Zündeln am globalen Gleichgewicht: Was ist, wenn Russland, China und Iran koordiniert handeln?

ARCHIV - Die Altstadt von Erbil mit dem Basar und dem Bakhi Shar Park im Dezember 2018. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

von KLAUS KELLE

ERBIL/TEHERAN – Der Iran hat heute mitgeteilt, dass der Mullah-Staat Erbil, eine autonome Kurdenregion im Nordirak, die Verantwortung für den Raketenangriff am frühen Morgen übernehme. Die Flugkörper hätten das US-Konsulat als Ziel gehabt und seien in einem Wohngebiet eingeschlagen. Der kurdische TV-Sender Rudaw berichtete, einige Raketen seien in der Nähe des neuen Konsulats zu Boden gegangen, das sich derzeit noch im Bau befinde. Nach Angaben des Innenministeriums gab bes bei dem Angriff einen leicht Verletzten.

Die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) erklärten nach dem Beschuss, sie hätten in Erbil außerdem eine israelische Geheimdienstbasis mit Raketen angegriffen. Die Attacke sei ein Vergeltungsakt für die mutmaßlichen israelischen Angriffe in Syrien vor rund einer Woche, bei dem zwei iranische Offiziere getötet wurden.

Die Welt ist ein instabiler Ort geworden, nicht erst heute, nicht erst am 24. Februar, als Putin seine Armee in Marsch setzte, um die souveräne Ukraine anzugreifen und zu erobern. Dass das gar nicht so einfach zu sein scheint, zeigt sich in den vergangenen Tagen.

Hobby-Analytiker verbreiteten vergangene Woche im Internet Mutmaßungen, nun werde auch China gegen Taiwan losschlagen, das sie ähnlich wie Russland die Ukraine als russische, nur eben als chinesische Erde ansehen. Die Taiwanesen haben da offenkundig andere Auffassungen – so wie die Ukrainer auch.

Die Wahrscheinlichkeit, dass China militärisch gegen Taiwan losschlägt, jetzt wo Russland seinen Machtbereich auszuweiten versucht, ist unwahrscheinlich. Aber auch nicht ausgeschlossen. Und wenn dann Iran und andere arabische Staaten Giftgasraketen auf Israel abschießen, dann würde die Balance auf der Welt kippen. Bei so einem Szenario wäre ein Dritter Weltkrieg wahrscheinlich, und welche Rolle könnten dann noch die USA und die NATO spielen? Wenn die ganze Welt brennt, gibt es irgendwann nicht mehr genügend Löschzüge der westlichen Feuerwehren, um alle Brände gleichzeitig zu löschen.

Und warum sollten sie auch?

Gerade erleben wir ja, dass sich die NATO streng auf das eigene Bündnisgebiet konzentriert. Ja, einige Länder liefern Waffen, die die Ukraine zur Verteidigung dringend braucht. Andere nehmen Flüchtlinge auf, die Hilfsbereitschaft ist groß. Aber militärisch eingreifen, wo man nicht unbedingt muss? Ist die Bereitschaft dazu bei den Mächten des Westens vorhandeln?

Dreh- und Angelpunkt für alles sind die USA, immer noch die führende globale Macht, denen allerdings China zunehmend auf die Pelle rückt. In Südostasien beansprucht Peking längst das alleinige Sagen zu haben. Dass Japan, Taiwan, Südkorea, Philippinen, Vietnam und andere dem weiter standhalten, hängt einzig und allein mit der ständigen Präsenz der USA in der Region mit kampfstarken Flugzeugträgergruppen und Stützpunkten dort zusammen. Ein militärischer Angriff Chinas auf Taiwan wäre auch ein Angriff auf die dort stationierten fast 30.000 GIs, auf militärische Infrastruktur, Flugzeuge und Raketen der Amerikaner. So eine Nummer wäre ganz was anderes als jetzt die Ukraine, wo heute der erste Amerikaner – ein Journalist – gestorben ist. Ein Angriff Chinas hätte verheerende Folgen auch für China, und das weiß man in Peking genau, wo es zwar machtbewusst aber viel rationaler zugeht als jetzt gerade in Moskau oder gar im Allahu Akbar-Teheran.

US-Präsident Joe Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan verurteilte heute den Angriff aufs Kurdengebiet. Es seien keine US-Ziele getroffen und keine US-Bürger zu Schaden gekommen, sagte er am Sonntag im Gespräch mit dem Sender CBS. Die USA seien im Gespräch mit der irakischen Regierung und jener in Erbil, «zum Teil, um ihnen zu helfen, die Fähigkeit zur Raketenabwehr zu bekommen, um sich und ihre Städte zu verteidigen», sagte Sullivan.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin erklärte, Deutschland verurteile die von den iranischen Revolutionsgarden reklamierten Raketenangriffe auf das Schärfste. «Angriffe auf diplomatisches Personal, Vertreter und Einrichtungen der Anti-IS-Koalition sind nicht hinnehmbar. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden», sagte er. Ja, toll, aber wie? Ist gerade Deutschland in seiner jetzigen Situation in der Lage, zu Problemen im Nahen Osten überhaupt irgendeinen Beitrag zu leisten. Oder gar jemanden zur Rechenschaft zu ziehen?

Sind eigentlich die der Ukraine zugesagten verrosteten NVA-Flugabwehrraketen inzwischen angekommen? Als Beitrag deutscher Solidarität….

Bildquelle:

  • Erbil: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.