von DR. STEFAN WINCKLER
BERLIN/HAMBURG – Am 22. September 1985 verstarb der Großverleger und politische Publizist Axel Springer. Seine letzten Worte waren: „Es könnte nicht besser sein“. Was wird er damit gemeint haben?
Springer war Preuße, geboren am 2. Mai 1912 in der Großstadt Altona bei Hamburg. Die preußische Herkunft blieb ihm stets bewusst, da ihm der Bezug zu Berlin fast schon in die Wiege gelegt war.
Er war der Sohn eines Druckerei- und Verlagsbesitzers, die Mutter eine bildungsbürgerliche Goethe-Verehrerin. Hinzu kam die musische Prägung: In jungen Jahren wollte Springer Sänger werden, sein Idol war Richard Tauber. Der Vater vermittelte ihm jedoch eine journalistische Ausbildung bei Wolffs Telegraphischem Bureau in Hamburg und der Bergedorfer Zeitung. Durch Krankheit blieb Springer der Kriegseinsatz erspart.
Im Dezember 1945 fiel es dem zuständigen britischen Offizier leicht, ihm eine Verlagslizenz zu gewähren, denn Springer stand dem Nationalsozialismus auch wegen des elterlichen Einflusses fern. Sein erstes Projekt waren die NORDWESTDEUTSCHEN HEFTE, die Sendeprotokolle des NWDR enthielten.
Es folgte die Gründung der Radiozeitschrift HÖRZU (1946) des HAMBURGER ABENDBLATTS und der Frauenzeitschrift CONSTANZE (beide 1948).
„Unernst“, ja „anti-konventionell“ , so Springer, war die BILD, die er 1952 konzipierte. Er kaufte die Qualitätszeitung DIE WELT und die WELT am SONNTAG im Jahr darauf.
Springers Medien waren dank seiner Ideenfülle innovativ, der Verlag expandierte
Er selbst entwickelte sich zu einem politischen „Pressezaren“. Doch schon in der Anfangszeit stand er der Hamburger SPD, Bürgermeister Max Brauer und dessen Nach-Nachfolger Herbert Weichmann, nahe.
1958 versuchte Springer in Moskau vergeblich, dem sowjetischen Generalsekretär Chruschtschow die Vorteile der Deutschen Einheit, gerade auch für die UdSSR, nahezubringen.
Seine ökonomisch-rationale Argumentation blieb erfolglos. Zutiefst enttäuscht, entschied sich Springer im gleichen Jahr, den kalten Krieg gegen die DDR in der Presse aufzunehmen oder zu verschärfen. Eine weitere Folge war die demonstrative Verlegung des Verlagssitzes von Hamburg nach Berlin (ungeachtet der Berlin-Krise 1958): Er ließ das Springer-Hochhaus direkt an der Mauer in Berlin-Kreuzberg bauen.
Seine Zeitungen prangerten permanent das Grenzregime der DDR an
Springer selbst formulierte drei Tage nach der Absperrung des Ostsektors in Berlin die Schlagzeilen der BILD: Der Westen tut NICHTS! Präsident Kennedy schweigt… Macmillan geht auf die Jagd… und Adenauer schimpft auf Willy Brandt“. Bald versöhnten sich der anfangs erzürnte Adenauer und Springer, der „sehr oft“ sein Gast in Rhöndorf war. Dort gab ihm der (Alt-)Kanzler, dem er sich politisch annäherte, auf den Weg: „Es gibt keine gültigen Verträge mit dem atheistischen, kommunistischen Osten. Seien Sie immer besorgt vor dem noch immer unausbalancierten deutschen Volk. Seien Sie immer gut Freund mit den Juden und mit dem Staat Israel“ (vgl. Axel Springer, 2.5.1982 im ZDF).
Israel sollte zu einem maßgeblichen Thema für Springer werden. Im geteilten Jerusalem vor dem Sechstagekrieg erkannte er das Pendant zum gespaltenen Berlin. Aus der Shoah zog er die Konsequenz, den lebenden Juden angesichts ihrer Gefährdung zu helfen: in Gesprächen mit Politikern, durch Spenden, und die Inhalte seiner Zeitungen.
Im Jahre 1967 entwarf Springer vier der politischen Verlagsgrundsätze
„Eintreten für die Wiedervereinigung, Aussöhnung mit den Juden, Kampf gegen politischen Extremismus, Unterstützung der freien sozialen Marktwirtschaft“.
1967/68 war die WELT die publizistisch-intellektuelle Gegenspielerin der Linksradikalen und ihrer Mitläufer. Schon seit dem späten sechziger Jahren war Springer ein Gegner des Linksprotestantismus. Springer war wegen seines Besitzes und seiner Einstellungen eines der Feindobjekte der APO, seine Enteignung wurde gefordert. Diverse Kampagnen (Wallraff!) gegen BILD waren im Gange, aber keine gegen die Boulevardzeitungen, die in anderen, eher linksliberalen Verlagen erschienen.
Die Ostpolitik Willy Brandts und Egon Bahrs beunruhigte Springer, der darin eine Anerkennung von sowjetischem Unrecht sah, so dass er spätestens ab Ende 1969 die CDU/CSU, v.a. Franz Josef Strauß bevorzugte. Kurz vor seinem Tod versöhnte er sich persönlich mit Brandt – in Jerusalem.
Ein massiver Schicksalschlag war der Suizid seines Sohnes Axel Springer jr. (Pressefotograf, Pseudonym: Sven Simon) im Jahre 1980. Immer wieder vertiefte er sich im Kloster des Hl. Johannes auf Patmos in die Religion, unterstützt durch Lektüre und Gespräche zuhause. Begeistert war er damals von Johannes Paul II. und Ronald Reagan.
Kommen wir zu den letzten Worten, die Ehefrau Friede überlieferte. Es könnte sein gewachsener Glaube gewesen sein, der ihn ohne Seelenqual sterben ließ, und vielleicht mag auch die Hoffnung auf die Überwindung des Sowjetkommunismus, der Spaltung Deutschlands und v.a. Berlins gewirkt haben – fünf Jahre vor Vollendung der Einheit.
Bildquelle:
- Avel_Springer: axel springer se