Neuer Rhein Fire-Chef Daniel Thywissen: „Die Akzeptanz von American Football ist signifikant gewachsen“

Rhein Fire-Geschäftsführer Daniel Thywissen,

von KLAUS KELLE

DÜSSELDORF – Ich kenne Daniel Thywissen seit gut 25 Jahren. Ein super Typ, der den American Football liebt und lebt, wie wohl nur wenige in Deutschland. Wenige Tage bevor er zum neuen Geschäftsführer des Branchen-Primus Rhein Fire in der European League of Football (ELF) berufen wurde, trafen wir uns zu einem Meinungsaustausch im Intrcity-Hotel am Berliner Hauptbahnhof. Damals waren die PlayOffs für Rhein Fiore noch ein großes Thema. Das hat sich diese Saison nach der 23:28 Niederlage beim Liga-Neuling Nordic Storm in Kopenhagen erledigt. Doch Daniel Thywissen hat viel vor.

Daniel, Du bist neuer Geschäftsführer bei Rhein Fire. Zuletzt zwei Mal – nennen wir es so – Europameister, hohe Zuschauer-Zahlen. Wirst Du jetzt den Erfolg in Düsseldorf verwalten?

Es ist schon mal ein großer Erfolg, dass wir als Startup-Unternehmen aus dem Stand heraus das größte Football-Projekt Europas geworden sind. Unsere Heimspiele tragen wir in der Duisburger Schauinsland Reisen Arena aus. Dort haben wir für die aktuelle Größe eine perfekte Umgebung, die unsere Fans sehr ins Herz geschlossen haben. Höhepunkt in diesem Jahr war natürlich unsere Rückkehr an den Ort, an dem Rhein Fire 1995 gewonnen hat: die Merkur Spiel Arena in Düsseldorf. Dort hatten wir über 20.000 Zuschauer. Eine sagenhafte Stimmung.

Dennoch hatte der Spielplan dieses Jahr seine Herausforderungen, die für uns und unsere Fans nicht sonderlich familienfreundlich waren. Entsprechend haben wir in Duisburg aktuell einen Zuschauer-Rückgang von rund 30 Prozent zu beklagen. Das macht natürlich auch etwas in der Portokasse des Unternehmens.

Somit geht es weniger um verwalten, sondern mehr darum, neu zu strukturieren und neue Zuschauer ins Stadion zu locken. Das ist schon eine Mammut-Aufgabe, vor der ich großen Respekt habe, mich aber wiederum sehr darauf freue, weil ich einen Plan umzusetzen habe.

Mittelfristig – so sind wir natürlich als Sportler – möchte man das Gute, was man hat, immer stärker ausbauen. Stillstand ist Rückschritt. Wer kann das schon wollen!

Die amerikanische NFL hatte ja über Jahrzehnte immer wieder vor, den American Football in Europa aber ganz besonders in Deutschland und Großbritannien zu einem neuen Volkssport zu machen – am Ende ohne Erfolg. Dabei wäre das Potential doch da. Wenn ich an November 2022 denke, als die NFL in München ein reguläres Spiel der US-Liga ansetzte und eine Million Fans Karten kaufen wollten. 69.811 durften den Sieg der Bucs gegen die Seahawks live miterleben. Liegt sowas letztlich doch nur an US-Superstars wie Tom Brady?

Man darf natürlich die mit Abstand größte Liga der Welt als Molting Milliarden Company nicht mit den Strukturen in Europa vergleichen. Hier haben die amerikanischen Kollegen ganz andere Möglichkeiten in der Bewerbung. Und natürlich helfen da Verbreitungkanäle sowie die Superstars und eine Struktur, die seit Jahrzehnten aufgebaut wurde. Das wäre der Vergleich zwischen einem Ferrari und einem guten VW Golf.

Dennoch kann man feststellen, dass wir natürlich auch über die Beliebtheit des Sports und das Wachstum der Reichweiten in Europa, insbesondere in Deutschland profitieren. Die Akzeptanz von American Football ist signifikant gewachsen.

Größte Herausforderung bleibt jedoch, dass der Sport und seine Regeln gegenüber Fußball nicht zum deutschen Kulturgut in der Erziehung gehört. Entsprechend ist die größte Hürde für unseren Ticketverkauf, dass viele Menschen Sorgen haben, dass sie Geld für eine Sportveranstaltung bezahlen, bei der sie am Ende nicht verstehen, was auf dem Rasen passiert. Hier ist es meine Aufgabe, dass ich mit guten weiteren Aspekten die Sorge von neuen Zielgruppen verstreuen und ausreichend Gründe liefere, warum es sich immer lohnt, ein Ticket von Rhein Fire zu kaufen.

