MEINUNG Nicht jeder alte Helm ist gleich ein Nazi-Skandal: Unsere Soldaten verdienen Respekt und Anerkennung

Im baden-württembergischen Standort Donaueschingen wurde eine Vitrine mit Wehrmachts-Stahlhelmen entdeckt. Foto: Patrick Seeger

von FELIX MAXIMILIAN LEIDECKER

Dunkle Bilder, untermalt mit düsterer Musik, eine besorgt klingende Stimme spricht im Beitrag eines großen, öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformats von Assoziationen schlimmster deutscher Vergangenheit, während man den Eingangsbereich einer Bundeswehrkaserne zeigt: Ein Gemälde von ehemaligen Wehrmachtsoldaten, davor einige bereinigte Fresken aus dieser Zeit. Dass beides unter Denkmalschutz steht und die Bundeswehr selbst dort eine Tafel anbringen ließ, welche diese Kunstwerke historisch-selbstkritisch einordnet, findet freilich keine Erwähnung. Zu verlockend scheint die Dialektik von der bunten Zivilgesellschaft hier und den bösen, ewig gestrigen Soldaten dort.

Es ist eine Respektlosigkeit sondergleichen, die sich aktuell in unserer Gesellschaft abspielt. Wo ansonsten immer und überall der moralische Zeigefinger nach oben geht, wo alleine der Ausspruch „Hier darf man jetzt aber nicht verallgemeinern!“ schauspielende Schulabbrecher zu Intellektuellen macht, da geschieht genau dies: Es wird generalisiert, über einen Kamm geschoren, munter verallgemeinert und in Sippenhaft genommen. Weil die Politik sich wegduckt- und das halte ich für einen Frevel!

Ohne jeden Zweifel ist das, was man jenem ominösen „Franco A.“ und seinen mutmaßlichen Mitverschwörern zur Last legt, alles andere als zu unterschätzen. Da besorgt sich ein Soldat eine Waffe, gibt sich unter falscher Identität als sogenannter „Flüchtling“ aus, plant mutmaßlich Anschläge auf Vertreter des Staates und möchte diese – so die Theorie der Bundesanwaltschaft – im Zuge einer „false flag“-Aktion dem Politischen Islam in die Schuhe schieben.

Freilich muss das lückenlos aufgeklärt werden. Aber in erster Linie muss man doch konstatieren: Das Zusammenspiel von MAD und BKA scheint zu funktionieren, die mutmaßlichen Täter wurden ausfindig gemacht und gefasst, bevor sie zur geplanten Tat ansetzen konnten. Übrig bleiben doch aber viel entscheidendere Fragen: Wenn ein deutscher Bundeswehrsoldat, der kein Wort arabisch spricht, das BAMF unproblematisch überzeugen kann, er sei ein Flüchtling aus Syrien und dann als Asylbewerber anerkannt wird – wie vielen anderen ist das auch gelungen? Wie vielen Menschen aus
Deutschland? Wie vielen bereits illegal in Deutschland lebenden Ausländern? Wie vielen Menschen aus sicheren Drittstaaten unter der Falschangabe einer angeblichen Herkunft aus einem Bürgerkriegsland? Und am Ende des Tages auch: Wie vielen Terroristen oder Agenten ausländischer Geheimdienste?

Diese Fragen verdienen eigentlich die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit, mithin auch der deutschen Presselandschaft. Doch was passiert stattdessen? Auf einmal dienen Fotos von Soldaten in Wehrmachtsuniform, die seit 50 Jahren auf irgendeinem Kasernenflur hängen, als Generalverdacht gegen knapp 180.000 aktive Soldaten. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Gestern wurde mir von Studenten der Bundeswehr-Universität in Hamburg erzählt, dass vor lauter Sorge sogar Bilder von Altkanzler Helmut Schmidt (SPD), die ihn als jungen Rekruten in Wehrmachtsuniform zeigen, abgehängt werden mussten. Just an der Universität, deren Namensstifter er ist. Wenn das so stimmt, müssen wir aufpassen, in dieser Sache nicht Maß und Mitte völlig zu verlieren. Seit der Ehrenerklärung des Bundeskanzlers Konrad Adenauer (CDU) vor dem Deutschen Bundestag im Jahre 1952 war die Linie der deutschen Politik
eine andere:

