Wahl in Holland: Betrachten wir es mal ganz nüchtern…

von MARTIN D. WIND

Kennen Sie „Die Ritter der Kokosnuss“, den satirischen Spielfilm der Truppe um Monty Python von 1975? Es gibt darin eine Szene, die bei mir in Erinnerung tritt, wenn ich Wahlberichterstattung beobachte: König Artus zieht durchs Land und sucht den „Heiligen Gral“. Unterwegs hat er viele Herausforderungen zu meistern. Eine Herausforderung ist der „Schwarze Ritter“, der alle angreift, für niemanden zur Seite tritt, sich für unbesiegbar hält und niemanden über „seine“ Brücke lässt. König Artus lässt sich nicht beirren und beginnt einen Schwertkampf mit dem Schwarzen Ritter. Dabei verliert der Schwarze Ritter beiden Arme und Beine. Dennoch beharrt er darauf, nicht verloren zu haben, sondern bietet König Artus – auf beinlosem Rumpf stehend und mit den armlosen Schultern kreisend – ein „Unentschieden“ an.

Am vergangenen Mittwoch wurde in den Niederlanden (NL) gewählt. Würde man die niederländischen Verhältnisse nicht kennen, müsste man annehmen, der bisherige Ministerpräsident Mark Rutte habe souverän die Wahl gewonnen. So zumindest war der vorherrschende Tenor der Berichterstattung sowie der „Jubel“ unter Politikern, die ihre Meinung zum Wahlausgang zum besten geben. Da ist von einem „Votum für Europa“, „der Stärke der Demokratie“ und von einer „herben Schlappe für Populisten“ die Rede. In einem Interview mit der Tageszeitung „die Welt“ behauptete der Partei-Vize der SPD Stegner: „Es ist vor allem beruhigend, dass die Rechtspopulisten keinen Einfluss auf die Regierung bekommen.“ Angela Merkel, Bundeskanzlerin, erklärte: „Ich glaube es war ein guter Tag für die Demokratie.“ Martin Schulz, frisch gekürter Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten meinte: „Das ist eine gute Nachricht für Europa und für die Niederlande.“

Doch schauen wir uns diese „Stärke“ und die „Schlappe“ doch einfach mal ohne Interpretationsvorlagen der Medien und aus den Parteien an. Es fällt auf, dass keine der deutschen, ehemaligen „Volksparteien“ einen „Wahlsieg“ ihrer niederländischen „Schwesterparteien“ feiern kann. Die deutschen Parteien bejubeln, dass „sie“ in diesem Kampf um die Macht mit zwei blauen Augen und einem Nierentreffer davongekommen sind und nicht auch noch Zähne ausspucken mussten. Denn die Freudenbekundungen beziehen sich immer darauf, dass Geerd Wilders mit seiner „Partij voor de Vrijheid“ (PVV) „nur“ die zweitgrößte Menge an Wahlstimmen auf sich vereinen konnte. Die meisten Stimmen hat der amtierende Regierungschef Mark Rutte von der „Volkspartij voor Vrijheid en Democratie“ (VVD) gesammelt.

Rutte musste seinen „Sieg“ mit dem Verlust von 5,28 Prozent der abgegebenen Stimmen hinnehmen. Seine sozialdemokratischen Koalitionspartner, „Partij van de Arbeid“ (PvdA)  hat es geradezu zu Staub zerlegt: Sie verlor 19,14 Prozent und sank auf eine Zustimmung von 5,70 Prozent. Weshalb SPD-Vertreter in Deutschland angesichts eines solchen Desasters noch  frohe Botschaften verkünden, kann eigentlich nur mit milieubedingter Realitätsverschiebung erklärt werden. Der als „Verlierer“ der Wahl apostrophierte Wilders hingegen konnte 3,02 Prozentpunkte gutmachen und den Stimmanteil seiner PVV auf 13,10 Prozent ausbauen. Die PVV wird demnach die zweitstärkste Partei im niederländischen Parlament sein. Sollte man bei der CDU einen echten Grund zur Freude suchen und finden wollen, dann könnte man bestenfalls die Stimmengewinne der beiden Parteien mit dem „C“ aus der niederländischen Parteienlandschaft anerkennend zur Kenntnis nehmen. Denn „Christen Democratisch Appèl“ (CDA) konnten einen Zugewinn von 3,99 Prozent und die „ChristenUnie“ (CU) einen Zuwachs von 0,27 Prozent verbuchen.

Realistisch und mit kühlem Verstand betrachtet gibt es in den NL demnach nur einen echten Gewinner der Wahlen: Geert Wilders. Und wenn Stegner meint, dieser „Rechtspopulist“ habe keinen Einfluss auf die Regierungspolitik seines Landes, dann sei er daran erinnert, dass Rutte schon früher die Politik Wilders umgesetzt hat, lediglich ohne dessen rassistischen und antieuropäischen Tendenzen. Wer anderes behauptet, muss sich nicht wundern, wenn er nicht mehr ernst genommen werden kann – so wie der vollkommen hilflose Schwarze Ritter, der seinem überlegenen Gegner ein „Unentschieden“ anbietet.

Bildquelle:

  • Tulpenfeld: dpa

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