«Superpower»: Sean Penn porträtiert Wolodymyr Selenskyj

Sean Penn sieht sich nach eigenem Bekunden als eine Art Botschafter der Ukraine. Foto: Jörg Carstensen/dpa

von ELISABETH FORSTER & VERENA SCHMITT-ROSCHMANN

BERLIN – Es begann mit der Idee für einen Film über einen lustigen Vogel: Wolodymyr Selenskyj, ein Komiker und Schauspieler, der irgendwie zum Präsidenten der Ukraine gewählt wurde. «Das wird witzig», meinte Produzent Billy Smith, als er seinem Freund Sean Penn die Idee vortrug. Dann kam es anders. Am Ende sitzt Penn, US-Regisseur und Schauspieler, im Sommer 2022 mit Selenskyj in Kiew unter einem Baum und sinniert über den Krieg.

«Superpower» heißt Penns Dokumentarfilm, der nun Weltpremiere bei der Berlinale hatte. Es ist ein Porträt über Selenskyj geworden, so wie die Welt ihn jetzt kennt. Ein 45-Jähriger im militärgrünen T-Shirt, der binnen eines Jahres scheinbar zehn Jahre älter geworden ist. Ein Mann, der rund um die Uhr präsent scheint mit Appellen und Bitten um Waffen und Munition.

Aber der Film ist auch wie eine Echtzeitreportage der Tage vor nun genau einem Jahr, als alle über Russlands Pläne rätselten und viele für niemals möglich hielten, was dann geschah. Der Film verdankt seine Relevanz einem irren Zufall – dass Penn am Tag der russischen Invasion in Kiew war oder wie er es formuliert: «at the center of the universe».

«Keiner von uns verstand richtig, was die Ukraine war»

Der Regisseur hatte mit seinem Partner Aaron Kaufman schon in den Monaten davor in der Ukraine gedreht. Er hatte mit Aktivisten des sogenannten Euromaidan gesprochen, der Revolution des Winters 2013/2014, die schließlich zur Flucht des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und zum Bruch mit Moskau führte. Hatte sich über den 2014 begonnen Krieg in der Ostukraine und die Annexion der Krim informiert.

Aber ausgerechnet für den 24. Februar 2022 hatte Selenskyj der Crew ein Interview zugesagt. Das wollte Penn nicht sausen lassen, obwohl der Aufmarsch russischer Truppen an den Grenzen immer bedrohlicher wurde. Dass an dem Tag der Angriff starten würde, wussten beide nicht. Verrückterweise fand das Interview tatsächlich statt. «Toll, dass ihr da seid», sagt Selenskyj. Auch das ist inzwischen vertraut: Der Mann wirkt angespannt, aber konzentriert und zugewandt. Dann eilt er wieder davon.

Von Penns Film sollte man nicht allzu viel Hintergründiges über den Konflikt erwarten. Die Macher räumen offen ein, dass sie anfangs ziemlich unbeleckt waren. «Ich denke, keiner von uns verstand richtig, was die Ukraine war», sagte Co-Regisseur Kaufman nach der Premiere in Berlin.

«Dann haben wir viel Zeit dort verbracht, und wir haben uns in die Menschen verliebt, wir haben uns in das Land verliebt, wir haben uns auch in diesen Idealismus verliebt», sagte er weiter. «Nach den letzten vier oder fünf Jahren amerikanischer Politik, hatten wir die Verbindung verloren zu etwas, was sie hatten: Sie haben unterschiedliche Ansichten, unterschiedliche Lebensweisen, aber sie wollen alle besser werden und sie wirkten sehr geeint.»

Penn ist sichtlich erschüttert vom Krieg

Das ist vielleicht der Kern des Films, dieses Aufwachen der beiden US-Regisseure für ihr Thema. Penn spricht im Film immer wieder davon, wie sehr hier die Freiheit des gesamten Westens verteidigt werde. Penn ist überhaupt sehr präsent in seinem eigenen Werk – er führt die Interviews, er kommentiert. Er ist zu sehen, wie er am zweiten Tag des Krieges im Minivan Richtung Polen reist. Und wie er im Sommer zurückkehrt nach Kiew und an die Front. Sean Penn im Schützengraben, auch das wird gezeigt. Ein Regisseur, der sehr viele Zigaretten raucht und immer einen Drink in der Nähe hat, der sichtlich erschüttert und mitgenommen ist von diesem Krieg.

So wirkt diese Dokumentation wie Teil einer Mission, die der schon früher als Aktivist aufgetretene Hollywood-Star derzeit verfolgt: schnell mehr Waffen für die Ukraine, mit dem Argument, so lasse sich das Sterben schneller stoppen. Über die Ukrainer sagt er: «Sie werden gewinnen, die Frage ist nur, zu welchem Preis. Es wird immer teurer, je mehr man die Sache verzögert.»

Bildquelle:

  • Sean Penn: dpa

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