Könnte man nicht einfach die Regeln einfacher machen?

Nein! Football ist Football. Und wir haben uns bewusst entschieden, nach den Regeln der NFL zu spielen. Die GFL, die deutsche Bundesliga im American, hat sich entschieden, nach den Regeln des US-amerikanischen College Football zu spielen. Hier gibt es gewisse Varianten. Wir wollen uns aber an der größten und erfolgreichsten Liga der Welt orientieren. Und wenn die es hinbekommen, daraus ein Milliardengeschäft zu machen, dann sind das Milliarden Gründe, warum wir uns daran halten sollten.

Viel mehr gilt es, den hiesigen Zielgruppen verständlich zu machen, dass ein Spiel von Rhein Fire mehr ist als ein dreieinhalbstündiges Sportereignis. Wir haben drei Stunden vor Spielbeginn die Tore geöffnet und bieten eine große Familienparty mit guter Musik, Cheerleadern, Merchandising, ganz viel Kinder-Unterhaltung und natürlich leckeren Getränken und tollem Essen. Und das alles ist günstiger als ein Besuch im Freizeitpark.

Ähnlich wie beim Fußball gibt es auch beim Football ein Zwei-Klassen-System in Europa. Vereine wie Rhein Fire haben bei ihren Spielen, 12.000, 15.000, auch mal 20.000 Zuschauer. Andere, sogar Pioniere des Footballs in Deutschland wie Berlin Thunder, begrüßen bei ihren Heimspielen nur 1500 Leute. Im Jahr 2023 gaben die Leipzig Kings sogar ganz auf und gingen in Insolvenz. Warum funktioniert das Geschäft hier nur bei wenigen?

Grundsätzlich müssen wir mal feststellen, dass noch kein Team bei der European League of Football bislang kaufmännisch, gewinnbringend gearbeitet hat. Der Aufbau kostet einfach Geld, und dann ist es natürlich eine Frage, ob die Geldgeber ausreichend Luft und Zukunftsperspektive sehen, hier weiter Geld zu investieren. Mit Rhein Fire sind wir jetzt auf einem guten Weg, in absehbarer Zeit in die Gewinnzone zu kommen.

Die professionelle europäische Football Liga hat bewiesen, dass sie mit guten Strukturen und gutem Management sehr viele Menschen ins Stadion ziehen kann. Die Zuschauerzahlen im TV und über die Streaming Dienste beweisen, dass ausreichend Menschen begeistert werden können. Wir sind erst am Anfang einer Entwicklung, und dann haben wir beste Voraussetzungen, uns als zweitgrößte Sportliga, gemessen an Zuschauer-Durchschnittszahlen im Stadion langfristig zu behaupten.

In der ELF gab es zuletzt Streit und eine wahre Rücktrittsorgie, allen voran der angekündigte Rückzug des  Geschäftsführers und Hauptgesellschafters Zeljko Karajica. Er ist nicht der einzige, der jetzt aufhört. Als Grund werden „unüberbrückbare Differenzen“ mit Karajica genannt. Wissen Sie mehr?

Da bin ich Außenstehender und kenne keine Details. 

Karajica gilt vielen als der Macher des Erfolges, als der, der viele Menschen für die Football-Sport begeistert hat – natürlich auch die Medien. Sie sind nicht in die ELF-Strukturen eingebunden, aber als Rhein Fire-Geschäftsführer sind sie ein wichtiger Mitspieler, denke ich. Wie wird sich die europäische League entwickeln?


Wir sind als Rhein Fire, ein Team der ELF. Seit 2022 nehmen wir mit dem historischen Namen aus Zeiten der NFL Europe League am Spielgeschehen der Liga teil. Mehrere Teams haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengefunden: die EFA, in der auch Rhein Fire Mitglied ist. Die Association hat Verbesserungsvorschläge für die Weiterentwicklung einer professionellen American Football Liga in Europa formuliert. Hier gilt es, zwischen den Verantwortlichen Lösungen zu finden, wie ein Spielbetrieb in Zukunft für alle Beteiligten sinnvoll weiterentwickelt werden kann. Hier sehen die EFA-Teams die Rolle von Zeljko Karajica als kritisch an, weshalb es Bestrebungen gibt, eine eigenständige Liga zu gründen. 

