BERLIN – Ihre Mutter und ihr Bruder Ralf starben in den Gaskammern des Konzentrationslagers Ausschwitz, sie selbst konnte sich 15 lange Monate vor den Mörderbanden des Nazi-Regimes verstecken.
Die damals 21-Jährige färbte sich die Haare, trug ein Kreuz, ließ sogar die Nase korrigieren, um nicht als Jüdin erkannt zu werden, doch schließlich fanden sie die junge Frau und deportierten sie ins Ghetto Theresienstadt, irgendwo im „Protektorat Böhmen und Mähren“, wie die Nazis den besetzten Teil der Tschechoslowakei bezeichneten.
„Ghetto“, so nannten sie das Konzentrationslager, das wie Auschwitz Teil der „Endlösung der Judenfrage“ wurde, der industriell geplanten Vernichtung der Juden überall im Herrschaftsbereich des Hitler-Regimes. Zunächst angelegt für Gefangene aus der Tschechoslowakei, bald wurden Tausende aus allen Teilen Europas in das Vernichtungslager gebracht.
Margot Friedländer überlebte den Holocaust – nun ist sie im Alter von 103 Jahren gestorben
Bis zu ihrem Tod war sie die wohl wirkmächtigste Überlebende der Nazi-Barbarei, warnte unermüdlich über die Medien, bei Treffen mit Schülern und Studenten, auf Veranstaltungen davor, dass sich so ein monströses Verbrechen nie, nie, nie wiederholen darf.
Nach der Befreiung 1945 wollte sie nur weg aus Deutschland, sie zog mit ihrem Mann in die USA. Beide nahmen die amerikanische Staatsbürgerschaft an, strichen das Ä aus ihrem Namen, hießen fortan Friedlander.
Doch niemals lösten sie sich von ihrer alten Heimat, wurden keine Amerikaner. Zu Hause sprachen sie immer nur deutsch. Und nach dem Tod ihres Mannes Alfred begann sie zu schreiben über ihr Leben und sich mit ihrem Heimatland wieder auseinanderzusetzen.
Im Jahr 2003 – nach 57 Jahren – reiste sie zum ersten Mal wieder nach Deutschland. Sieben Jahre später kehrte sie für immer zurück – nach Berlin, in die Stadt, in der sie 1921 geboren wurde.
„Dass ich mich entschlossen habe, mit 88 Jahren New York aufzugeben, nachdem ich 64 Jahre dort gelebt habe, um zurückzukommen nach Berlin. Das ist, weil ich Berlinerin bin, ich gehöre hierher“, so beschrieb Margot Friedländer ihre Beweggründe, zurückzukehren und auch die deutsche Staatsbürgerschaft wieder anzunehmen. In ihrer neuen Wohnung in Berlin hängte sie einige wenige Erinnerungen auf, die ihr geblieben waren: ein paar alte Fotos, die Bernsteinkette ihrer Mutter, ihren „Judenstern“.
„Ich möchte nicht, dass ein Mensch so etwas erleben muss, was wir erlebt haben“, sagte sie, wenn Sie vor jungen Menschen aus ihrem Leben erzählte. Und: „Was war, war. Aber es darf nie wieder geschehen!“
Bis zum letzten Tag ihres Lebens stemmte sich diese so gebrechlich wirkende Frau mit ihrer leisen Stimme gegen jede Form von Relativierung, gegen jede Art von widerwärtigem „Schuldkult“-Gequatsche heutiger Tage. Bis zum letzten Atemzug gab sie den Toten des Nazi-Terrors eine starke Stimme.
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