Willkommen in Niger: Wo der Westen ebenso versagt wie überall in Afrika

Bittere Armut: Mädchen in Niger.

von KLAUS KELLE

Wissen Sie eigentlich, wo der Staat Niger liegt? Klar, irgendwo in Afrika, und Niger ist etwas anderes als Nigeria, das haben wir inzwischen erfahren, seit es die Putschberichte von dort auf unsere Titelseiten geschafft haben.

Also, Niger, das ist im oberen Teil des afrikanischen Kontinents irgendwo mittendrin. Im Norden Algerien, im Osten Tschad, Benin im Westen und im Süden Nigeria. 26 Millionen Menschen leben in der ehemaligen französischen Kolonie – fast die Hälfte unter der Armutsgrenze, das bedeutet weniger als zwei US-Dollar Pro-Kopf-Einkommen am Tag.

Das ist nicht schön, und man wundert sich, dass in solchen Ländern überhaupt noch jemand lebt.

Frankreich hatte den westafrikanischen Staat mit regelmäßigen Zahlungen von im Jahr 120 Millionen Euro am Leben gehalten. Gestern beschloss der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat unter Vorsitz von Präsident Macron, diese Zahlungen zu stoppen.

Denn am Mittwoch hatte die nigrische Präsidentengarde den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum mit einem Putsch abgesetzt. Der mutmaßliche Verantwortliche, General Omar Tchiani, erklärte sich selbst zum Präsidenten. Afrika halt mal wieder…

Der schwarze Kontinent entwickelt sich seit Jahren zunehmend zum Pulverfass. Und – wieder einmal – hat der Westen, haben wir, eine Entwicklung verschlafen, die auch gefährlich für uns in Europa und Deutschland werden kann.

Die frühere Kolonialmacht Frankreich kämpft in Westafrika jahrelang gegen Islamistenmilizen und global operierende Terrororganisationen wie IS und Al Kaida. Bei der Operation «Barkhane» waren zeitweise 5000 Soldaten im Einsatz. Ein Schwerpunkt war dabei Mali. Wo auch die Bundeswehr jahrelang mitgemacht hat – ohne erkennbar irgendwas zu bewirken.

«Nach und nach endet für Frankreich eine historische Phase, eine postkoloniale Phase der militärischen Präsenz», analysierte der Journalist Antoine Glaser gerade im Sender France Info. «Von Mauretanien bis zum Sudan haben die Dschihadisten es geschafft, die westlichen Kräfte zu vertreiben.»

Und das ist schlecht, denn wenn der Westen geht, kommen andere.

Neben Islamisten Chinesen und Russen

Peking und Moskau sind die Nutznießer dieser Entwicklung. China folgt schon seit Jahren einer ausgefeilten Afrika-Strategie, baut Infrastruktur für arme Staaten und sichert sich im Gegenzug politischen Einfluss und Bodenschätze, die es dringend benötigt. In der Sahelzone mischen zudem die Russen mit.

Die Übergangsregierungen in Mali und Burkina Faso haben die Franzosen rausgeschmissen und orientieren sich Richtung Kreml. Überall dort sind russische Söldner der Gruppe Wagner im Einsatz, die dort nicht nur militärisch „wirken“, sondern auch geschäftlich und politisch eine wachsende Rolle für Russland einnehmen – Prigoschin hin oder her.

Der Wagner-Chef, angeblich entmachtet und im Exil in Belarus, meldete sich putzmunter nach dem Umsturz in Niger öffentlich zu Wort und gratulierte den Umstürzlern.

Frankreich bezieht Uran aus Niger

Und es gibt ein weiteres Problem. Frankreich bezieht aus Niger Uran, das es für seine Atomstreitkräfte benötigt. Und zwar viel Uran. Das könnte perspektivisch ein ernstes Problem für Macron werden.

Aber zurück zu den geostrategischen Fragen. Die gestürzte Regierung Bazoum war ein wichtiger Verbündeter der EU und übrigens auch der USA im Kampf gegen den Terrorismus in der Sahelzone, sie war reformorientiert und pro-westlich.

Und nun ist sie weg. Und Russland sitzt mit am Tisch. Putins Russland.

Wieder hat der Westen keinen Plan, wieder hat man bedrohliche Entwicklungen auf die leichte Schulter genommen. Ist ja nur Afrika, ist weit weg.

Gern würde ich wissen, was der deutsche Bundesnachrichtendienst eigentlich über den bevorstehenden Putsch in Niger nach Berlin berichtet hat. Hat er das überhaupt? Oder war es wieder wie beim kurzzeitigen Wagner-„Aufstand“ in Russland, wo unser BND keinen Schimmer hatte und seine Informationen morgens aus dem ARD-Morgenmagazin bezog?

Deutschland ist noch lange nicht in der Reaität angekommen

Militärisch hat man durch Russlands Angriff auf die Ukraine inzwischen begriffen, wie wichtig es ist, moderne und einsatzbereite Streitkräfte zu haben.

Zunehmend begreift man auch, dass es mit der Massenmigration in die Länder der EU ganz furchtbar falsch läuft. Aber man ist weiter unfähig, darauf konsequent zu reagieren.

Und international? Da sind zumindest wir Deutschen und unsere europäischen Partner planlos. Man ist Zuschauer der Ereignisse, aber man hat keine Strategie, orientiert sich an den Amerikanern, die aber gerade in Afrika ebenso fassungslos als Zuschauer am Rande stehen.

Klar, sie können eine Flugzeugträgerflotte hinschicken, ein paar Marschflugkörper auf irgendwen abschießen. Aber das ist keine Strategie, kein großer Plan. Und das ist schlecht.

Ihnen trotzdem einen schönen Sonntag!

Ihr Klaus Kelle

Bildquelle:

  • Mädchen_Niger: pixabay

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