Es gibt Teams in Madrid, Wien und Paris, aber in vielen wichtigen Metropolen gibt es keine, besonders in London schmerzt das. Was sind die Voraussetzungen dafür, ein Team zum Spielbetrieb anzumelden?

Die Details liegen beim Betreiber der Liga. Allgemein gesprochen: Neben den wirtschaftlichen Aspekten im Bewusstsein, dass es mehrere Jahre dauert, um eine solche Struktur wachsen zu lassen, braucht es auch ein gutes Konzept im sportlichen Bereich. Hier ist die Frage, inwieweit ausreichend lokales, qualitatives Spielerpotenzial. Denn die Liga hat den Fokus darauf, insbesondere die Qualität der regionalen Talente zu verbessern. Und dann muss sich das Investoren Team mit den Machern der Liga auf die Spielregeln des Vertrages einigen.

Hat Deutschland zu viele Teams, müsste man sich vielleicht auf drei, vier Franchises konzentrieren?  

Nicht zwingend. Allgemein betrachtet hat der deutsche Markt das höchste Spieler-Potenzial, um auf dem Level in Europa attraktiven American Football zu spielen. Hier gibt es durch die unzähligen Vereine in Nordrhein-Westfalen sicherlich die höchste Dichte an Talenten. Wir haben mit den Cologne Centurions einen direkten Rivalen, lediglich 50 Kilometer entfernt. Da ist das Ringen um die Spieler schon sehr intensiv.

Dank der hohen Attraktivität unseres Entwicklungsprogramms haben wir in den vergangenen Jahren sehr gut gegen Köln bestehen können. Da könnte der Eindruck entstehen, dass der Markt zu dünn ist für zwei Teams direkt nebeneinander. Ich halte es aber nicht für ausgeschlossen, dass die neue Führung in Köln mit mehr Vorlaufzeit wieder ein schlagkräftigeres Team zusammenstellen kann. So gesehen ist es nicht zwingend eine Frage der sportlichen Qualität als vielmehr des unternehmerischen Konzepts.


Rhein Fire hat seine Wurzeln in Düsseldorf. Seit der Neugründung spielen Sie in Duisburg. Welche Stadt soll die Zukunft von Rhein Fire sein?

In der DNA der Marke steht seit der Gründung 1994, dass man das Team für das ganze Rhein-Ruhr-Gebiet ist. Daher stellt sich die Frage nach einer einzelnen Stadt nicht. Dieses Jahr haben wir ein Spiel in Düsseldorf in der Merkur Spiel Arena austragen dürfen. Das ist nicht einfach, weil die Arena abseits des Fußballs als Konzert-Location sehr stark nachgefragt ist. Dagegen können wir mit unserem Budget nicht anstinken. Die 15 Jahre ohne Rhein Fire hat sich Düsseldorf da in eine andere Richtung entwickelt. Das ist kein Vorwurf, weil uns Düsseldorf weiterhin ein verlässlicher Gesprächspartner ist. Nicht zuletzt sitzt hier auch die Deutschlandzentrale der NFL, mit der wir im regen Austausch sind.

Duisburg hat uns seit Tag 1 der neuen Generation die Tür aufgemacht. Die Schauinsland Reisen Arena ist mit 31.500 Plätzen eine perfekte Größe für das, was wir bisher erreicht haben. Und nicht zuletzt durch den eigenen Trainingsplatz, in den die Stadt Duisburg mehr als 1 Million Euro investiert hat, haben wir nun auch eine feste Heimat gefunden. Das gibt uns nun den Raum, an die nächsten Wachstumsschritte zu denken. 

Und die wären?

Ich möchte die kaufmännische Planbarkeit verbessern und den pubertierenden Teenager namens Rhein Fire ins Erwachsenenleben entwickeln. Hier gilt es an unternehmerischen Grundlagen weiter zu arbeiten und diese zu professionalisieren. In einem dynamisch so intensiven Umfeld für Profi-Sport vergisst man über den Alltag schnell einige Basics, die sehr wichtig für die Weiterentwicklung sind. Diese gilt es jetzt einzuführen. Ziel ist es, dass wir künftig die Entwicklung auf mehrere Jahre skizzieren können. Das wird noch ein gutes Jahr dauern. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir heute in einem Jahr ein Rhein Fire sehen, dass sich in der Struktur mehr an der NFL orientiert als an historischen Vereins-Strukturen, bei denen man von der Hand in den Mund lebt. 

Bildquelle:

  • Daniel_Thywissen_RheinFire: rhein fire

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.