Unterschätzte Partnerschaft: Höchste Zeit, sich wieder Frankreich zuzuwenden

Zentrale Achse für Europa: Deutschland und Frankreich.

von MARTIN EBERTS

PARIS/BERLIN – Ein Bonmot über das deutsch-französische Verhältnis besagt, die Deutschen liebten die Franzosen, aber die Franzosen wollten bewundert werden. Umgekehrt bewunderten die Franzosen die Deutschen, die aber wollten geliebt werden. Darin steckt mehr als nur ein Körnchen Wahrheit, und manchmal spiegelt sich das auch in der Politik. Deshalb ist es nicht irrelevant oder nur etwas für Connaisseurs des deutsch-französischen Milieus, sondern ein hartes politisches Faktum.

Der 22. Januar ist – von der Öffentlichkeit wenig beachtet – der „deutsch-französische Tag“. Er erinnert an die Unterzeichnung des „Elysée-Vertrags“ am selben Tag im Jahre 1963 durch Adenauer und De Gaulle. Und weil das nicht weniger als eine epochale und dauerhafte Wende bedeutete und der deutsch-französischen Freundschaft Struktur und Dauer verlieh, war es nur folgerichtig, dass schließlich 2003, zum 40. Jahrestag des Vertrages, eben dieser Gedenktag ausgerufen wurde – nicht als Feiertag für blumige Reden und Preisverleihungen, sondern in erster Linie als ein „Graswurzel-Ereignis“, bei dem in Schulen und Vereinen, auf kommunaler und zivilgesellschaftlicher Ebene diese vielleicht einzige echte „Völkerfreundschaft“ unserer Zeit praktisch erfahren und gelebt werden soll.

Der Amtsantritt von Donald Trump könnte ein Weckruf sein

Wann, wenn nicht jetzt ist der Moment, das schlummernde Potential des deutsch-französischen Verhältnisses endlich wieder auszuschöpfen? Ist die Rolle der USA in der NATO ungewiss? Fragen wir uns, was mit der Ukraine passiert? Brauchen wir dringend Synergie-Gewinne, um unsere Verteidigung wieder auf die Beine zu stellen? Ist die EU führungslos und verliert sich in Nebensächlichem? Höchste Zeit für ein Comeback des „deutsch-französischen Paares“!

Es lässt sich nicht leugnen, dass weder Merkel noch Scholz Verständnis für Frankreich hatten, und schon bei Schröder war das Interesse eher oberflächlich. Der letzte Bundeskanzler, dem das deutsch-französische Verhältnis wirklich am Herzen lag, war Helmut Kohl. Seither hat Frankreich im Kanzleramt nur noch pflichtgemäße Wahrnehmung erfahren, und das gilt trotz des „Aachener Vertrages“ von 2019, der als Aktualisierung oder gar Wiederbelebung des Elysée-Vertrags gedacht war, aber doch eher der Papier gewordene Ausdruck des Pflichtschuldigen blieb.

Angesichts dessen ist es ein kleines Wunder, wie gut vieles zwischen Deutschland und Frankreich läuft, über Jahre hinweg, und sogar unabhängig von der politischen Konjunktur. Da ist zum Beispiel – heute aktueller denn je – die viel gescholtene Rüstungskooperation. Im vergangenen Jahr hat es dabei, allen Unkenrufen zum Trotz, Fortschritte und Durchbrüche gegeben. Das betrifft nicht zuletzt die Kooperation beim Panzerbau, wo schon seit zehn Jahren beiderseits große Kapazitäten fusioniert wurden (KNDS); und das gilt auch für das vieldiskutierte deutsch-französische Kampfflugzeugprojekt FCAS – immer wieder totgesagt, aber seit 2024 endlich auf Kurs.

Auch wenn sich Olaf Scholz herzlich wenig darum schert, was westlich des Rheins gedacht und gewollt wird, ganz zu schweigen von seiner verheerenden, geradezu anti-französischen Energiepolitik, die in der EU zu unnötigen Konflikten führt, gibt es doch noch eine Menge, worauf die nächste Bundesregierung aufbauen kann. Das deutsch-französische Verhältnis ist eben bis zu einem gewissen Grade ein Selbstläufer, der politische Latenzphasen wie unter der Ampelregierung unbeschadet überstehen kann.

Aber es gibt mehr als Trouble-Shooting und politische Krisenprävention. Was zwischen Deutschen und Franzosen in Jahrzehnten gewachsen ist, darf mit Fug und Recht als Alleinstellungsmerkmal einer bilateralen Beziehung gelten. Seit dem Elysée-Vertrag ist ein so dichtes Geflecht zwischengesellschaftlicher Bindungen entstanden, wie mit keinem anderen Land auf der Welt, vom deutsch-französischen Jugendwerk bis zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Die Deutschen und Franzosen warten nicht auf die Vorgaben der Politik.

Allerdings ist es jetzt auch höchste Zeit, das wieder in Erinnerung zu rufen und mit diesem Pfund zu wuchern. Jede neue Generation muss das neu erfahren und verstehen. Auch ohne Trump und Krisenlage.

Bildquelle:

  • Deutschland_Frankreich: depositphotos

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