Merkel und die Mächtigen: Schätze und Gefahren des Gipfels

Man wird miteinander reden müssen: US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel trafen sich im Mai beim Nato-Gipfel. Foto: Kay Nietfeld

Chinas Staatschef Xi Jinping und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) posieren dann mit den schwarz-weißen Prachttieren für die Fotografen. Schöne Bilder zwei Tage vor Beginn des G20-Gipfels in Hamburg, womöglich auch eine Botschaft neuer deutsch-chinesischer Partnerschaft so kurz vor dem schwierigen Treffen der Staats- und Regierungschefs. Und vielleicht ja auch ein gutes Omen: Die Bären heißen Träumchen und Schätzchen.

Ein Traum wäre es für Merkel schon, dass der Gipfel gelingt, die USA sich nicht isolieren, Demonstranten in der Stadt nichts abfackeln, die Polizei auf Deeskalation setzt und es keinen Anschlag gibt. Es wäre ein Schatz für die nahe Zukunft, gäbe es Zeichen der Entspannung für Konflikte, die derzeit die Welt aus den Fugen geraten lassen – die Abschottungspolitik der USA, die angekündigte Abkehr Washingtons vom Klimaschutz, die Ukraine-Krise mit Russland, die Provokationen der Türkei, der IS-Terror, der Syrien-Krieg.

Und da ist das schwer belastete Verhältnis zwischen Merkel und US-Präsident Donald Trump, der mehr mit missratenen Tweets als mit großer Politik auf sich aufmerksam macht. Da ist der tiefe Graben zu Russlands Staatschef Wladimir Putin, der im Ukraine-Konflikt nicht locker lässt. Und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der keinen Wert mehr auf ein gutes Verhältnis zu Deutschland und Europa zu legen scheint. Der G20-Gipfel der großen Wirtschaftsmächte ist kein Beschlussgremium und die Erwartung an Ergebnisse diesmal ohnehin gering. Als größte Wert gilt: Dass sie miteinander reden. Die Gefahr ist, dass dabei nichts herauskommt.

Mit diesen Kalibern ringt Merkel um Kompromisse:

DONALD TRUMP:

Der US-Präsident gilt als große Wundertüte – niemand weiß so richtig, was er mitbringt. Er hat die Kraft, die Veranstaltung zu sprengen. Seine Sherpas – die Gipfelstrategen – wollen das nicht. Es gehe ihnen um fairen Handel und gleiches Recht für alle beim Klimaschutz, heißt es. Ferner wolle Trump eine gemeinsame westliche Position für einen konstruktiven Umgang mit Russland erarbeiten und China stärker bei der Lösung der Nordkorea-Problematik in die Pflicht nehmen.

Dass er vor Hamburg auf seiner zweiten Reise nach Europa noch einmal in Polen stoppt, ist ein Fingerzeig. Warschau gilt mit seinen Einschränkungen von Freiheitsrechten nicht gerade als Musterknabe der Europäischen Union. Das Weiße Haus lobt Polen aber als engen Verbündeten – und als ersten Kunden für US-Gaslieferungen.

Vor allem ist es aber die Person Trump, die Fragezeichen aufwirft. Für das Treffen mit Putin sind die Themen nicht klar. Gesprochen werde über alles, worüber Trump sprechen wolle, heißt es. Ein US-Präsident ohne Agenda, losgelassen auf den Taktierer Putin? Trumps Feinde frohlocken schon. Und: Wird sich der Hitzkopf Trump an die Vorarbeit seiner Fachleute halten? Bleibt er beim Manuskript? Oder macht er Politik nach Tagesform? In einem Telefonat mit Merkel gelobte Trump, er wolle, dass der Gipfel ein Erfolg wird. Beim Klimaschutz wird das schon mal nichts. Da macht sich Merkel keine Illusionen. Aber vielleicht beim Anti-Terror-Kampf. Da stehen die Chancen besser.

WLADIMIR PUTIN:

Für ihn wird die erste Begegnung mit Trump das Hauptereignis in Hamburg sein. Termin und Format hatten beiden Seiten lange Zeit offengelassen. Dabei tat der Kreml bis zuletzt so, als sei das Treffen gar nicht so wichtig. Nun wollen die beiden wohl mächtigsten Männer der Welt ihren Gipfel im Gipfel am Freitagmorgen abhalten. Aber werden sie das Verhältnis der zwei Atommächte verbessern können, das so schlecht ist wie seit Jahrzehnten nicht?

Putin hofft immer noch darauf, dass Trump die Annäherung an Russland wahr macht, die dieser im Wahlkampf versprochen hatte. Andererseits werden in den USA immer mehr Details zur russischen Einmischung in den Wahlkampf und zu dubiosen Kontakten des Trump-Teams nach Moskau bekannt. Trump scheinen die Hände weitgehend gebunden.

