Wird der Westen auch weiter zu Taiwan stehen, wenn er selbst ausreichend Halbleiter produziert?

Taiwans Luftwaffe ist hochmodern und bereit, einen chinesischen Angriff mit aller Macht zurückzuschlagen.

von MICHAEL STING

„Es ist eine Kriegsdoktrin, nicht anzunehmen, dass der Feind nicht anrücken wird, sondern sich auf die eigene Bereitschaft zu verlassen, ihm entgegenzutreten. Nicht anzunehmen, dass er nicht angreifen wird, sondern Vorkehrungen zur eigenen Unbesiegbarkeit zu treffen.“

Dieses Zitat stammt von dem chinesischen General Sūnzǐ. Sein Werk „Die Kunst des Krieges“ gilt auch heute noch als Leitfaden für viele Militärs weltweit.

Seit der gewaltsamen Einnahme der ukrainischen Halbinsel Krim im Frühjahr 2014 durch die Russische Föderration, verfolgte die Ukraine diese Doktrin. Militärische Aufrüstung, Disziplinierung der Armee und die Übernahme amerikanischer Ausbildungs-Methoden versetzten die Ukraine in die Position, sich einer vollständigen Eroberung durch Russland entgegenzusetzen.

Doch während die Augen der Welt, insbesondere die der USA und der NATO, auf Osteuropa gerichtet sind, baut sich weit im Osten der nächste große Konflikt auf.

China und Taiwan

Nach dem Ende des chinesischen Bürgerkrieges (1945 – 1949) zwischen der nationalistischen Kuomintang und der kommunistischen Volkspartei, flohen die Mitglieder der Kuomintang unter Führung von General Chiang Kai-Shek aus China und gründeten die Republik Taiwan.

Die Unabhängigkeit Taiwans wird von der chinesischen Führung nicht anerkannt. Die betrachtet Taiwan als einen Teil der chinesischen Volksrepublik. Das zeigt sich u.a. dadurch, dass die chinesische Regierung in Ihren Gesetzen den Mindestlohn für das Gebiet Taiwan offiziell festgelegt hat.

Am Beispiel Hongkong lässt sich erkennen, dass die chinesische Regierung das Ziel eines Einheitsstaates weiter und immer stärker verfolgt. Denn die ursprüngliche Autonomie der Sonderverwaltungszone Hongkong wurde im Jahr 2022 durch ein neues „Sicherheitsgesetz“ der chinesischen Regierung aufgehoben. Der in Hongkong geborene Schauspieler Jackie Chan war dabei einer der stärksten Unterstützer Pekings.
Diese Ereignisse sowie regelmäßige Provokationen durch die chinesische Luftwaffe veranlassten Taiwan zu einer massiven militärischen Aufrüstung. Als aktuelle Schutzmacht wird Taiwan von den USA unterstützt. Doch warum ist die Autonomie Taiwans so relevant für den Westen?

Taiwan umfasst in etwa die Größe Baden-Württembergs, und von den ca. 23,5 Millionen Einwohnern sind ca. 190.000 als aktive Soldaten und 2,3 Millionen Reservisten in die Landesverteidigung eingebunden. Dem gegenüber steht China mit allein rund zwei Millionen aktiven Soldaten.

Die Bedeutung Taiwans für den Westen liegt in der Halbleiterindustrie

Halbleiter sind Hauptbestandteile von Mikrochips und werden u.a. in Smartphones, Laptops oder Autos, in Kühlschränken und Fernsehern bis hin zu Waffen verbaut. Durch Firmen wie Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) und United Microelectronics Corporation (UMC), produziert Taiwan in etwa 70 Prozent aller weltweit hergestellten Halbleiter.

Deren strategische Bedeutung für den Westen insbesondere die USA ist deutlich. Aktuell sind diese Länder bestrebt, eine autonome Halbleiterversorgung innerhalb der nächsten fünf Jahre aufzubauen. Sollte der Westen damit erfolgreich sein, stellt sich die Frage, inwieweit die USA, die NATO und Europa bereit sind, sich auf eine militärische Konfrontation mit China einzulassen, da zu diesem Zeitpunkt keine wirtschaftlichen Gründe für eine Unterstützung mehr vorliegen. Erschwerend ist, dass die USA bereits in zwei Ländern aktiv sind: Südkorea (um mögliche Angriffe aus Nordkorea im schlimmsten Fall zurückdrängen zu können) Und in der Ukraine. Letzteres bindet enorme Mengen an militärischen Ressourcen.

Es ist davon auszugehen, dass China innerhalb dieses Jahrzehntes versuchen wird, die „Wiedervereinigung“ mit Taiwan zu erzwingen. Der Krieg in der Ukraine dürfte bereits ein Lehrbeispiel für China sein, mit welchen Reaktionen, Maßnahmen und Sanktionen der westlichen Welt kalkuliert werden muss.

Noch ist Taiwan unabhängig und die hohe Anzahl an Reservisten zeigt, wie hoch die Bereitschaft ist, das eigene Land und die eigene Freiheit zu verteidigen. Und hohe moralische Unterstützung kommt aktuell noch aus dem Westen. Im Falle eines Krieges müssen wir damit rechnen, dass es massive Auswirkungen auf den Chip-Markt geben wird. Im Falle einer Anektierung durch China müssen wir uns als Westen am Ende die folgende Frage stellen: Können wir uns einen Handelsstopp mit Taiwan überhaupt leisten, wenn wir unseren Wohlstand aufrechterhalten wollen?

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.