von KLAUS KELLE
BIELEFELD – Bundesliga-Duelle zwischen Borussia Dortmund und Arminia Bielefeld haben eine lange Tradition. Die Älteren unter uns erinnern sich noch an manche Begegnungen, die Bundesliga-Geschichte schrieben. Allen voran natürlich an den 6. November 1982. Da gastierte die Arminia im Westfalenstadion und ging in der 16. Minute durch ein Tor von Frank Pagelsdorf in Führung. Drei Minuten später glich Manni Burgsmüller aus – 1:1 auch der Halbzeitstand. Was nach dem Pausentee folgte, war kein Fußballspiel, es war ein Massaker. 10 Tore in 45 Minuten, man konnte sich nach einem Wiederanpfiff nicht einmal richtig ärgern, da klingelte es schon wieder: Burgsmüller – Abramczik – Burgsmüller – Zorc – Klotz – Raducanu – jeder durfte irgendwie auch mal. Eine Demütigung, wie man sie in einem Fußballstadion nur selten erlebt.
Aber es gab eben auch dieses legendäre Nachholspiel am 29. Dezember 1978 im strömenden Regen auf der unüberdachten Alm. Als Ellbracht in der 85. Minute das Ding gegen die hochfavorisierten Borussen zum 4:3-Sieg reinmachte. Ich gehe seit 42 Jahren auf die Alm, ich hab alles schon gesehen und erlebt dort, aber diese Begegnung ist für mich das Arminia-Spiel meines Lebens. Wenn mich irgendwann auf dem Totenbett jemand auf die Schulter tippt und fragt: „Klaus, was ist für Dich das größte Fußball-Erlebnis ever?“ – ich würde ihm von diesem Abend erzählen, von der Enge auf Block 3, von den Wasserfontänen, die in jede Pore meine Haut eindrangen – und glauben Sie mir, an einem 29. Dezember ist das nicht lustig. Von der Hysterie, vom Schreien, von den Tränen… niemals vergisst Mann ein solches Fußballspiel. Niemals.
Vorhin also wieder der Klassiker, Dortmund Tabellenzweiter und erster Verfolger der Meisterabo-Bayern, Arminia Vorletzter und in akuter Abstiegsgefahr. Und es lief wie erwartet. Die Borussen dominierten den Almrasen, ohne aber abzuheben, wenn Sie verstehen was ich meine. Wenn Bielefelder Stürmer den Ball bekommen, dann überlegen sie ein, zwei Sekunden, was sie jetzt damit anfangen sollen. Gegen eine Spitzenmannschaft wie Dortmund ist der Ball dann meistens auch schon wieder weg. Wenn Marco Reus oder Mats Hummels den Ball bekommen, dann spielen sie ihn einfach weiter- und zwar genau dorthin, wo er landen soll.
Das 2:0 von Hummels dokumentierte, was ich meine. Mit seinem genialen Volleyschuss rechts oben ins Eck des Bielefelder Tores bildete er ab, was den Unterschied zwischen einem kämpfenden Underdog und einer lässigen Spitzenmannschaft ausmacht. Und dabei war Arminia gar nicht einmal chancenlos. Drei Mal schafften es die Stürmer frei vor dem Tor aufzutauchen, drei Mal schafften sie es aber nicht, die Kugel zu versenken. Erst Routinier Fabian Klos, zur Halbzeit eingewechselt, durfte kurz vor Schluss mit einem Elfmeter den Ehrentreffen für die Hausherren ins Netz ballern.
Bielefelds Coach Frank Kramer fasste das so zusammen: «Die Mannschaft war sehr gut im Spiel. Aber dann kommt aus dem Nichts der Elfmeter.» Ja, aber der war absolut berechtigt. Bielefeld ist jetzt nach neun Spieltagen weiter ohne einen einzigen Sieg.
Die Alm ausverkauft, ein schönes aber nicht mitreissendes Spiel, der erwartete Sieger. Und die 25.000 können bestätigen: Bielefeld gibt es doch. Stress übrigens an den Verpflegungsständen auf dem Stadiongelände – das Internet brach zusammen, und Kartenzahlung war über die ganze Zeit nirgendwo möglich. Da wurde viel geschimpft bei den Freunden der ostwestfälischen Bratwurst und des kalten Krombachers. Arminia-Offizielle raunten mir nach dem Spiel zu, es könnte sich um einen Hackerangriff gehandelt haben. Als Ostwestfale glaube ich instinktiv erst einmal, das Netz im Stadion ist zu schwach und niemand hat sich rechtzeitig gekümmert….
Bildquelle:
- Arminia Bielefeld – Borussia Dortmund: dpa