CHICAGO – Der frühere US-Präsident Barack Obama schreibt in seinem Buch „A Promised Land“ (Penguin Random House) über seine diversegen Begegnungen mit hochrangigen russischen Politikern. Aus aktuellem Anlass dokumentieren wir hier einen Auszug:
„Ich kann den russischen Charakter nicht verstehen. Ich habe mich viele Male mit russischen Politikern getroffen. Ein Russe lügt dreist, sieht dir dabei in die Augen und weiß, dass du die Lüge erkennst – und es ist ihm überhaupt nicht peinlich.
Die Lüge ist genau das, was die russische Macht überallhin verfolgt.
Bei allen Treffen mit russischen Politikern hatte ich den Eindruck, dass für sie nur ihr eigener Monolog zählte – deine Einwände oder Bemerkungen interessierten sie überhaupt nicht. Im besten Fall bekommt man ein paar Worte vor der Kamera zugestanden. Unter vier Augen habe ich nur zugehört. Kaum hatte ich die Gelegenheit, „Hallo“ zu sagen oder mit etwas zu beginnen, schon begann ein endloser Monolog, in dem ausführlich und scharf alle Vorwürfe gegenüber den USA und Missstände verschiedenster Art geäußert wurden.
Russische Politiker erinnerten mich an Leute, die einst in den 1930er-Jahren während der Großen Depression die Chicagoer Mafia leiteten. Als Präsident der Vereinigten Staaten, im Umgang mit Politikern verschiedenster Ebenen in Russland, wurde mir klar, dass ich es nicht mit hochgebildeten Menschen zu tun hatte, sondern mit auf der Straße groß gewordenen, harten, gefühllosen, engstirnigen Typen, die nie über ihren begrenzten Erfahrungshorizont hinausgegangen waren und die immer Schutzgelderpressung, Bestechung, Erpressung, Täuschung und gelegentliche Gewalt als legitime Mittel ihres Handelns betrachteten. Die diplomatische Sprache existiert für russische Politiker überhaupt nicht – es gibt nur das In-die-Ecke-Drängen und die Sprache des eigenen Kodex.“
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