Warum die Weltmacht China durchgesetzt hat, dass in Deutschland ein Kinderbuch aus dem Handel genommen wurde

HAMBURG – Über China soll es im Westen nur positive Geschichten geben, so will es das Regime in Peking, und darum bemühen sich die Diplomaten, die hier was auch immer tun. „Die Volksrepublik China“, sagt der Baseler China-Experte Ralph Weber, „versucht zu steuern, wie wir über China denken und sprechen. Und schreckt dabei auch vor massiven Drohungen nicht zurück. Über einen konkreten Fall berichtete jetzt die Deutsche Welle (DW).

Im Hamburger Carlsen-Verlag ist ein Kinderbuch mit dem schönen Titel „Ein Corona-Regenbogen für Anna und Moritz“ erschienen. Constanze Steindamm und die Illustratorin Dorothea Tust haben es für die Welterklärer-Reihe „Lesemaus“ produziert. Und der Moritz, der wie man am Titel merkt darin vorkommt, sagt einen Satz, der nicht gut ankommt bei unseren chinesischen Freunden, der allerdings wahrscheinlich der Realität entspricht. Moritz: „Das Virus kommt aus China und hat sich von dort aus auf der ganzen Welt ausgebreitet.“

Der Verlag wollte schnell im Frühjahr 2020 ein Buch auf den Markt bringen, das die weitreichenden Veränderungen des Alltags in der Pandemie und die Hygiene- und Verhaltensmaßnahmen kindgerecht erklärt. Der Verlag schrieb dazu: „In dem Buch geht es darum, zu erklären, wie sich Kinder und Erwachsene vor einer Infektion schützen können.“

Doch dieses Kinderbuch fand nicht das Gefallen des chinesische Konsulats in Hamburg, das dem Carlsen-Verlag allen Ernstes mit einer Strafanzeige drohte und den Rückruf des Buches vom Markt verlangte. Außerdem natürlich eine öffentliche Entschuldigung.

Und, was soll man sagen? Der Carlsen-Verlag stoppte die Auslieferung des Kinderbuchs und legte eine überarbeitete Fassung des Buches auf – ohne diesen einen Satz von Moritz natürlich. Gegenüber der Deutschen Welle rechtfertige sich der Verlag, das Buch habe seinerzeit dem „Stand der Berichterstattung“ entsprochen, doch „heute würden wir diese Formulierung, deren Bedeutung sich als weitaus offener erwiesen hat, als wir es beabsichtigt hatten, nicht mehr treffen.“  Außerdemwandte sich der Verlag an seine Leserinnen und Leser und – Achtung! – bat „um Entschuldigung für den Fall, dass sich China durch die Formulierung in ihren Gefühlen verletzt fühlen sollten.“ Das Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, das den Carlsen-Verlag bei seinem Corona-Kinderbuch fachlich beraten hat, verweigerte gegenüber der DW jedwede Auskunft.

Der Journalist und China-Kenner Shi Ming formuliert gegenüber dem Sender eine mögliche Erklärung, warum eine sich eine aufstrebende Weltmacht aus Asien mit einem Kinderbuch in Deutschland beschäftigt. Denn zu Beginn der globalen Pandemie habe China selbst davon gesprochen, dass Covid-19 zuerst in China, in Wuhan aufgetreten sei. Nun versuche Peking, das Gedächtnis an diese Tatsache global zu tilgen. Vielleicht geht es um Entschädigungsforderungen, die auf China zukommen könnten, sicher will Peking aber den immensen Imageschaden rund um den Globas reparieren. Falls Sie jetzt denken, so etwas hätten Sie schon einmal gehört, gehen Sie zu Ihrem Bücherregal im Wohnzimmer. Da steht hoffentlich ein Exemplar von George Orwells „1984“. Und dann lesen Sie einfach nochmal nach!

Die chinesische Botschaft in Berlin beschäftigt etwa 500 Diplomaten und Mitarbeiter. Experten schätzen, dass mindestens zehn Prozent davon sich nur darum kümmern, Einfluss auf das Kulturleben in Deutschland zu nehmen. Teil der Strategie sind neben Botschaft und Konsulaten auch die Konfuzius-Institute. Die chinesische Botschaft übt sanften, manchmal auch massiven Druck aus, um Themen wie Tibet und den Tiananmen aus der Berichterstatung und dem öffentliche Leben in Deutschland zu tilgen. Oder sie behindern und verhindern, was immer möglich ist, damit sich die Vertretung von Taiwan bei offiziellen Terminen nicht präsentieren darf. Und weil China einer der wichtigsten Absatzmärkte der deutschen Industrie ist, kuschen Bundesregierung und deutsche Industrie vor Peking.

 

 

Bildquelle:

  • Kinderbuch_China: amazon

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