Putins Trumpfkarte auf dem Gipfel ist die starke militärische Stellung Russlands in Syrien. Es wäre ein Punktsieg für ihn, wenn Trump den Vorrang der Russen bei einer Neuordnung des kriegszerstörten Landes anerkennen würde. Putins Schwachpunkt wird der Ukraine-Konflikt sein. In diese Wunde wird Merkel den Finger legen.

ERDOGAN:

Der türkische Staatspräsident betritt das erste Mal deutschen Boden, seit er Merkel im Frühjahr nach Auftrittsverboten für türkische Regierungsvertreter in Deutschland «Nazi-Methoden» vorgeworfen hat. Ihn wird deswegen kein schlechtes Gewissen plagen, wenn er Merkel die Hand schüttelt. Schließlich untersagte die Bundesregierung ihm gerade erst noch einen Auftritt vor Anhängern in Hamburg. Erdogan dürfte sich in seiner Kritik bestärkt sehen. Das deutsch-türkische Verhältnis ist miserabel, ein Tiefpunkt nach dem anderen.

Für Erdogan dürfte beim G20-Gipfel allerdings nicht das Verhältnis zu Deutschland im Mittelpunkt stehen. Ihn beschäftigen derzeit vor allem andere Dinge: Der Vormarsch der Kurden-Milizen in Syrien etwa, und ein Marsch der unbeugsamen Opposition von Ankara nach Istanbul. Und dann wäre da die Krise um das mit der Türkei verbündete Golf-Emirat Katar, in die Ankara immer weiter hineingezogen zu werden droht. Die von Saudi-Arabien angeführte Allianz gegen Katar fordert unter anderem den Abzug aller türkischen Soldaten aus dem Golf-Emirat.

Erdogan hat mehrfach an den saudi-arabischen König Salman appelliert, die Sanktionen gegen das Emirat zu beenden. Darüber wollte der Staatschef mit dem Monarchen auch beim G20-Gipfel sprechen. Daraus wird nun nichts: König Salman hat seine Teilnahme abgesagt – offiziell wegen der aktuellen Entwicklungen in der Katar-Krise. Für Erdogan ist der Auftritt beim Gipfel trotzdem wichtig. Unmittelbar vor dem Jahrestag des Putschversuches vom 15. Juli 2016 werden die Bilder aus Hamburg ein wichtiges Signal in die Heimat senden: Erdogan ist der unumstrittene Vertreter der Türkei auf der internationalen Bühne – und gehört zum Kreis der Mächtigen der Welt.

XI JINPING:

Innerhalb der G20-Gruppe der Top-Wirtschaftsmächte beschäftigen sich Staats- und Regierungschefs schon mit der Frage der «neuen Führungsrolle», die sich China durch Trumps Abschottungskurs bietet. Aber kann China die Welt überhaupt «führen»? Xi hatte die Abkehr Trumps vom Freihandel zunächst geschickt nutzen können, sich der Welt als Vorkämpfer gegen Protektionismus zu präsentieren, obwohl er genauso einen «ökonomischen Nationalismus» verfolgt. Die Beschwerden deutscher und anderer Unternehmen nehmen aber zu, in China an den Rand gedrängt zu werden. So «führt» China die Globalisierung auch nur, indem es der größte Konsumentenmarkt der Welt ist.

Auch im Klimaschutz blicken jetzt alle nach China, nachdem Trump das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt hat. China der «neue Klimaführer»? Keineswegs. Kein anderes Land produziert so viele Treibhausgase. Der für die Klimawende weltweit nötige Ausstieg aus der Kohlewirtschaft bleibt Wunschdenken, da das «schwarze Gold» noch lange Hauptenergieträger des größten Kohleverbrauchers bleiben wird. Heute exportiert China sogar noch Kohlekraftwerke, wie Kritiker beklagen.

China übernimmt nur dort Verantwortung, wo es für sich von Nutzen ist – und dann zu seinen Bedingungen, sind sich Diplomaten einig. Eine «Weltordnung chinesischer Prägung» werde von bilateralen Beziehungen geprägt sein, in denen China mit seiner Wirtschaftsmacht am längeren Hebel sitzt. Auch dürfte diese «Ordnung» intransparent, wenig regelbasiert und ohne Institutionalisierung sein – höchstens in kleinen Clubs, in denen China am Steuer sitzt. Aber China dehnt seinen Einfluss etwa mit der Initiative für eine «neue Seidenstraße» aus – das bedeutet Milliardeninvestitionen in Infrastruktur und neue Wirtschaftskorridore in anderen Ländern. Peking schneidert damit die neue Weltordnung auf sich zu. Chinesische Träumchen und Schätzchen.

Bildquelle:

  • Merkel und Trump: dpa

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