«Natürlich war ich schuldig.» Boris Becker erzählt von seiner Haft, von Lebensgefahr und neuen Freunden

Boris Becker ist wieder in Deutschland und ein freier Mann. Foto: Alberto Pezzali/AP/dpa

MÜNCHEN – Mit emotionalen Worten und deutlich verändert hat Tennis-Star Boris Becker von seiner Zeit in britischer Haft erzählt. Immer wieder von Tränen und Momenten der Rührung unterbrochen, schilderte der 55-Jährige lebensgefährliche Situationen, sehr persönliche Momente mit seiner Partnerin und von einem neuen spirituellen Weg.

Der Blick zurück: «Natürlich war ich schuldig.»

In seinem ersten öffentlichen Auftritt seit seiner Haftentlassung bekannte sich Becker erstmals deutlich zu seiner Schuld. «Natürlich war ich schuldig», sagte er und zeigte sich selbstkritisch. «Vielleicht habe ich nicht genügend Reue gezeigt im Zeugenstand», sagte er. Seine Anwälte hätten alles versucht, sein «Leben zu retten». Er sei beraten worden, was er auszusagen habe und was nicht. «Es hätte besser laufen können – aber es hätte auch viel schlechter laufen können.»

Der aus dem baden-württembergischen Leimen stammende Becker war Ende April von einem Gericht in London zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er Teile seines Vermögens in seinem Insolvenzverfahren nicht ordnungsgemäß angegeben hatte. Er war am Donnerstag – nach 231 Tagen hinter Gittern – freigekommen.

Der Tennis-Star hat sich sichtbar verändert

Becker sah in dem Interview mit Moderator Steven Gätjen deutlich schlanker aus, die Haarfarbe etwas dunkler als früher, unter dem schwarzen Sakko trug er ein ebenfalls schwarzes Shirt. «Ich hab natürlich sehr viel Gewicht verloren», sagte er in dem Gespräch. «Ich bin mit 97 Kilo ins Gefängnis gekommen und hatte dann mal knapp 90 Kilo.»

Becker fügte hinzu: «Ich hab zum ersten Mal in meinem Leben Hunger gefühlt, also bin hungrig ins Bett gegangen. Ich dachte, dass ich mit 54 Jahren schon alles erlebt habe, aber das war neu.» Im Gefängnis habe er keinen Alkohol getrunken, nicht geraucht und wochen- oder vielleicht auch monatelang sehr wenig gegessen.

Gefährliche Situationen und neue Freunde

Becker berichtete auch von zwei konkreten Situationen, die lebensgefährlich gewesen seien. Im ersten Gefängnis Wandsworth habe ein Mithäftling ihn erpressen wollen – doch andere Mitgefangene hätten ihn beschützt.

Auch im Gefängnis Huntercombe westlich der britischen Hauptstadt, wo Becker den Großteil seiner rund siebeneinhalb Monate langen Haft verbrachte, habe ihn ein Mitinsasse bedroht. «Da hatte ich mal wirklich eine so genannte Altercation (heftige Auseinandersetzung) mit einem Häftling, der wollte mich umbringen.» Kontrahent sei ein Mann gewesen, der als 18-Jähriger zwei Menschen umgebracht habe. «Der wollte mir an die Wäsche und hat mir auch verbal erklärt, was er mit mir machen will.» Doch auch in diesem Fall seien ihm andere Häftlinge zur Hilfe geeilt. Immer wieder erzählt Becker auch von engen Freundschaften zu Mitgefangenen, die ihn geschützt und gestärkt hätten.

Der Blick ins Innere: Becker beschäftigte sich mit Stoizismus

Jahrelang war Becker gefeiert worden, ein Sport-Idol wie es nur ganz wenige gibt. Doch in den Jahren vor seiner Haft wurde er oft auch belächelt – nun wirkt er gefasst, fast spirituell. Er habe sich im Gefängnis mit der Lehre des Stoizismus befasst und auch unterrichtet, erzählte Becker in dem Interview immer wieder. «Ich habe über Jahre Fehler gemacht, falsche Freunde gehabt, war nicht organisiert genug.»

