Warum mich der „Fall Reichelt“ so fesselt, und warum China uns ernste Sorgen macht

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die erste Woche unserer, Ihrer, neuen Online-Tageszeitung ist bald geschafft. Und was soll ich sagen, es ist viel Arbeit. Aber es ist auch ein gutes Gefühl für einen Journalisten, der eigentlich bald in Ruhestand gehen würde, mit so einer phantastischen Mannschaft nochmal etwas Neues auf die Beine zu stellen. Einfach Journalismus machen. Sie glauben gar nicht, wie sehr ich es genieße, mein eigener Chef zu sein und die Themen machen zu können, die mir wichtig sind – ohne jemanden um Erlaubnis fragen zu müssen. Einfach Journalismus, neugierig sein, Dinge ans Licht bringen, neuen Leute kennenlernen und ihre Sicht zu erfahren – und das jeden Tag. O.k., jeden Morgen um fünf Uhr aufstehen…ist im Preis mit drin.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich so intensiv Anteil am „Fall Reichelt“ bei BILD nehme – in den ersten Tagen unser Thema mit den höchsten Zugriffszahlen übrigens. Soll da ein wichtiger Medienmann, der im Mainstream nicht mittanzen will, der seinen Beruf ernst nimmt und auch keine Angst vor der Machtmaschine aus der Uckermark hat, ausgeschaltet werden? Nicht mit Nowitschok im Tee, sondern mit miesem Flurgeraune? Oder ist etwas dran an der Belästigung von Mitarbeiterinnen durch rauem Umgangston und Günstlingswirtschaft? Konsumiert er vielleicht sogar Drogen – so wie sehr viele Journalisten bei anderen Medien auch, ohne dass die sich dafür von einem Lowperformer wie Jan Böhmermann ans Bein pinkeln lassen müssen?

Und was geht die Öffentlichkeit das Privatleben und evtl. Liebschaften an, so lange sie keinen Einfluss auf die Ausübung des Berufes haben, was eine besonders haarige Sache ist, wenn man jeden Tag auf der Klaviatur der öffentlichen Meinung spielen muss? Da wird Flurklatsch schnell zu einem Skandal aufgepumpt, ohne dass es ein Skandal wäre. Und wo lernt man Partner kennen, wo fängt es mit der Liebe an? Im Internet oder im Berufsalltag. Ich habe meine Frau in einer Zeitungsredaktion kennengelernt, wir haben geheiratet und vier Kinder. Und? Was geht es die Öffentlichkeit an, wo wir uns kennengelernt haben?

Es gibt, das versichern mir wichtige Gesprächspartner aus dem Hause Springer, bisher nicht den geringsten Beleg dafür, dass Julian Reichelt irgend etwas Strafbares getan hat. Er hat sich nicht bereichert, ist nicht korrupt, hat niemanden sexuell belästigt – strafrechtlich alles absolut sauber. Alles andere regelt die Compliance im Hause Springer. Jede hat so lange als unschuldig zu gelten, bis er einer Schuld überführt wurde. So lange ist er unschuldig. Auch wenn er Chefredakteur der BILD-Zeitung ist.

Was beschäftigt uns heute nachrichtlich? Corona, klar. Die Selbstbedienungsmentalität bei den Zwangsgebührensendern und China, immer wieder China. Groß, stark, ein Riese auf der Weltbühne. Und Riesen sind nur aufzuhalten, wenn es einen anderen Riesen gibt, der bereit ist, Kleinen in der Not beizustehen. Wir sind gespannt, und wir werden das in unserer Berichterstattung intensiv verfolgen.

Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Tag!

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

 

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren

Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.