Sondergipfel in Brüssel: EU ist vor Brexit-Verhandlungen ungewöhnlich einig

Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßt Staats- und Regierungschefs der teilnehmenden Länder in Brüssel beim Brexit-Gipfel der EU. Foto: Frederic Sierakowski

Brüssel – Die Europäische Union geht in seltener Eintracht in die Brexit-Verhandlungen und drängt Großbritannien zu raschen Kompromissen. Einstimmig billigten die 27 bleibenden Länder am Samstag ihre Position für die Gespräche mit London, die im Juni beginnen sollen.

Man wolle mit einer Stimme sprechen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. EU-Ratspräsident Donald Tusk nannte das Topthema für den Verhandlungsstart: Die Rechte der Millionen EU-Bürger in Großbritannien und der Briten in der EU.

Nach der Festlegung der Verhandlungsleitlinien bei dem Treffen in Brüssel sagte Tusk: «Wir brauchen eine ernsthafte britische Reaktion. Sobald Großbritannien echte Garantien für unsere Bürger abgibt, werden wir rasch eine Lösung finden.» Merkel nannte den zweiten für die EU kritischen Punkt: die Schlussrechnung für Großbritannien nach mehr als 40 Jahren EU-Mitgliedschaft. Eine Summe wollte die Kanzlerin aber noch nicht nennen. «Ich finde, darüber muss man auch erst einmal mit Großbritannien sprechen», sagte die CDU-Politikerin. Eine Schätzung von 60 Milliarden Euro steht im Raum.

Die britische Regierung hatte Ende März offiziell den Austritt aus der EU beantragt. Darüber soll bis März 2019 ein Abkommen geschlossen werden. In den nun verabschiedeten Verhandlungsleitlinien wird gefordert, dass zunächst die Bedingungen der Trennung – dazu zählen sowohl die Rechte der Bürger, als auch die Finanzfragen – besprochen werden und erst danach die neuen Beziehungen. Die EU hofft auf ein Zwischenergebnis bis zum Herbst. Die zweite Gesprächsphase soll erst starten, wenn alle 27 EU-Länder dies einstimmig beschließen.

Merkel sagte, finanzielle Dinge «gehören für uns zu den Trennungsfragen sehr eindeutig dazu». Gemeint sind Haushaltsverpflichtungen, Zusagen gegenüber EU-Institutionen sowie Pensionskosten für Beamte und etliches mehr. Doch dürfte es darüber in den Brexit-Verhandlungen Streit geben. Die britische Regierung lehnt es ab, nach dem Brexit weiter große Summen an die EU zu überweisen.

Die EU versucht, Geschlossenheit zu demonstrieren, aus Furcht, London könnte Keile in die Gemeinschaft treiben. Gleichzeitig sendet sie auch versöhnliche Signale. Merkel wies den Vorwurf zurück, man wolle ein Bündnis gegen die Briten schmieden. Es sei nunmal so, dass ein Staat den Austritt beantragt habe und es sei «das Natürlichste von der Welt», dass die anderen 27 EU-Staaten mit einer Stimme sprechen wollten.

EU-Ratspräsident Tusk versicherte: «Wir alle wollen für die Zukunft eine enge und starke Beziehung mit dem Vereinigten Königreich, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel.» Der französische Präsident François Hollande sagte, es gehe nicht darum, Großbritannien für den Austritt zu bestrafen, aber: «Das Vereinigte Königreich wird künftig schlechtere Bedingungen haben als heute als EU-Mitglied.» An die 27 bleibenden EU-Mitglieder appellierte er: «Es geht um die Einheit Europas.»

Die britische Premierministerin Theresa May reagierte zunächst nicht direkt auf die Brüsseler Beschlüsse, sagte aber im Wahlkampf: «Jede Stimme für mich und mein Team stärkt meine Hand in diesen Verhandlungen.» Zuvor hatte sie gewarnt, die übrigen 27 EU-Länder bezögen «Stellung» gegen Großbritannien.

Bildquelle:

  • Angela Merkel: dpa

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