In Haft habe er Zeit zum Nachdenken gehabt und durch den Stoizismus auch Eigenschaften auch sich wiederentdeckt, die er als Tennisspieler gehabt habe – wie Disziplin und Präsenz im Moment. «Dieser Gefängnisaufenthalt hat mich zurückgeholt, sagte Becker. Er habe nun eine zweite Chance bekommen und es liege an ihm, diesen Weg weiterzugehen.

Tränen bei Worten zu den Liebsten

Becker versuchte gefasst zu bleiben, musste aber immer wieder unter Tränen innehalten – besonders, wenn die Sprache auf seine Kinder und seine Partnerin Lilian De Carvalho Monteiro, die mit ihm Studio war, kam. Der Tag seiner Verurteilung am 29. April sei ihr Geburtstag gewesen. Seine Partnerin habe stets zu ihm gehalten. «Ich hatte nicht einen Moment, wo ich das Gefühl hatte, da bricht jetzt was auseinander oder sie verliert die Geduld oder die Lust oder die Liebe», sagte Becker.

Auch die Beziehung zu seinen älteren Kindern Noah, Elias sowie Anna, mit der er häufig telefoniert habe, sei während der Haft enger geworden. Vor dem Richterspruch habe er auch noch ausführlich mit seinen Kindern gesprochen. Noah begleitete ihn wie Partnerin Lilian beim Urteil ins Gericht. Der Tennis-Star gab in dem Interview meist lange Antworten – etwa dazu, dass er hinter Gittern Englisch und Mathe unterrichtet hat, was seinen Tagen Struktur verlieh.

Prominente Freunde unterstützen Becker

Becker berichtete, dass mehrere prominente Freunde ihn nicht im Gefängnis besuchen durften. So sei etwa Fußballtrainer Jürgen Klopp von den Behörden abgelehnt worden. «Jürgen darf dich nicht besuchen, weil der ist zu bekannt. Wir haben Angst um seine Sicherheit, und wir wollen den Rummel nicht», gab Becker das Gespräch wider.

Mut und Kraft habe er aus zahlreichen Briefen geschöpft, die ihm Fans und Bekannte schickten. Darunter seien auch Überraschungen gewesen: «Michael Stich hat mir einen dreiseitigen Brief geschrieben», erzählte Becker über seinen Tennis-Kollegen. Das habe ihn sehr berührt. Auch andere frühere Davis-Cup-Freunde und Prominente wie die Tennis-Trainerin Barbara Rittner hätten ihm geschrieben.

Ankunft und Zukunft – «Das beste Bier in meinem Leben.»

Nach langem Rätselraten erzählte Becker, dass er nach seiner Abschiebung in Stuttgart gelandet und dann bei Freunden nahe Heidelberg untergekommen sei. «Es war kein Mensch am Flughafen», erzählte Becker. Die Polizei habe dann seine Papiere kontrolliert und gesagt: «Willkommen zurück.» Zu seiner Ankunft bei den Freunden sagte der 55-Jährige: «Ich habe dann mein erstes Bier getrunken und – glaube mir – das war das beste Bier in meinem Leben.» Das erste Essen in Freiheit sei Sushi, Sashimi und Miso-Suppe gewesen.

In Deutschland leben will er eher nicht, weil seine Privatsphäre dort nicht gesichert sei, er habe gerne in Miami gelebt. «Ich bin auch ein Fan von Dubai», sagte Becker. «Ich habe Ideen, aber ich bin vorsichtig geworden mit meinen Aussagen für die Zukunft.» Becker betonte: «Ich freue mich, ich bin motiviert, ich muss arbeiten.»

Bildquelle:

  • Boris Becker: dpa

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren

Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.