumindest ja mal drüber nachdenken.

Ich hatte vorgestern wichtige Termine in Süddeutschland, und weil ich monatelang meinen Führerschein los war (fast ausschließlich wegen zu schnell), genieße ich es, jetzt wieder meinen BMW bewegen zu können. Hamburg, Erfurt, Berlin, München – meine häufigsten Destinationen in Deutschland – fahre ich jetzt gern allein im Auto. Telefonate ohne Ende, nachdenken über dies und das, meine Musik – herrlich. So auch vorgestern. Blöd nur, dass ich etwa eine halbe Stunde vor der großen Explosion in Leverkusen losfuhr und unterwegs erfuhr, dass die Autobahnen 3, 4 und 57 komplett geschlossen würden. Kein Problem, dachte ich als Ortskundiger, fahre ich halt die A 61 Richtung Süden. Doch, leider, leider, da ist auch Vollsperrung wegen der massiven Flutschäden.

Was soll ich sagen, allein neben der BayArena stand ich vorgestern zwei Stunden mit einem Geländegewinn von – sagen wir – vier Metern in dieser Zeit. Nicht schön. Als ich in München ankam, hatte zwar mein Hotel noch auf, aber nicht mehr das Restaurant. Nach neun Stunden im Auto hatte ich aber Hunger und Durst, und tatsächlich erschien mir ein Engel in Gestalt einer jungen Kellnerin im Dirndl mit sehr kurzen Haaren („GI Jane“-mäßig). Sie rettete mit einer bayerischen Veschperblatte und zwei Halben zweifellos mein junges Leben.

Gestern fanden meine Termine statt, sogar wie geplant, alles gut. Und dann die Rückfahrt. Glauben Sie es oder nicht, sämtliche Autobahnen in Bayern sind Baustellen. Nur Baustellen. A 9, A 500irgendwas, A 3 – Fahrbahnverengung, Sperrung, Stau – ausschließlich. Nach zehn Stunden Fahrt kam ich am Abend zu Hause an und wärmte mir eine Tielfühlpizza von Oetker (Thunfisch, ich streute nahezu eine ganze Packung Edamer gerieben drüber) auf. Und ich beschloss, Ihnen diese Geschichte zu erzählen.

Wenn ich in Düsseldorf in den ICE steige, bin ich fünf Stunden später am Münchner Hauptbahnhof (wo es diese herrlichen Fressbuden gibt). Mit dem Auto ist es nur noch eine Quälerei, der Rücken tut weh, die Füße auch, neun Stunden Staatsfunk im Radio. Es ergibt einfach keinen Sinn. Ab sofort wieder ICE. Nicht wegen Klima, sondern wegen Rücken.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.