„Ich möchte heute vor diesem Hohen Hause im Namen der Bundesregierung erklären, dass wir alle Waffenträger unseres Volkes, die im Namen der hohen soldatischen Überlieferung ehrenhaft zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft gekämpft haben, anerkennen. Es muss unsere gemeinsame Aufgabe sein, und ich bin sicher, wir werden sie lösen, die sittlichen Werte des deutschen Soldatentums mit der Demokratie zu verschmelzen. Der kommende deutsche Soldat wird nur dann seiner deutschen und europäischen Aufgabe gerecht werden, wenn er von den Grundprinzipien erfüllt ist, auf denen die Ordnung unseres Staates ruht. Diese Ordnung sichert zugleich die ethischen Werte des Soldaten vor erneutem Missbrauch.“

Diese zur Grunddoktrin des deutschen Staates gewordene Rede verbietet einen aktuell aufkommenden Generalverdacht gegen unsere Bundeswehrsoldaten. Vielmehr noch: Es muss die Aufgabe der Gesellschaft und der sie repräsentierenden Politik sein, zur Truppe zu stehen. Sie darf nicht die „Bad Bank“ der Politik werden. Wir müssen jene verteidigen, die uns verteidigen. Die Verteidigungsministerin handelt richtig, wenn sie im Zuge der Aufklärung des Komplexes voran geht. Ob ein offener Brief, der die Haltung und Moral der Truppe in aller Öffentlichkeit in Frage stellt, dazu allerdings der richtige Weg ist, möchte ich doch allerdings arg bezweifeln. Ich persönlich möchte mich in dieser Sache bewusst hinter die Truppe stellen- und zwar hinter jene
179.997, die ihren Dienst für die Gesellschaft anständig ausführen und denen man dafür überhaupt nicht genug Respekt und Dankbarkeit entgegen bringen kann.

Stellen wir uns doch einmal vor, bei dem mutmaßlichen Verschwörer „Franco A.“ hätte es sich nicht um einen Soldaten, sondern um einen Dachdecker gehandelt. Würden wir die Innung und die Handwerkskammer jetzt verdächtigen und auffordern, in ihren Reihen aufzuräumen? Kein Mensch würde auf die Idee kommen. Natürlich legt man an die Bundeswehr andere Maßstäbe an und das ist auch richtig. Wir müssen allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass dieser Generalverdacht Wasser auf die Mühlen jener ist, welche unsere Soldaten seit jeher attackieren und diffamieren. In einem Land, in dem selbst die herrschende Rechtsprechung Auswüchse wie „Soldaten sind Mörder“ legitimiert, ist die Solidarität der Gesellschaft mit unserer Bundeswehr wichtiger denn je. Wer sich dafür entscheidet, unserem Land zu dienen, darf sich keinem Pauschalverdacht gegenüber sehen.

Unsere Bundeswehr leistet seit Jahrzehnten eine herausragende Arbeit. Für ihren Einsatz zur Verteidigung unserer Demokratie, für den Schutz der Zivilbevölkerung und seit etwa 20 Jahren auch für den Einsatz im Ausland, verdienen unsere Soldaten als Parlamentsarmee den uneingeschränkten Respekt und die Rückendeckung der Politik. Dafür dürfen Einzelfälle nicht fälschlicherweise auf die Truppe übertragen werden. Wenn es dort Leute gibt, welche die Werte der Truppe mit Füßen
treten, dann muss man sie aussortieren – ohne Zweifel. Aber man muss auch schlicht einmal festhalten: Nicht jeder rostige Wehrmachtshelm im Keller einer Kaserne ist gleich ein „Nazi-Skandal“. Bitte die Kirche im Dorf lassen!

Bildquelle:

  • Jägerbataillon 292: dpa

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